Kritik am Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung
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Stimmen zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung

Der Bundestag hat den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder beschlossen. Der Gemeindetag Baden-Württemberg warnt vor der finanziellen Überlastung der Kommunen. Der DStGB mahnt Bund und Länder, den Rechtsanspruch in der aktuellen Form nicht umzusetzen.

In den nächsten fünf Jahren wird sich in der Kinderbetreuung viel bewegen müssen. Denn ab 2026 beginnt für Grundschüler ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Diesen hat der Bundestag am letzten Freitag beschlossen, der Bundesrat muss noch zustimmen, bevor das Gesetz in Kraft tritt. 2026 erhalten zunächst Erstklässler ein Recht auf Ganztagsbetreuung. Bis 2030 folgt dann jährlich jeweils die nächst höhere Klassenstufe. 

3,5 Milliarden Euro für Investitionskosten

Der Rechtsanspruch stellt die Kommunen vor eine große Herausforderung. In fünf Jahren muss die Infrastruktur der Grundschulen umgestellt und das nötige zusätzliche Personal gefunden werden. Der Bund stellt Ländern und Kommunen laut Ganztagsfinanzierungsgesetz Investitionshilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese Mittel können nicht nur für Neubau, Umbau und Sanierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur verwendet werden, sondern auch für die Ausstattung, soweit damit zusätzliche Betreuungsplätze oder räumliche Kapazitäten geschaffen werden. Im Ganztagsfinanzierungsgesetz wird auch die Frist zum Erwerb von Anwartschaften auf die Bonusmittel um ein Jahr bis Ende 2022 verlängert.

Neue Verteilung der Umsatzsteuer

Zudem wird sich die Bundesebene über eine dementsprechend angepasste Umsatzsteuerverteilung an den laufenden Betriebskosten beteiligen. Die Länder erhalten ab 2026 einen höheren Anteil der Umsatzsteuer - So sollen im Jahr 2026 rund 100 Millionen Euro, 2027 rund 340 Millionen Euro, 2028 rund 580 Millionen Euro und 2029 rund 820 Millionen Euro an die Länder fließen. Ab 2030 rechnet der Bund mit rund 960 Millionen Euro für die Länder.

Gemeindetag warnt vor finanzieller Überlastung der Kommunen

Vor dem Beschluss im Bundestag hatte der Gemeindetag Baden-Württemberg vor einer finanziellen Überlastung der Kommunen gewarnt. Während der Verband den Ausbau der Ganztagsbetreuung im Allgemeinen für richtig hält, müsse zunächst die Finanzierung - besonders in Hinblick auf die angespannte Haushaltssituation der meisten Kommunen in der Corona-Zeit - geklärt werden. Laut Gemeindetag gehen derzeit 86 Prozent der baden-württembergischen Kommunen davon aus, das Jahr 2021 mit einem negativen Haushaltsergebnis abzuschließen. Das Bundesgesetz decke die Kosten für Umbau und Betrieb nicht annähernd. 

Kosten für Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Baden-Württemberg

Der Gemeindetag veranschlagt die Kosten für die Ganztagsbetreuung folgendermaßen: Bis 2025 müssten bei rund 400.000 Grundschülern in Baden-Württemberg etwa 200.000 zusätzliche Plätze in der Ganztagsbetreuung geschaffen werden. Um die nötigen Kapazitäten aufzubauen, sei ein Umbau nötig, der etwa 1,3 Milliarden Euro kostet. Für die zusätzlichen Fachkräfte rechnet der Gemeindetag mit einer Erhöhung der laufenden Kosten um 800 Millionen Euro pro Jahr.

DStGB mahnt Bund und Länder, Rechtsanspruch nicht umzusetzen

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund appelliert an Bund und Länder, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der vorliegenden Form nicht umzusetzen. Der Verband warnt davor, Eltern falsche Versprechungen zu machen. Auch der DStGB bekräftigt, dass das Ziel, die Ganztagsbetreuung zu realisieren, sinnvoll ist. Mit den vorhandenen Mitteln sei dies jedoch in absehbarer Zeit nicht flächendeckend umsetzbar. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten bauten die Kommunen die Ganztagsbetreuung bereits aus. Der DStGB kritisiert, die Länder seinen für die Bildung verantwortlich und sollten somit selbst entscheiden können, ob und wann es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung soll. In jedem Fall verlangt der Verband eine vollständige Finanzierung der zusätzlichen Belastungen für die kommunale Ebene. Auch der DStGB hält die Mittel, die den Kommunen im Gesetz zugesagt werden, für unzureichend.

Personalmangel steigt weiter

Darüber hinaus sei auch das Personalproblem zu beachten. Bereits heute fehle Personal und diese Entwicklung werde sich in den nächsten Jahren aufgrund des demografischen Wandels noch verschärfen. Derzeit würden bundesweit jährlich rund 35.000 Fachkräfte ausgebildet. Um den Bedarf zu decken müsste die Zahl mit rund 85.000 mehr als doppelt so hoch sein.