Deutschlandticket - So sehen die Kommunen den Start
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Deutschlandticket: So sehen die Kommunen den Start

Seit Anfang des Monats ist das Deutschlandticket erhältlich. Doch was bedeutet es für die Akteure vor Ort? Wir haben bei Verkehrsverbünden und Kommunen nachgefragt.

Nun ist es da, das Deutschlandticket. Vor über einem Monat, am 3. April, startete der Vorverkauf. Das Interesse der Kundinnen und Kunden war von Anfang an hoch. Die Sorge der Verantwortlichen vor Ort ebenfalls. In den ersten drei Tagen des Vorverkaufs abonnierten allein 250.000 Menschen das Deutschlandticket direkt über die Deutsche Bahn. Der Karlsruher Verkehrsverbund vermeldete nach neun Tagen 2.000 Neukundinnen und -kunden durch das Deutschlandticket. „Das Interesse am Deutschlandticket ist erwartungsgemäß sehr hoch“, sagt auch Gerhard Gross, Geschäftsführer des Heilbronner-Hohenloher-Haller-Nahverkehr (HNV). „Die Mehrzahl unserer Abonnentinnen und Abonnenten wechselt vom HNV-Abo zum Deutschlandticket, da es mehr ÖPNV zum günstigeren Preis bietet. Aber auch viele Neu- und Gelegenheitskunden interessieren sich für das Deutschlandticket. Bis Mitte April wurden knapp 6.000 Anträge bearbeitet. Rund 25 Prozent davon waren Neukundinnen und -kunden.“ 

So sah die Einführung des Deutschlandtickets für Verkehrsverbünde aus

Dabei hat es für die Verkehrsverbünde in den letzten Wochen viel Arbeit bedeutet, das Ticket für alle verfügbar zu machen. Das Ticket muss online verfügbar sein, kann also nicht einfach nur über die Automaten vor Ort vertrieben werden. Außerdem muss das Ticket jedes Verkehrsverbunds von jedem anderen Verkehrsverbund kontrollierbar sein. Dazu kommen individuelle Anpassungen des Tickets. Dürfen etwa außerhalb der Berufsverkehrszeiten weitere Personen mitfahren? Können Kundinnen und Kunden Kinder, Hunde oder Fahrräder kostenlos mitnehmen? Und gibt es Vergünstigungen für bestimmte Personengruppen? Für Menschen, die in Tübingen gemeldet sind, ist das Deutschlandticket statt für 49 Euro für nur 39 Euro erhältlich. Dass eine Kundin oder ein Kunde Anspruch auf diese Vergünstigung hat, muss der Verkehrsverbund Neckar-Alb Donau anhand von Personalausweis oder Meldebescheinigung kontrollieren. Der Mehraufwand ist vorprogrammiert. 

Wie wird das Deutschlandticket finanziert?

Die Frage, die sich die Verkehrsverbünde stellen: Werden die Ausgleichszahlungen des Bundes tatsächlich ausreichen, um die Mindereinnahmen durch günstigere Ticketpreise und die Mehrkosten durch den zusätzlichen Verwaltungs- und IT-Aufwand zu decken? „Bund und Länder haben zugesagt, die Mindereinnahmen hälftig auszugleichen“, sagt Gerhard Gross. „Für das Einführungsjahr 2023 gibt es auch eine Nachschusspflicht, falls die kalkulierten drei Milliarden Euro pro Jahr nicht ausreichen sollten. Wie es dann ab dem Jahr 2024 im Detail weitergeht, muss noch verhandelt werden.“

Dossenheims Bürgermeister sieht Potenzial im Deutschlandticket

Doch wie sieht das Potential des Deutschlandtickets für die Verkehrswende aus? „Bund und Länder versuchen, mit dem Deutschlandticket Tarifgrenzen abzubauen und die Nachfrage zu stimulieren. Das kann funktionieren, wie das 9-Euro-Ticket gezeigt hat“, sagt Gross. So sieht es auch Dossenheims Bürgermeister, David Faulhaber. 

Ich sehe im Deutschlandticket ein wichtiges Instrument für die Verkehrswende. Es ist von zentraler Bedeutung, die Attraktivität des ÖPNV zu steigern und den Bürgerinnen und Bürgern den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr zu erleichtern. Ich denke, es wäre wünschenswert, wenn es einen vermehrten Umstieg auf den ÖPNV gäbe.

David Faulhaber, Bürgermeister der Gemeinde Dossenheim

David Faulhaber über das Deutschlandticket

Große Bedenken gibt es dagegen, ob das Deutschlandticket die Mobilität im Ländlichen Raum verändern wird. „Die Einführung des 49-Euro-Tickets wird in unserer Gemeinde nichts bewirken“, ist sich zum Beispiel der Bürgermeister von Bartholomä im Ostalbkreis, Thomas Kuhn, sicher. Der Grund ist einfach: Abgesehen von den Schulbussen gebe es so gut wie keinen ÖPNV im Ort. Der nächste Bahnhof sei zwölf Kilometer weit entfernt. Bedarf gebe es durchaus, so Kuhn, das sehe man an den Schulbussen, die regelmäßig voll besetzt seien.

Der Ländliche Raum und die kleinen Städte und Gemeinden bleiben auch bei diesem Thema ‚auf der Strecke‘.

Thomas Kuhn, Bürgermeister der Gemeinde Bartholomä

Thomas Kuhn über das Deutschlandticket

Positiver sieht es Daniel Enzensperger, Bürgermeister von Kressbronn im Bodenseekreis. „Grundsätzlich begrüße ich es, dass den Bürgerinnen und Bürgern ein finanziell attraktives Angebot für den ÖPNV gemacht wird“, sagt er. Allerdings glaube er, dass die Ticketpreise nicht das ausschlaggebende Argument für den ÖPNV seien. Angenommen würden die Angebote stattdessen dann, wenn sie umfangreiche, pünktliche und schnelle Verbindungen sowie einen guten Komfort böten.

Genau daran fehlt es uns in Deutschland aber noch. Im Bodenseekreis wird der Busverkehr auf Initiative des Kreistags stark ausgebaut. Das reicht aber nicht aus. Auch der Bahnverkehr muss deutlich besser werden. Der liegt aber in der Verantwortung von Deutscher Bahn, Bund und Land. Solange es daran noch fehlt, halte ich es für unrealistisch, dass günstige Monatstickets die Menschen zum Umsteigen auf den ÖPNV bewegen. Jedenfalls nicht so, dass man von einer deutlichen Entlastung des Verkehrs sprechen kann.

Daniel Enzensperger, Bürgermeister der Gemeinde Kressbronn

Daniel Enzensperger über das Deutschlandticket

Hermann Acker kann dem Ticket zumindest grundsätzlich Positives abgewinnen. „Das Deutschlandticket leistet sicherlich einen guten Beitrag, um die Mobilitätswende voranzutreiben. Es kann mit zum Erreichen der Klimaschutzziele beitragen“, sagt der Bürgermeister von Oberndorf am Neckar. Und dennoch, schränkt Acker ein, werde der Individualverkehr im Ländlichen Raum auch weiterhin die Regel sein. Die Oberndorfer Verwaltung hat den eigenen Mitarbeitenden bereits zuvor den Umstieg auf Bus und Bahn schmackhaft gemacht. „Als zertifizierte EEA-Kommune [European Energy Award, Anmerkung TB] haben wir aber bereits in der Vergangenheit die Wegstrecke unserer Mitarbeitenden von und zur Arbeit bezuschusst“, sagt Acker unter Verweis auf das Jobticket. Derzeit prüfe man, ob die Stadt für ihre Beschäftigten zwei Drittel der Kosten des 49-Euro-Tickets übernimmt.

Denn jede Benutzung der Bahn oder des Busses stellt einen Beitrag für den Klimaschutz dar, sei dies nun beruflich oder auch privat veranlasst.

Hermann Acker, Bürgermeister der Gemeinde Oberndorf am Neckar

Hermann Acker über das Deutschlandticket

Trotz Bedenken, was die Attraktivität im Ländlichen Raum betrifft, geben viele Städte und Gemeinden für ihre Mitarbeitenden Rabatte auf das Deutschlandticket. „Unsere Beschäftigten haben wir darüber informiert, dass ihr aktuelles Job-Ticket ins Deutschlandticket übergehen wird“, berichtet Bürgermeister Faulhaber aus Dossenheim. „Da bereits einige unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Jobticket nutzen, steigert dies natürlich nun weiter die Attraktivität dieses Angebots.“ Ähnlich sieht es auch in Heilbronn aus, wie Gerhard Gross vom HNV berichtet: „Die Gremien von Stadt- und Landkreis Heilbronn haben beschlossen, das bestehende HNV-Job-Ticket in das Deutschlandticket zu überführen. Außerdem wird der bisher gewährte Arbeitgeberzuschuss nochmals erhöht, so dass die Mitarbeitenden nur noch einen sehr geringen Eigenanteil von beispielsweise fünf Euro im Monat leisten müssen. Das Procedere läuft so, dass der Verbund dem Arbeitgeber den Gesamtpreis abzüglich eines Großkundenrabatts in Rechnung stellt und der Arbeitgeber den Eigenanteil des Mitarbeitenden einbehält.“