Esslingen gewinnt den Stadtmarketingpreis 2021
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Wie ein Kärtle das Obere Kinzigtal aufmischt

Der Kampf gegen den Onlinehandel mag kein leichter sein. Doch viele Städte und Gemeinden beweisen, dass sie ihre Innenstädte trotzdem attraktiv machen und den örtlichen Handel in Schwung bringen können. Das Rezept besteht aus einer Mischung aus Einfallsreichtum, der Einbindung der Zivilgesellschaft und wirtschaftlichem Knowhow in der Umsetzung. Drei besonders überzeugende Ideen, die mit dem Stadtmarketing-Preis ausgezeichnet wurden, stellen wir Ihnen vor.

Die Chancen, dass das „HeimatKärtle“ ein voller Erfolg werden könnte, standen von Beginn an gut. Denn bereits der Vorläufer des interkommunalen Gutschein- und Bonussystems, die „HausachCard“, war bei den Bürgern beliebt. Das Heimatkärtle ist nun aber eine deutlich größere Nummer. Das Konzept überzeugte die Jury des vom Handelsverband ausgelobten Stadtmarketingpreises, den das HeimatKärtle in der Kategorie „Kommunen bis 20.000 Einwohner“ gewinnen konnte. In den sieben Gemeinden Wolfach, Hausach, Hornberg, Oberwolfach, Gutach, Schiltach und Schenkenzell mit zusammen 25.000 Einwohnern sind 93 Partnerbetriebe eingebunden, davon 25 Industrie- und Handwerksbetriebe. Seit Markteinführung Ende Oktober 2021 hat das HeimatKärtle knapp 2.500 Kunden gefunden. Genau gesagt müsste man aber nicht vom dem HeimatKärtle sprechen, sondern von den HeimatKärtles.

HeimatKärtle hält Kaufkraft vor Ort

Denn es gibt verschiedene Varianten: Das „HeimatKärtle Gutschein“ zum Beispiel, das die Beschenkten in vielen teilnehmenden Geschäften aller sieben Kommunen einlösen können. Das „Heimatkärtle Bonus“ wiederum funktioniert wie geläufige Bonussysteme: Bei jedem Einkauf in teilnehmenden Geschäften sammelt man Punkte, die man später wieder einlösen kann. Und mit dem „HeimatKärtle JobPlus“ können Arbeitgeber ihren Mitarbeitern steuerfreie Sachzuwendungen zukommen lassen, die sie dann individuell im Geschäft ihrer Wahl einlösen dürfen. Wer sich als Inhaber der Karte(n) registriert, wird außerdem frühzeitig über Aktionen und Angebote informiert. Durch Teileinlösungen können Kunden die Karte an mehreren Stellen verwenden, damit sie nicht das gesamte Guthaben an einem Ort ausgeben müssen. Wie Reinhold Waidele, Geschäftsführer von HeimatKärtle im Gespräch mit die:gemeinde erläutert, fungieren die Gewerbevereine der Gemeinden als Gesellschafter, während die sieben Kommunen einen Zuschuss zum Startkapital beisteuerten.

Oberes Kinzigtal: Stadtmarketingpreis für interkommunale Zusammenarbeit

„Der große Vorteil des Projekts liegt in dem kommunalübergreifenden Nutzen mit sieben Partnern und ist damit eine gewinnbringende Entscheidung für unsere Heimat, des gesamten oberen Kinzigtals“, sagt Wolfgang Hermann, Bürgermeister von Hausach, einer der teilnehmenden Kommunen, gegenüber die:gemeinde. „Die Bindung der Kaufkraft in der Region unterstützt unsere lokale Wirtschaft“, ergänzt er. Gleichzeitig biete der HeimatKärtle-Gutschein für die Kunden eine attraktive Lösung, da er an vielen Orten in mehreren Kommunen und bei vielen Akzeptanzstellen auch zu Teilen einlösbar sei. „Zudem wird der Abwanderung in den Onlinehandel entgegengesteuert“, erklärt Hermann. Bis dato wurden Bonuspunkte im Wert von rund 20.000 Euro vergeben und über 4.500 Gutscheine im Wert von knapp 150.000 Euro verkauft. „Die steuerfreien Sachzuwendungen der Arbeitgeber belaufen sich bis jetzt auf circa 50.000 Euro“, sagt Wolfgang Hermann.

Interkommunale Zusammenarbeit hat im Kinzigtal Tradition

Die interkommunale Zusammenarbeit hat im Oberen Kinzigtal eine gewisse Tradition. So gibt es den Zweckverband Kinzigtalbad, der aus neun Kommunen besteht und der eine in die Jahre gekommene Badelandschaft in ein modernes, attraktives Ganzjahresbad verwandelt hat. Die Gemeinden konnten also auf einem bestehenden Fundament aufbauen. Auch das sei ein wichtiger Erfolgsfaktor, findet Wolfgang Hermann.

Nur wenn die Raumschaft sich gemeinsam sehr gut aufstellt, kann eine hohe Lebensqualität für Personen aller Altersgruppen aufrechterhalten werden.

Wolfgang Hermann, Bürgermeister der Stadt Hausach

Wolfgang Hermann über den Stadtmarketingpreis für das HeimatKärtle

Freudenstadt: Stadtmarketingpreis für gutes Leerstandsmanagement

Nach hoher Lebensqualität strebt man auch in Freudenstadt. Um diese zu erhalten oder sogar noch auszubauen, haben sich die Verantwortlichen ein kreatives Konzept ausgedacht, das mit dem Stadtmarketingpreis in der Kategorie der Städte zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern honoriert wurde. Elke Latscha, Wirtschaftsbeauftragte der Stadt, und Deniz Özkül, Geschäftsführerin des Vereins Freudenstadt-Marketing, schafften es durch geschickte Planung und überzeugende Kommunikation mit Immobilienbesitzern, bislang leerstehenden Ladengeschäften zeitweise neues Leben einzuhauchen.

Pop-up-Stores erhöhen die Attraktivität und überbrücken Leerstand

Im Zentrum der Aufmerksamkeit und von der Jury des Stadtmarketingpreises besonders lobend hervorgehoben, stehen dabei die Pop-up-Stores. Die Stores zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Inhaber sich nicht dauerhaft, sondern befristet in den Ladengeschäften niederlassen – oft nur ein paar Wochen. Häufig handelt es sich dabei um Menschen aus der Kreativbranche, die keine Massenware verkaufen, sondern zum Beispiel Kunsthandwerk und eigene Modekreationen.

So konnte der peruanische Künstler Israel Surco Ende 2020 einen Monat lang sein Kunstprojekt „El mundo papel“ („Die Tierwelt“) präsentieren, in dem Surco seine Naturbeobachtungen mit Tinte, Stiften, Aquarell und Fotografie verarbeitet. Fünf Freudenstädter Kunsthandwerkerinnen stellten ebenfalls Ende 2020 einen Monat lang ihre Artefakte aus. Im vergangenen Sommer präsentierte die Filzkünstlerin Alexandra Mayer Filzarbeiten aus Schafwolle. Die Unikate beinhalten Gebrauchsgegenstände wie Wärmflaschenbezüge, Windlichter oder eine Garderobe mit Tierkopf.

Einer der Pop-Up-Stores in Freudenstadt mit denen die Stadt den Stadtmarketingpreis gewonnen hat.
Einer der Pop-Up-Stores in Freudenstadt

Die Stores stehen gleichwohl auch etablierten Geschäftsmodellen offen. Die Inspiration für die Pop-up-Stores hatten Latscha und Özkül sich in Karlsruhe geholt. Grundlage für den Erfolg – laut Franziska Hoferer von der Stadt Freudenstadt hatten bislang elf Pop-up-Stores temporär geöffnet, von denen zwei sogar dauerhaft eingezogen – sind intensive und engagierte Gespräche der Stadt mit den Eigentümern der Immobilien. Die neue Pop-up-Saison ist Anfang März gestartet. Den Freudenstädtern geht es grundsätzlich um die Ansiedlung neuer, interessanter Geschäfte. Das Format der Pop-up-Stores bietet sich dabei an, ist aber kein Muss. Gleichzeitig geht es auch darum, Leerstände zu mindern, die Freudenstadt ebenso betreffen wie viele andere Kommunen im Land. So erreicht die Stadt mit ihrem Ansatz gleich zwei Ziele: Die Stadt wird attraktiver, Leerstand schwindet.

Esslingen: Stadtmarketingpreis für transformatives Konzept der Innenstadtentwicklung

In der Kategorie der Städte über 50.000 Einwohnern gewann Esslingen für ihr transformatives Konzept der Innenstadtentwicklung, das unterschiedliche Beteiligungsformate mit einbezieht. „Die Grundidee des Transformationsmanagements liegt darin, nicht die Innenstadt der 80er- oder 90er-Jahre wiederherzustellen, sondern an der lebenswerten Innenstadt der Zukunft zu arbeiten. Dabei setzen wir aktiv auf die Innovationskraft der Stadtgesellschaft, die wir über verschiedene Beteiligungsformate einbinden“, erklärt Stadtmarketing-Chef Michael Metzler. Im vergangenen Frühjahr starteten verschiedene Akteure deshalb den Strategieprozess „Zukunft Innenstadt – Wir packen ES an“, in dessen Rahmen mehrere erfolgreiche Transformationsprojekte entwickelt wurden: zum Beispiel der Business-Wettbewerb „Start-up-Esslingen“, das Digitalprojekt „Online Handel(n) Esslingen“, die „Innovationsmeile Küferstraße“ oder der „Gründerverein Makers League“. Auf einem Online-Portal ruft die Stadt ihre Bürger dazu auf, Ideen zu entwickeln, die Esslingen „attraktiver, ökologischer und vielfältiger“ machen. Zu den Beteiligungsformaten gehören neben dem Online-Portal eine analog durchgeführte Auftaktveranstaltung, ein zweimal jährlich geplantes Innenstadtforum, bei dem Ideen und Impulse eingebracht werden können, Zukunftswerkstätten mit interdisziplinär besetzten Teams und die Etablierung einer „Arbeitsgruppe Innenstadt“, die sich durch eine ausgeprägte Lösungs- und Umsetzungsorientierung auszeichnen soll.

Schirmherr des Stadtmarketingpreises ist das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg. Die Gewinner der vom Gemeindetag Baden-Württemberg unterstützten Auszeichnung erhalten mehrere Preise, darunter einen Online-Marktplatz mit dreijähriger kostenloser Administration und ein Blumenarrangement.