Der Gratis-ÖPNV ist in Walldorf und St. Leon-Rot an Neujahr gestartet
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Gratis-ÖPNV in Walldorf und St. Leon-Rot

Nachdem Tübingen den ÖPNV samstags kostenlos anbietet, gehen nun zwei baden-württembergische Kommunen weiter: In Walldorf und St. Leon-Rot ist der ÖPNV seit Neujahr kostenfrei. Die Kommunen möchten so die Verkehrswende vorantreiben.

Nach ersten Tests in Monheim am Rhein, Pfaffenhofen an der Ilm und Augsburg stellen nun auch zwei Kommunen in Baden-Württemberg ihren Nahverkehr kostenlos zur Verfügung - die Nachbarkommunen Walldorf und St. Leon-Rot. So sollen mehr Menschen von der Nutzung des ÖPNV überzeugt und die Menge der Pkw auf den Straßen damit reduziert werden. Es handelt sich um eine Maßnahme, die die Verkehrswende vorantreiben und somit das Klima schützen soll. Die Maßnahme passe außerdem zu dem Ziel, die Innenstadt zu stärken, die Walldorfer nun nicht mehr nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad kostenlos erreichen können. 

Gratistickets waren nur durch Tarifreform möglich

Dafür war zunächst eine Tarifreform nötig: Die ehemaligen Preisstufen 0 bis 2 des Verkehrsverbunds heißen nun "Orts- und Stadttarife" und bieten Kommunen die Möglichkeit eigene Ortstarife zu definieren. Seit Neujahr ist dieser Ortstarif in Walldorf und St. Leon-Rot ein "Gratisticket". Fahrten über diese Preisstufen hinaus - in die umliegenden Städte und Gemeinden - sind weiterhin gebührenpflichtig. Somit ist etwa auch eine Fahrt von St. Leon-Rot nach Walldorf weiterhin kostenpflichtig. Fahrgäste müssen auch bei vollständig kostenfreien Fahrten weiterhin ein Ticket lösen, damit der Verkehrsverbund Daten über die ÖPNV-Nutzung erheben kann. Die Kommunen wollen nun proaktiv auf die Bürger zugehen und ihnen die neuen Modalitäten erklären. Frustration, weil Bürger etwa nicht wissen, dass sie auch bei einer kostenlosen Fahrt ein Ticket lösen müssen oder für die Fahrt zwischen Walldorf und St. Leon-Rot Gebühren anfallen, soll so vermieden werden. 

Gratis-ÖPNV kostet Walldorf 70.000 und St. Leon-Rot 20.000 Euro

Die neuen Tarife gelten zunächst testweise für zwei Jahre. In Walldorf soll es nach den zwei Jahren eine Erhebung geben, die zeigt, wie die Gratistickets die ÖPNV-Nutzung beeinflusst haben. Seit 2018 hatte sich der Walldorfer Gemeinderat mit dem Gratis-ÖPNV beschäftigt. Im Juli 2021 stimmte das Gremium dem Antrag schlussendlich zu. Im September zog St. Leon-Rot nach. Im Lichte der Corona-Pandemie sorge der Beschluss auch für eine dringend notwendige Stütze für den ÖPNV. Vielerorts leidet der öffentliche Nahverkehr unter sinkenden Fahrgastzahlen, da viele Menschen zum Zwecke der Kontaktreduktion lieber auf den Individualverkehr setzen. Die Mindereinnahmen durch das Gratisangebot müssen die Kommunen dem Verkehrsverbund erstatten. Das neue Angebot könnte die Stadt Walldorf so bis zu 70.000 Euro kosten. In St. Leon-Rot geht man von Kosten in Höhe von 20.000 Euro aus. In Deutschland zahlen die Kommunen, die einen Gratis-ÖPNV anbieten, diesen selbst. Daher handelt es sich bisher ausschließlich um Kommunen, die etwa über hohe Einnahmen aus der Gewerbesteuer verfügen. Anders ist es im estnischen Tallinn. Hier wird der Gratis-ÖPNV maßgeblich durch erhöhte Parkplatzpreise querfinanziert.