Flüchtlingsunterbringung ist in vielen Kommunen nur noch in den Sporthallen möglich
© Adobe Stock

Immer mehr Hallenunterbringung - Sind Bundesimmobilien die Rettung?

Das wollten die Kommunen dringend vermeiden: Erste Städte bereiten Turnhallen zur Flüchtlingsunterbringung vor. Die Situation im Südwesten ist zunehmend angespannt. Der Flüchtlingsgipfel hat für die Probleme der Kommunen wenige Lösungen liefern können. Wenigstens einige der Bundesimmobilien, die nun zur Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung gestellt werden, liegen in Baden-Württemberg. Zumindest eine begrenzte Form der Entlastung ist in Sicht.

Seit Monaten spitzt sich die Situation in der Flüchtlingsunterbringung zu. Zu Kriegsbeginn konnten noch fast alle Geflüchteten aus der Ukraine privat untergebracht werden. In der Zwischenzeit sind 132.000 Menschen aus der Ukraine in Baden-Württemberg angekommen. Mehr Geflüchtete als jeweils in den Jahren 2015 und 2016 im Südwesten Sicherheit suchten. Und mittlerweile scheinen die Möglichkeiten der privaten Unterbringung fast überall in Baden-Württemberg erschöpft. Weiterhin suchen die Städte und Gemeinden nach Privatpersonen, denen es möglich ist, Geflüchteten eine Unterkunft zu bieten.

Bereits seit Spätsommer kaum mehr Wohnungen angeboten 

Doch die Rückmeldungen werden weniger und weniger. So meldete die Koordinierungsgruppe der Ukraine-Hilfe im südbadischen Lahr bereits Mitte September, dass kaum mehr Wohnungsangebote von Privatleuten eingingen. Die Folge: Das Landratsamt im Ortenaukreis bereitete die Umfunktionierung kreiseigener Sporthallen vor, um Geflüchtete unterzubringen. Ähnlich sieht es im Landkreis Heilbronn aus. Weil die Zahl der Schutzsuchenden aus der Ukraine kontinuierlich wächst und kaum mehr freie Wohnungen bereitstehen, ergriff der Landkreis bereits im September Maßnahmen und funktionierte die Sporthalle der Christian-Schmidt-Schule zur Flüchtlingsunterkunft um.

Druck auf Kommunen wächst enorm 

Von der für alle Seiten unbefriedigenden Notlösungen abgesehen - Sporthallen sind erstens keine menschenwürdigen Unterkünfte, außerdem fehlen sie den Schulen durch die Zweckentfremdung als Übungsstätten - stellt sich früher oder später die drängende Frage der Anschlussunterbringung. Denn natürlich sind die Sporthallen nur eine Übergangslösung. Aber wie kann eine Anschlussunterbringung ohne Wohnraum gelingen? Der Druck auf die Kommunen nimmt angesichts dieser unsicheren Perspektiven enorm zu. Bereits die Belegung der Hallen, die vielerorts bereits zur Realität geworden ist, wollten die Städte, Gemeinden und Landkreise eigentlich dringend vermeiden. 

Flüchtlingsunterbringung in Sporthallen stößt auf Unmut

Eine Maßnahme, die bei den Bürgerinnen und Bürgern häufig auf Unmut und Unverständnis trifft. So etwa in Friedrichshafen, wo in den nächsten Wochen die Sporthalle einer Berufsschule für die Unterbringung von Geflüchteten umfunktioniert werden soll. Landessportbund und Landeselternbeirat sehen die Belegung der Sporthallen kritisch. Vorher müsse jede andere Möglichkeit ausgeschöpft werden - darunter auch die Belegung von Messe- und Gemeindehallen sowie leerstehenden Hotels. Diese Möglichkeiten sind jedoch vielerorts bereits genutzt beziehungsweise stehen gar nicht zur Verfügung. 

Flüchtlingsgipfel sollte Lösung bringen

Um eine Lösung für die Flüchtlingsunterbringung zu finden, trafen sich in der letzten Woche Vertreter der Kommunen und Länder mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu einem Flüchtlingsgipfel - den Länder und Kommunen zuvor über Wochen gefordert hatten. Von den Ergebnissen waren besonders die Kommunen enttäuscht - Nur wenige konkrete Zusagen, viele Fragen blieben weiterhin ungeklärt. Die Ergebnisse können zwar für etwas Entspannung sorgen, doch das Problem ist für die Kommunen damit noch lange nicht gelöst.

Bund stellt Immobilien zur Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung

Der Bund sagte zu, weitere 56 Liegenschaften für die Unterbringung von 4.000 Menschen bereitzustellen. Von diesen wird auch Baden-Württemberg profitieren. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben geht davon aus, dass 35 der 56 Liegenschaften innerhalb von ein bis drei Monaten in Betrieb genommen werden können. Es handle sich um ehemalige Kasernen, militärische Wohnsiedlungen, Verwaltungsgebäude und Freiflächen für eine Behelfsunterbringung. Das Bundesinnenministerium kündigte Besichtigungstermine mit den Ländern an. Über die konkrete Nutzung sollen Länder und Kommunen selbst entscheiden. In jedem Fall werden auch die Immobilien für insgesamt 4.000 Menschen nur eine kurzfristige Hilfe sein. Perspektivisch ist eine Zuwanderung durch deutlich mehr Menschen aus der Ukraine zu erwarten.

Weitere Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels

Auf dem Flüchtlingsgipfel versicherte das Bundesinnenministerium außerdem, sich dafür einsetzen zu wollen, dass die europäische Verteilung der Geflüchteten verbessert werde. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte eine Verlängerung der Kontrollen an der Grenze zwischen Bayern und Österreich über den November hinaus an. Auch mehr finanzielle Hilfe als bislang sicherte Faeser Ländern und Kommunen zu. Konkrete Zahlen nannte sie jedoch nicht. Wie genau sich der Bund finanziell an den Flüchtlingskosten beteiligen will, soll erst in einer Bund-Länder-Runde Anfang November geklärt werden.

Jäger: Es gibt noch viel Gesprächsbedarf

„Aus baden-württembergischer Sicht war es dringend erforderlich, dass die Bundesinnenministerin der kommunalen Forderung nach einem Spitzengespräch nachgekommen ist", sagt Gemeindetagspräsident Steffen Jäger nach dem Flüchtlingsgipfel. "Für einen ganzheitlichen Gipfel braucht es jedoch noch weitere Akteure an einem Tisch. Denn mit einem Gespräch sind die Probleme nicht gelöst. Dabei geht es neben der Frage der besseren Verteilung innerhalb der EU und der Frage der europäischen Solidarität auch um die Kosten der Unterbringung und Integration in Kita und Schule, die Schaffung von Wohnraum sowie die Sprachvermittlung und Arbeitsmarktintegration. Auch die höheren Sozialleistungen für Geflüchtete aus der Ukraine (Rechtskreiswechsel) müssen dahingehend geprüft werden, ob sie eine europaweit gleichmäßige Verteilung erschweren. Die Städte und Gemeinden brauchen schnell klare Zusagen bezüglich des Zugangs der Geflüchteten und insbesondere auch hinsichtlich der Finanzierung. Um das auch dauerhaft gut umzusetzen, bedarf es dann eines stetigen Austausch zwischen Bund, Länder und Kommunen unter der Federführung des Bundeskanzleramtes.“

Kommunen fordern einen Flüchtlingsgipfel mit Olaf Scholz

Von dem Ergebnis des Flüchtlingsgipfel sind die Kommunen, die schnelle Lösungen für ein akut drängendes Problem benötigen, enttäuscht. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg,  fordert für die Kommunen nun ein weiteres Spitzentreffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz. "Wir erwarten von Bund und Ländern, dass sie die Kosten für die Aufnahme, Unterbringung und Integration komplett übernehmen",  sagt Landsberg. "Wir brauchen eine rasche Verständigung über Lösungen. Viele Kommunen sind bei der Unterbringung von Geflüchteten bereits jetzt an der Belastungsgrenze angekommen. Es werden schon viele unterschiedliche Belegungsmöglichkeiten, zum Beispiel Jugendherbergen und Hotels, genutzt. Zahlreiche Kommunen bereiten sich darauf vor, dass Turn- und Messehallen genutzt werden müssen und prüfen die Beschaffung von Containern und Traglufthallen. Die Bundesländer, aber auch der Bund müssen die in ihrer Verantwortung liegenden Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen und ausbauen."