Fatma Cetin über die Learnings aus Digitale Zukunftskommune@bw
Fatma Cetin ist Wissenschaftlerin im Team Smart Urban Environments des Bereichs Stadtsystemgestaltung am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO).

Digitale Zukunftskommune@bw: "Austausch treibt den digitalen Wandel"

Fatma Cetin spricht mit die:gemeinde über wichtige Erkenntnisse aus der Begleitforschung des Landeswettbewerbs „Digitale Zukunftskommune@bw“.

die:gemeinde: Frau Cetin, durch das Projekt Digitale Zukunftskommune@bw haben Sie viele Einblicke in den aktuellen Digitalisierungsstand der Kommunen. Warum ist es bei der Digitalisierung so wichtig, dass Kommunen im Austausch stehen und voneinander lernen?

Fatma Cetin: Die meisten Kommunen stehen vor den gleichen Herausforderungen, was die Digitalisierung ihrer Verwaltungsapparate betrifft. Sie beschäftigen sich überwiegend mit den gleichen Themen und haben ähnliche Probleme, so etwa mangelnde finanzielle Ressourcen oder Personalmangel. Deshalb haben wir bei der Begleitforschung einen Peer-to-Peer-Ansatz gewählt. Im Optimalfall bewältigen Kommunen ihre Probleme, indem sie sich zusammenschließen, ihr Wissen und ihre Ideen teilen oder sich austauschen, wenn sie bereits Erfahrungen in einem bestimmten Bereich gesammelt haben.  

Im Laufe der drei Jahre des Projekts "Digitale Zukunftskommune@bw" wollten wir diesen Ansatz laufend, systematisch, vor allem aber auch praxisbezogen fördern. Wir haben also immer nach den Bedarfen der Kommunen gefragt und versucht, ein maßgeschneidertes Angebot für sie zu schaffen. Dadurch sollten sie Synergien erkennen, nutzen und möglichst auf ihre eigene Situation übertragen.

die:gemeinde: Hatte das Konzept denn Erfolg?

Fatma Cetin: Ja. Beim Start von "Digitale Zukunftskommune@bw" vor dreieinhalb Jahren waren wir zunächst etwas schockiert. Im Rahmen der Workshops, die wir vor Ort durchgeführt haben, haben wir festgestellt, dass viele Gemeinden nicht auf die Idee gekommen waren, einmal bei Nachbarkommunen nachzufragen, wo diese in Sachen Digitalisierung stehen. Jeder hat sein eigenes Süppchen gekocht, es gab wenig Erfahrungsaustausch.

Auch das abteilungsübergreifende Arbeiten innerhalb der Verwaltungen war noch nicht besonders ausgeprägt. Durch die "Digitale Zukunftskommune@bw" hat da eine Veränderung stattgefunden in Richtung lösungsorientiertes und „vernetztes“ Denken. Das haben uns so auch viele Vertreter der Gemeinden zurückgemeldet. Nach dem Motto: „Warum sollte ich bei null anfangen, wenn doch eine andere Kommune bereits eine gute Lösung hat, die ich auf meine Abteilung übertragen kann?“  

die:gemeinde: Sie plädieren im Abschlussbericht von "Digitale Zukunftskommune@bw" für eine Förderpolitik der „Lichterketten“ anstelle von „Leuchttürmen“. Warum würden kleinere Kommunen davon mehr profitieren?

Fatma Cetin: Der Fokus auf Leuchtturmprojekte ist sinnvoll, doch wir haben festgestellt, dass sich kleine Kommunen davon überwiegend nicht angesprochen fühlen. Mit den Leuchttürmen fördert man oft die „üblichen Verdächtigen“, also große Städte, die ohnehin schon weit sind bei der Digitalisierung. Diese Projekte lassen sich aber schwer auf kleinere Kommunen übertragen, weil es dort die Strukturen – das Personal zum Beispiel – nicht hergeben. 

Deshalb sagen wir: Es lohnt sich, in „Lichterketten“ zu investieren. Dabei schließen sich zum Beispiel mehrere kleine Kommunen zusammen und bewerben sich auf ein Förderprojekt. Im Mittelpunkt steht die Konzentration auf die lokale Ebene. Es sind kleine, agile Projekte, die es erlauben, schneller auf Entwicklungen zu reagieren, als es innerhalb der Leuchtturmprojekte möglich wäre.

die:gemeinde: Besonders spannend sind die sogenannten Digitalisierungsprofile, die nach Größe der Kommunen kategorisiert sind und aus denen sie konkrete Empfehlungen für Digitalisierungsstrategien ableiten. Was hat es damit auf sich?

Fatma Cetin: Dadurch wollten wir auf Grundlage unserer Erkenntnisse Empfehlungen vor allem für kleinere Gemeinden geben. Die Profile sind idealtypisch. Gleichzeitig haben wir uns überlegt, was für alle Kommunen unabhängig von ihrer Größe wichtig ist. Der Wissensaustausch ist unter anderem so ein Faktor. Es hat sich dabei übrigens gezeigt, dass es für die Teilnehmenden besonders spannend ist, über negative Erlebnisse und Fehler zu sprechen. Gleichzeitig war es schwierig, Redner zu finden, die offen über Fehler sprechen. Das ist wiederum eine Frage des Kulturwandels.

die:gemeinde: Welche Empfehlung ist nun für kleinere Gemeinden besonders relevant?

Fatma Cetin: Es sollte in kleinen Gemeinden mindestens einen Digitalisierungsbeauftragten geben – auch Multiplikator genannt –, der das Wissen an andere Mitarbeiter weitergibt, so dass diese im Stande sind, eigene Digitalisierungsprojekte zu initiieren und durchzuführen. Es darf nicht sein, dass Prozesse gestoppt werden, sobald ein Mitarbeiter im Urlaub ist, krank wird oder die Verwaltung verlässt. Die Erfahrungen und das Wissen innerhalb der Verwaltungen dürfen nicht verloren gehen.