Wie wird der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule in Baden-Württemberg ausgestaltet?
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„Keine weiteren Anforderungen an das Personal notwendig“

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an den Grundschulen rückt näher, doch viele Fragen bleiben ungeklärt. Mit welcher finanziellen Unterstützung durch das Land dürfen die Kommunen rechnen? Welche Anforderungen müssen die Betreuungskräfte erfüllen? Wie kann dem Fachkräftemangel Einhalt geboten werden? Wir haben beim Kultusministerium nachgefragt.

Um auf den kommenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an den Grundschulen für das Schuljahr 2026/27 vorbereitet zu sein, müssen die Kommunen jetzt investieren. Es werden neue Räumlichkeiten und vor allem mehr Betreuungskräfte benötigt. Wie schnell die Städte und Gemeinden auf den Rechtsanspruch reagieren können, hängt maßgeblich davon ab, ab wann hierzu eine neue Förderrichtlinie des Landes verfügbar ist. Derzeit bekommen die Kommunen von den Ländern Gelder zum Ausbau der Infrastruktur. Dafür hat der Bund den Ländern bis zu 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. In einem ersten Schritt stehen bereits 97,6 Millionen Euro bereit und das Programm läuft noch bis zum Ende des Jahres 2022. Hierfür ist eine Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund unterzeichnet und eine Förderrichtlinie wurde zur Umsetzung der Regelungen erstellt, damit die Mittel abgerufen werden können. 

358 Millionen Euro für Baden-Württemberg

„Für das Nachfolgeprogramm stehen wir in einem guten Austausch und intensiven Verhandlungen mit dem Bund“, heißt es vom Kultusministerium Baden-Württemberg. „Wir wissen, dass für Baden-Württemberg rund 358 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Wir möchten die Vorbereitungen für die Verwaltungsvereinbarung II rasch abschließen, um anschließend eine Landesförderrichtlinie zu erstellen. Darüber werden wir die Kommunen, an die sich der Rechtsanspruch richtet, so schnell wie möglich informieren.“ Für das Nachfolgeprogramm stehen auch die Kommunalen Landesverbände in ständigem Austausch mit dem Kultusministerium. 

„Der Anspruch auf Ganztagesbetreuung richtet sich gegen den Träger, nicht gegen das Land“

Doch auch über die Mittel des Bundes hinaus, fordern die Kommunen bei der Umsetzung des Ganztagsanspruchs Unterstützung vom Land. „Der Anspruch auf Ganztagesbetreuung richtet sich gegen den Träger der örtlichen Jugendhilfe, nicht gegen das Land“, sagt die Pressestelle des Kultusministeriums dazu. „Das Land arbeitet selbstverständlich gemeinsam mit den Kommunen daran, die möglichst besten Angebote zur ganztägigen Bildung und Betreuung von Grundschulkindern auf den Weg zu bringen, um den Rechtsanspruch zu erfüllen. Das Land wird auch künftig den Ausbau von Ganztagsschulen nach § 4 a SchG fördern und das Lehrpersonal zur Verfügung stellen. Für Betreuungsangebote der Kommunen und von freien Trägern gewährt das Land Zuschüsse, die zum vergangenen Schuljahr 2021/2022 auch erhöht wurden.“

Ergänzung des Schulgesetzes soll Anforderung an Ganztagsbetreuung regeln

Was den Kommunen weiterhin fehlt, um den Ganztagsbetrieb an den Schulen auf die Anforderungen der Schuljahre 2026 und folgende vorzubereiten, ist die vom Land in Aussicht gestellte Ergänzung des Schulgesetzes Baden-Württemberg (SchG BW). Hier möchte das Land festlegen, wie die Aufsicht der Ganztagsbetreuung konkret ausgestaltet werden muss. Darauf angesprochen, wann die Ergänzung kommen wird, sagt das Kultusministerium: „Der Prozess zur Änderung des Schulgesetzes läuft aktuell und auch die Kommunen sind in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden. Wir befinden uns mit allen Partnern in einem kontinuierlichen Austausch, um sicherzustellen, dass wir eine gute Regelung finden, die auch den Anforderungen des Bundes genügt.“

"Keine weiteren Anforderungen an das Personal notwendig"

Von der Ergänzung des SchG BW hängt für die Städte und Gemeinden viel ab. Denn viele Schulträger haben längst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Grundschulkinder ganztags oder zumindest am Nachmittag betreuen. Ob diese den neuen Anforderungen gerecht werden, wird jedoch erst eindeutig klar sein, wenn die Ergänzung des SchG BW da ist. Das Kultusministerium möchte den Kommunen hier jedoch die Sorge nehmen: „Für die Erfüllung der Aufsichtsregelung sind nach unserer Ansicht keine weiteren Anforderungen an das Personal notwendig. Wie bisher bleibt das Personal also bei den Kommunen.“

Land hat seine Möglichkeiten für die Schaffung von Fachkräften ausgeschöpft

Weniger optimistisch zeigt sich das Ministerium, wenn es darum geht, was man von Landesseite noch gegen den Fachkräftemangel im Bereich Schule und Betreuung tun kann. „Wir haben in den Bereichen, in denen wir handeln können, bereits gehandelt“, heißt es von der Pressestelle. „Wir haben die Studienkapazitäten in den Lehrämtern Grundschule und Sonderpädagogik ausgebaut, wodurch uns langfristig mehr Grundschullehrkräfte und mehr Sonderpädagoginnen und -pädagogen zur Verfügung stehen. Außerdem haben wir die Zahlen in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern aufgestockt. Seit dem Schuljahr 2008/2009 haben wir die Kapazitäten der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung nahezu verdoppelt.“ 

Wie viele Eltern werden den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung nutzen?

Auch die Kommunen unternehmen viele Anstrengungen, um ihre Ausbildungskapazitäten im pädagogischen Bereich zu erhöhen. Eine Lösung des Problems ist dennoch nicht in Sicht. Das Deutsche Jugendinstitut hat 2020 Daten erhoben, die zeigen, dass zu diesem Zeitpunkt etwa die Hälfte der Grundschulkinder in Baden-Württemberg ein Ganztagsbetreuungsangebot nutzte. Die Angebote der Ganztagsschule, dem Hort und der flexiblen Nachmittagsbetreuung wurden in ähnlichem Ausmaß wahrgenommen. „Es bleibt abzuwarten, wie viele Eltern aufgrund des Rechtsanspruchs tatsächlich zusätzlich einen Platz in der Betreuung wahrnehmen möchten“, heißt es vom Kultusministerium. „Bis zur vollumfänglichen Geltung des Rechtsanspruchs im Schuljahr 2029/2030 gehen wir derzeit von etwa 62.000 bis 90.000 zusätzlichen Plätzen aus.“