Bibliotheken als Orte der digitalen Bildung

Zwischen Karteikarten und digitalem Wandel

22. November 2021
Gerade in ländlichen Kommunen haben die öffentlichen Bibliotheken einen hohen Stellenwert für die digitale Bildung – doch gerade hier ist es auch besonders schwer, sie so auszustatten, dass sie Orte des digitalen Wandels sein können. Gastautorin Monika Ziller zeigt gute Beispiele für moderne Bibliotheken im ländlichen Raum und erläutert, wie die Finanzierung verbessert werden könnte.

Bibliotheken können gerade im ländlichen Raum der ideale Ort für die Gestaltung des digitalen Wandels sein – das stellt Wibke Ladwig im „Wegweiser Kommune“ fest. Sie sind oft die letzten nicht-kommerziell genutzten Kultur- und Bildungseinrichtungen vor Ort und bieten von jeher Teilhabe an Bildung, Kultur, Gemeinschaft und nicht zuletzt auch an technologischen Innovationen. Sie sind bestens geeignet, um die digitale Transformation im ländlichen Raum voranzutreiben. 

Doch die Bibliothekenlandschaft sieht noch sehr durchwachsen aus: Aktuell gibt es in 54 Prozent der Gemeindebibliotheken kein öffentliches WLAN, rund 25 Prozent der Einrichtungen haben noch keine Homepage und 16 Prozent bieten keine E-Medien an. Während mancherorts mit wenig Personal, veralteter Technik und knappen Mitteln versucht wird, wenigstens das Basisangebot am Leben zu erhalten, gibt es andernorts Selbstverbuchung und Medienabholstationen sowie Online-Bezahlmöglichkeiten. Häufig zählt auch die Vermittlung digitaler Kompetenzen zum selbstverständlichen Bestandteil der täglichen Arbeit. 

Monika Ziller über das Potential öffentlicher Bibliotheken bei der digitalen Bildung
Monika Ziller ist Ehrenmitglied und ehemalige Bundesvorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands.

Um den digitalen Wandel in der Bibliothek vollziehen zu können, braucht es die nötigen Mittel. Daher haben die 2020 vom Bund aufgelegten Förderprogramme „Vor Ort für alle“ und „WissensWandel“ einen regelrechten Ansturm kleinerer Kommunen aus Baden-Württemberg ausgelöst. Viele sahen hier die Chance, ihre Gemeindebibliothek erstmals digital und innovativ auszustatten oder auf dem bereits erarbeiteten Niveau weiterzumachen. Oft geht es dabei um Angebote wie eine informative Homepage, Online-Kataloge, E-Book-Ausleihe (E-Lending), Datenbanken zur Allgemeinbildung und WLAN. 

In Uhingen unterstützen Apps die Vorschulkinder beim (Vor-)Lesen

In Uhingen – einer Kleinstadt mit 14.500 Einwohnern im nördlichen Filstal – regten die Förderprogramme die Erarbeitung eines Digitalisierungskonzepts an. Hier wurde eine zukunftsorientierte Digitalstrategie für die Bücherei entwickelt. Geplant ist eine neue Software zur Darstellung des aktuellen Bestands und zur Vereinfachung der Ausleihprozesse. Es wird WLAN installiert und kostenlos zur Verfügung gestellt. Bei den Vorschulkindern soll das (Vor-)Lesen in analoger oder digitaler Form mit Apps gefördert werden. Auch die älteren Leser sollen bei der Nutzung digitaler Angebote unterstützt werden, bei der Nutzung von E-Reader, Tablet oder Smartphone. Für Bürgermeister Matthias Wittlinger kommt die Förderung genau zur rechten Zeit: „Gerade in Coronazeiten ist es wichtig, dass die Stadt Uhingen digital gut aufgestellt ist.“

Gaming-Wall in der Stadtbücherei Stockach

Die Stadtbücherei Stockach am Bodensee ist seit wenigen Tagen um eine neue Attraktion reicher: Aus dem Förderprogramm „WissensWandel“ hat die Stadtbibliothek 11.000 Euro bekommen, um eine »Gaming-Wall« mit verschiedenen Spielekonsolen samt einer großen Auswahl dazugehöriger Spiele anzuschaffen. Neben der digitalen Medienausleihe stellt die Bibliothek einen bunten Strauß an digitalen Angeboten zum Lesen, Spielen und Programmieren zur Ausleihe bereit: wie E-Reader, Nintendo-Konsolen, Tonie-Boxen, Ozobots und Bluebots.

33.000 Euro Föderung in Erligheim

In Erligheim, einer Gemeinde mit knapp 3.000 Einwohnern im Landkreis Ludwigsburg, mochte der Gemeinderat die Höhe der Zuwendungen kaum glauben, die es für den digitalen Umbau der örtlichen Bücherei gibt: 33.000 Euro, von denen die Gemeinde nur rund zehn Prozent aufbringen muss. Im letzten Sommer wurde von der Fachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen beim zuständigen Regierungspräsidium der aktuelle Zustand der Ortsbücherei erfasst. Zusammen mit der Leiterin wurde anschließend ein Zukunftskonzept erstellt. Dazu gehören die Einführung der digitalen Ausleihverbuchung, die Möglichkeit der digitalen Recherche im Medienbestand und die Bereitstellung digitaler Angebote für Kinder und Erwachsene. Weitere Beispiele für die Digitalisierungsprojekte in Bibliotheken, gefördert im Rahmen von Wissenswandel, gibt es auf der Projektseite des Bibliotheksverbands.

Bibliotheken erhalten Unterstützung von den Bibliotheksfachstellen

Die Bibliotheksfachstellen bei den vier Regierungspräsidien haben ihren Fokus auf die Verbesserung der digitalen Ausstattung gesetzt. Sie veranstalten Medientage und präsentieren innovative Technik zum Ausprobieren sowie Veranstaltungsideen im Bereich digitaler Bildung. Sie beraten zu digitalen Services und bieten Arbeitskreise zu Gaming und Coding an. Auch begleiten sie den Aufbau von Verbünden zur Nutzung digitaler Medienangebote.

Trotzdem hinkt der ländliche Raum derzeit bei der Modernisierung der Bibliotheken hinterher – nicht zuletzt, weil es an einem langfristig angelegten baden-württembergischen Förderprogramm für die Digitalisierung kommunaler Bibliotheken (die Bibliotheken werden in der Digitalisierungsstrategie des Landes bisher leider nicht genannt) fehlt. Der baden-württembergische Bibliotheksverband hat in seinem im Juli veröffentlichten Bibliotheksentwicklungsplan, der im Auftrag der beiden Regierungsfraktionen erarbeitet wurde, dem Thema Digitalisierung einen großen Stellenwert beigemessen. Er fordert flächendeckend vieles von dem, was sich auch in den Anträgen an genannten Bundesprogrammen wiederfindet. Wichtigste Voraussetzung ist aber die Anbindung aller bibliothekarischen Standorte per Glasfasernetz und damit eine Bandbreitenerhöhung für den Zugang zum Internet auf mindestens 1 Gbit/s. 

Digitalisierung von Bibliotheken priorisieren

Als erster Schritt wäre es sinnvoll, im Rahmen von „digital@bw“ die Digitalisierung in Bibliotheken zu priorisieren. Wichtig wäre auch die Bildung von Landes-Konsortien zur Lizensierung digitaler Inhalte für die öffentlichen Bibliotheken sowie die Schaffung eines IT-Support für öffentliche Bibliotheken. Die neue Landesregierung hat das Thema im Koalitionsvertrag verankert: „Wir wollen die Potenziale öffentlicher Bibliotheken als ‚Dritte Orte‘ erschließen und Anreize zur Zusammenarbeit schaffen. Dazu werden wir die Ergebnisse des Bibliotheksentwicklungsplans auch im Hinblick auf eine Umsetzung prüfen, die Fachstellen für das öffentliche Bibliothekswesen stärken und die Beratung von öffentlichen Bibliotheken insbesondere in Fragen der Digitalisierung intensivieren.“

Task Force soll Kompetenzen bündeln

Johannes Moser, Bürgermeister der Stadt Engen im Hegau, schlägt vor, eine vom Land getragene Task-Force einzurichten, die alle Kompetenzen bündelt und individuell für jede Bibliothek einen Zukunftsplan ausarbeitet, verbunden mit finanziellen Fördermaßnahmen, die die Kommunen nur geringfügig belasten. Das kann der Bibliotheksverband nur nachdrücklich unterstützen.