Flüchtlingsgipfel gefordert
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Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen gefordert

Es fehlt an Unterkünften, Lehr- und Betreuungspersonal - Die steigenden Flüchtlingszahlen sorgen in den baden-württembergischen Städten und Gemeinden zunehmend für Herausforderungen. Im Land wird daher die Forderung nach einem Flüchtlingsgipfel aller politischer Ebenen laut.

In Baden-Württemberg kommen so viele Geflüchtete an, wie seit Jahrzehnten nicht. Im August waren es bis zu 233 Menschen pro Tag. Der größte Teil sind Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine flüchten. Knapp 130.000 Menschen aus der Ukraine sind seit Kriegsbeginn in Baden-Württemberg angekommen. Hinzu kamen im ersten Halbjahr dieses Jahres 13.500 Asylbewerber aus anderen Ländern. Eine Situation, die vor Ort in den Städten und Gemeinden zu verschiedenen Problemen führt: Ganz besonders fehlt es an dem nötigen Wohnraum für die Ankommenden. Doch auch die Betreuung und Beschulung der ankommenden Kinder und Jugendlichen ist angesichts des ohnehin alarmierenden Fachkräftemangels eine Herkulesaufgabe für die Kommunen.

Baden-Württemberg fordert einen Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen

Aus Baden-Württemberg kommt daher von verschiedenen politischen Seiten die Forderung nach einem Bundesgipfel - so unter anderem von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und dem Gemeindetag Baden-Württemberg. Hier müssen, so der Gemeindetag, auch die Städte und Gemeinden mit am Tisch sitzen und die konkreten Probleme vor Ort schildern können. 

Private Unterbringung in den meisten Kommunen nicht mehr möglich

In vielen Kommunen sind die verfügbaren Kapazitäten an privaten Unterkünften bereits aufgebraucht. So meldet der Kreis Waldshut etwa, dass aufgrund des Engagements der Bevölkerung zunächst alle ukrainischen Geflüchteten in privaten Wohnungen und Häusern untergebracht werden konnten. Mittlerweile seien 40 Ukrainerinnen und Ukrainer in einer Notunterkunft untergebracht. Doch auch die Gemeinschaftsunterkünfte des Kreises sind bereits fast voll belegt. Nun beginnt die Suche nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten. Die Belegung von Gemeinde- und Sporthallen wolle man vermeiden. Daher sei auch die Unterbringung in Containern in der Diskussion. In Schorndorf dagegen mussten bereits zwei Hallen (Tannbachhalle in Miedelsbach und Festhalle in Haubersbronn) für die Unterbringung von Geflüchteten hergerichtet werden. Gemeinsam können sie maximal 100 Menschen aufnehmen. 

Jäger: "Das tut uns als kommunalen Verantwortlichen in der Seele weh"

„Die Unterbringung Geflüchteter wirkt sich ganz konkret auf das Lebensumfeld der örtlichen Bevölkerung aus", sagt auch Gemeindetagspräsident Steffen Jäger. "Beispielsweise müssen wir auf Infrastruktur wie Sporthallen zugreifen, die eigentlich anderen Zwecken dient. Das tut uns als kommunalen Verantwortlichen in der Seele weh. Dies insbesondere auch deshalb, weil vieles an Sport, Kultur und örtlicher Gemeinschaft während der Pandemie nicht möglich war. Wir sehen aktuell kurzfristig jedoch keine Handlungsalternative, als die vor Krieg geflüchteten Menschen in Baden-Württemberg unterzubringen.“

Förderung für Wohnraum ist gestartet

Um neuen Wohnraum für Geflüchtete zu fördern, hatte das Land bereits Anfang August angekündigt ein Förderprogramm aus den Jahren 2015/16 fortzuschreiben. Seit letzter Woche Donnerstag können Kommunen die Fördermittel bei der L-Bank beantragen. Mit 80 Millionen Euro für die Jahre 2022 und 2023 fördert das Land den Bau neuen Wohnraums für Geflüchtete. Übernommen wird ein Festpreis von 1.000 Euro pro Quadratmeter. Voraussetzung für die Förderung ist, dass die Kommune den Wohnraum mindestens zehn Jahre für Geflüchtete zur Verfügung stellt und mindestens zwanzig Jahre Eigentümer der betreffenden Immobilien bleibt. 

Ausweitung des Förderprogramms auf Bestandswohnungen gefordert

Der Gemeindetag fordert bereits eine Ausweitung des Förderprogramms. „Wir brauchen kurzfristig weiteren Wohnraum. Angesichts der Inflation, gestiegener Baukosten als auch der gestörten Liefer- und Wertschöpfungsketten ist ein Neubau von Wohnungen aktuell keine adäquate Lösung", gibt der Gemeindetagspräsident zu bedenken. "Daher gibt es den kommunalen Vorschlag auch den Erwerb von älteren Bestandswohnungen zu fördern. Wir brauchen in einer multiplen Krisensituation noch viel mehr den politischen Mut, den Kommunen pragmatische Lösungen zu ermöglichen.“

Engpässe auch in Schule und Kita erwartet

Auch an den Schulen und Kitas werden voraussichtlich Kapazitätsgrenzen erreicht. Unter den knapp 140.000 Menschen, die in diesem Jahr aus der Ukraine nach Baden-Württemberg gekommen sind, befinden sich nämlich auch über 30.000 Kinder. Bei dem ohnehin hohen Fachkräftemangel an Schulen und Kitas und den bereits erwartbaren Ausfällen in Herbst und Winter wegen der Corona-Pandemie, hat Kultusministerin Theresa Schopper große Zweifel, ob alle Kinder aus der Ukraine betreut werden können. „Angesichts der Vielfach-Krise wirkt sich jede aktuell wahrnehmbare Entwicklung, beispielsweise Inflation, Gasmangellage, Energieversorgung und Fachkräftemangel auch bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten aus", sagt auch Jäger. "Klar ist, wir brauchen in Kita und Schule pragmatische Lösungen, die geflüchteten Kinder zu betreuen und zu integrieren. Insgesamt muss aus unserer Sicht auch bei den Angeboten des Spracherwerbs gerade mit Blick auf die Arbeitsmarktintegration schneller mehr erreicht werden.“ In der vergangenen Woche - nach Verhandlungen in der Gemeinsamen Finanzkommission - hatte das Land erklärt, auch in den kommenden zwei Jahren wieder 1.165 Stellen für Integrations-Lehrkräfte zu fördern.