
Steffen Jäger: Refugio ist gutes Beispiel für erfolgreiche Integration
Aus dem Obertorplatz in Hechingen war das Leben gewichen – Die Innenstadt von Hechingen hat, wie die vieler anderer Städte, viel Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie verloren. Auch das Hotel am Platz. Hier hat die Kommunalpolitik eine gute Möglichkeit gesehen, Unterbringung und Integration von Geflüchteten mit der Belebung der Innenstadt zu verknüpfen.
Modellprojekt Refugio belebt den Obertorplatz
Das Modellprojekt „Refugio“ war geboren. In dem ehemaligen Hotel wohnen nun 26 Geflüchtete, die direkt vor Ort Sprachkurse besuchen können und: Sie betreiben das Restaurant des Hotels. Gemeinsam mit dem Hotel war auch das Restaurant geschlossen worden. Nun wird wieder an jedem Tag in der Woche gekocht. Und auch die Speisekarte ist Teil der Völkerverständigung: Von schwäbischen Spätzle über marokkanische Gemüse-Tajine und togolesisches Ayimolo bis hin zu ukrainischen Pyrischky ist alles vertreten. So hat der Obertorplatz einen neuen Anziehungspunkt gewonnen. Und das Konzept geht auf.
Unterbringung, Sprachvermittlung und Integration an einem Ort
Das Modellprojekt wird in Kooperation vom Zollernalbkreis und dem Verein Arbeitskreis Asyl Hechingen betrieben. Der Landkreis hat das Hotel angemietet und die Mitarbeitenden des Arbeitskreises kümmern sich um Organisation, Deutschkurse und vieles mehr. Das Projekt ist auf eine große Zahl Ehrenamtlicher angewiesen. Und es zeigt Wirkung – nicht nur für die Integration, sondern auch für die Innenstadtbelebung. Denn seit das Restaurant für alle geöffnet ist, ist der Obertorplatz wieder lebendig. Und während die Geflüchteten mit den Gästen ins Gespräch kommen, können sie in einem ihr Deutsch verbessern.
Auch Veranstaltungen finden im Refugio statt. So etwa jeden Freitag eine Eltern-Kind-Gruppe oder aber Vorträge, wie etwa einer über kriminelle Banden und den machtlose Staaten in Westafrika.
Modellprojekt erhält große Aufmerksamkeit
Als Modellprojekt wird über das Refugio in der regionalen Presse regelmäßig berichtet. Und auch der Südwestrundfunk hat großes Interesse. In einer Kurzreportage stellte der Sender das Projekt Ende der letzten Woche vor. Auch Gemeindetagspräsident Steffen Jäger wurde zu seiner Meinung zu dem Projekt und dem Stand der Integration in den Kommunen gefragt.
Das Interview mit dem SWR lesen Sie hier:
Zeigt das Beispiel aus Hechingen, dass es nicht immer am Geld scheitert, sondern dass man Integration schaffen kann, wenn der Wille da ist?
Steffen Jäger: Es ist sicher ein gutes Beispiel dafür, wie Integration gut aufs Gleis gesetzt werden kann. Und, dass erfolgreiche Integration am ehesten gelingt, wenn es auch mit der Ausübung einer Arbeitstätigkeit verbunden ist. Ich glaube, dass ist eine ganz klare Botschaft aus dem Beitrag. Aber es ist eben auch klar, dass ohne das erforderliche Geld solche Maßnahmen in der Fläche nicht gewährleistet werden können.
Auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz heute ging es um die Situation der Kommunen. Die Kommunen bekommen nun nicht mehr pauschal vom Bund Geld, sondern pro Kopf. Reicht Ihnen das?
Nein, das reicht uns nicht. Denn diese Vereinbarung aus dem November 2023 richtet sich ja nur auf die neu ankommenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Und für die Menschen, die schon bei uns sind, fließt kein Euro mehr an die Kommunen. Und das ist viel zu wenig. Wir müssen uns bewusst machen, dass allein seit 2022 mehr als eine Viertel Million Menschen allein in die Städte, Gemeinden und Landkreise von Baden-Württemberg gekommen sind. Und, dass diese Menschen weiterhin Unterstützungsbedarfe haben. Und da kann man die Kommunen nicht allein lassen.
Was erwarten Sie von Winfried Kretschmann bei der Konferenz? Er hat klare Forderungen bezüglich Migration und auch Abschiebung. Halten Sie die für richtig?
Ich glaube wir brauchen tatsächlich eine Steuerung und Ordnung bei der irregulären Migration. Wir brauchen eine Reduktion. Aber wir brauchen gleichzeitig – und gestern gab es den Impuls des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten eine neue Verhandlung über die Finanzierung dieser Aufgabe. Und da braucht es auch den Blick darauf, wie findet die Finanzierung für die Menschen statt, die schon da sind und weiterhin einen Unterstützungsbedarf haben. Ich glaube, das ist eine dringende Notwendigkeit der Städte und Gemeinden, der Landkreise ebenfalls. Und deshalb braucht es darauf Antworten.