Praxisbeispiele von Bürgermeistern, die Social Media nutzen
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Der direkte Draht zu den Bürgern

Ferdinand Truffner und Johannes Fridrich begeben sich gern mitten ins Geschehen – und berichten auf allen Frequenzen darüber. Der Bürgermeister der Gemeinde Empfingen und der Oberbürgermeister der Stadt Nürtingen bespielen verschiedenste Social-Media-Kanäle umtriebig und ideenreich. Das Bedürfnis nach dem direkten Draht zum Bürger ist eine Triebfeder für die Aktivitäten – aber nicht die einzige.

Die dramatische Musik könnte auch eine spannungsgeladene Szene in einem Hollywood-Streifen untermalen. Tut sie aber nicht. Stattdessen sehen Zuschauer in dem 51 Sekunden langen Clip auf dem Videoportal Youtube, um den es hier geht, den Drohnenflug über ein Baufeld in Empfingen. „Erschließung Hinter den Gärten III, 3. Bauabschnitt – Drohnenflug 1“ heißt der Clip des Kanals der Gemeinde. Empfingen ist sehr präsent in den sozialen Medien, was vor allem an Ferdinand Truffner liegt. Der Bürgermeister bespielt die Kanäle selbst, steht auch selbst vor der Kamera und erklärt gern und viel. Auf YouTube zum Beispiel legt er bei „Empfi-TV“ in einem Clip den Lärmaktionsplan der Gemeinde dar, erklärt in einem anderen den Neubau eines Pflegeheims, in einem dritten die Planung zur Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses. 

YouTube-Kanal der Gemeinde Empfingen

Youtube ist aber nicht die einzige Spielwiese Truffners. Die Gemeinde unterhält Kanäle bei Facebook, Instagram und bei Giphy, einer Online-Datenbank, auf der Nutzer lustige animierte Grafiken finden. Darüber hinaus gibt es eine eigene „Empfi-App“, die verschiedenste Informationen, nach Kategorien wie „Aktuelles“, „Veranstaltungen“, „Vereine“, „Kirchen“ oder „Firmen“ sortiert, für die Bürger bereithält und von dem Projekt „Digitalisierung und Heimat“ des Gemeindetags Baden-Württemberg gefördert wird. „Alle Kanäle werden von mir selbst bespielt und gefüttert, kein Mitarbeiter wendet hierfür Arbeitszeit und Nerven auf“, sagt Truffner im Gespräch mit die:gemeinde. 

Instagram-Account der Gemeinde Empfingen

Twitter komme nur deshalb nicht in Frage, weil er sich nicht kurzfassen könne, so Truffner – dort ist die Zeichenzahl pro Post bekanntlich auf 280 begrenzt. Truffner sagt, ihm liege der direkte Austausch mit den Nutzern sozialer Medien am Herzen, von jüngeren Teilnehmern bis zu den „Silver Surfern“. Vor allem geht es ihm aber um eine handfeste Kommunikationsstrategie. „Mit der ‚Bespielung‘ der sozialen Medien verfolge ich ganz klar das Ziel, Themen und Inhalte vor einer Presse-Berichterstattung zu setzen“, sagt Truffner. Indem er die Inhalte als Erster platziere, müsse er nicht auf Artikel in den Tageszeitungen reagieren. 

Katz-nd-Maus-Spiel: Früher als die Presse berichten

„So kommt es ab und an vor, dass ich vor der Gemeinderatssitzung Videos für YouTube mit dem Inhalt der zu fassenden Beschlüsse im Rat produziere und dann am nächsten Morgen gleich nach der Beschlussfassung veröffentliche – somit bin ich mehr als einen Tag früher als die Presse mit den Inhalten online und kann diese dann auch via Empfi-App und deren Push-Nachrichten verbreiten“, sagt der Bürgermeister. Dass Truffner daran Spaß hat, kann und will er gar nicht verhehlen. „Ich spiele dann immer Katz und Maus mit der Presse – und fahre damit durchaus gut“, sagt er. 

Die Empfi-App der Gemeinde Empfingen

Überhaupt lautet sein Credo im Umgang mit den sozialen Medien, nicht alles bierernst zu nehmen. Witz und Ironie gehören für ihn zum Handwerkszeug. „Das kommt besser an als das Verwaltungsdeutsch und das Behördendenken“, so der Bürgermeister. Negative Kommentare und die eine oder andere Anfeindung erlebe er auch. Dem begegnet Truffner mit Hinweis auf die Netiquette, die auch die Möglichkeit des Löschens beinhaltet. Er behalte sich aber auch vor, verbal „zurückzuhauen“. Bei aller Lockerheit findet Ferdinand Truffner, dass die Nutzung sozialer Medien im Jahr 2021 kein nettes Beiwerk mehr sein darf, auch nicht für kleine Gemeinden. 

Truffner: Drei Stunden Aufwand pro Woche

„Meines Erachtens ist es heutzutage eine Pflichtaufgabe einer Gemeinde, sei sie auch noch so klein, sich ordentlich und vor allem engagiert in den sozialen Medien zu präsentieren. Man darf soziale Medien nicht nur als Tourismus-Marketing-Instrument sehen, sondern mittlerweile auch als wichtiges Kommunikations- und Informationsmedium der Bürgerschaft“, sagt Truffner. Die Empfinger Verwaltung habe durch ihre Auftritte auf den verschiedenen Kanälen einen deutlichen Mehrwert, resümiert Truffner. Bürger und User sähen, „was wir alles so wuppen und machen, vor allem in Corona-Zeiten.“ Trotz der beachtlichen Präsenz taxiert Truffner den Zeitaufwand für die Arbeit auf sämtlichen Kanälen auf nicht mehr als drei Stunden pro Woche. 

Fridrich: Mindestens eine Stunde täglich

Bei Johannes Fridrich kommen dann doch etwas mehr Stunden zusammen. Mindestens eine täglich, sagt der Oberbürgermeister von Nürtingen im Gespräch mit die:gemeinde, manchmal sogar zwei. Auch Fridrich ist auf mehreren Kanälen vertreten, sucht und findet den direkten Draht zu den Bürgern. Der 43-Jährige ist seit August 2019 Rathauschef in Nürtingen und er glaubt, dass seine Arbeit in den sozialen Medien eine beträchtliche Rolle auf dem Weg dorthin gespielt hat.

Johannes Fridrich auf Facebook

„Ich war damals in Nürtingen völlig unbekannt und kannte auch selbst niemanden. Der Facebook-Kanal hat diese Bekanntheit gesteigert“, sagt Fridrich. Eindrücke von einer Veranstaltung in einem Club beispielsweise postete er auf Instagram, der Post wurde von vielen Nutzern geteilt. Das erschloss ihm eine Zielgruppe, die sonst wenig mit Politik zu tun hat. Fridrich ist überzeugt, durch Facebook und Co. ein Gefühl für Themen in der Stadt zu bekommen, von denen er im Rathaus nichts mitbekommen würde. „Der Informationsfluss geht in beide Richtungen“, erklärt er. Der im Wahlkampf etablierte direkte Austausch mit den Bürgern habe ihm Spaß gemacht. Fridrich postet oft morgens – dann sei die Reichweite am größten – und zusätzlich immer dann, wenn ihm etwas auffällt, ihn etwas anregt oder aufregt – zum Beispiel, wenn Wände in der Stadt mit Graffiti beschmiert worden sind. Außerdem lässt sich der OB einmal im Monat direkt und live von den Bürgern befragen. „Frag den Fridrich“ heißt das Format. 

Johannes Fridrich auf Instagram

Die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken sieht er als Fluch und Segen zugleich. Wer auf vielen Hochzeiten tanzt und ständig erreichbar ist, wird auch mit Anfragen konfrontiert, für die er nicht zuständig ist. So sei er einmal nach den Öffnungszeiten eines Kleidungsgeschäfts gefragt worden, erzählt er amüsiert. Insgesamt gebe es „wahnsinnig viele Rückfragen“, was grundsätzlich positiv sei, aber eben auch den Aufwand vermehre. Fridrich ist auf Facebook und Instagram zwar omnipräsent. Beliebig ist sein Vorgehen deshalb aber nicht, sondern von Prinzipien geleitet. So müssen alle Posts einen konkreten Bezug zur Stadt Nürtingen haben. Vor den Karren von Unternehmen lässt er sich nicht spannen. Werden Fotos gemacht, achtet er streng darauf, dass die Abgelichteten ihr Einverständnis geben. Oft greift er sicherheitshalber auf Stockfotos zurück. Und auch wenn Fridrich sich manchmal mit seiner Ehefrau zeigt, zieht er eine Grenze zwischen Amt und Privatleben.

Social Media für jeden Bürgermeister?

„Man muss schon aufpassen, dass man nicht zu viel macht – schließlich hat man ja auch ein Hauptgeschäft zu erledigen“, sagt er. Wichtig außerdem: Wer sich selbst präsentiert, muss authentisch sein, findet Fridrich. Die vielseitigen Online-Aktivitäten passen zu seiner Extrovertiertheit. Das sei nicht jedermanns Sache und müsse es auch nicht sein. „Soziale Medien haben einen Mehrwert. Aber es ist immer auch eine Frage der Persönlichkeit und auch eine der Generationen“, glaubt Johannes Fridrich.