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„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“ – Kommunen schlagen Alarm

Das KfW-Kommunalpanel zeigt: Die Kommunen in Deutschland verzeichnen einen neuen Höchststand beim Investitionsstau: 215,7 Milliarden Euro müssten investiert werden, um Straßen, Schulen und andere Infrastrukturen auf Vordermann zu bringen. Besonders betroffen sind Bildungs- und Verkehrseinrichtungen – aber auch beim Unterhalt hapert es. Viele Vorhaben scheitern nicht am Geld, sondern an Personalnot und Bürokratie. Der Ruf nach zügiger Entlastung wird lauter.

Die Zahlen sind deutlich, die Diagnose alarmierend: Der Investitionsrückstand in deutschen Städten, Gemeinden und Landkreisen ist laut aktuellem KfW-Kommunalpanel 2025 weiter gewachsen – um fast 30 Milliarden Euro auf nunmehr 215,7 Milliarden Euro. Das bedeutet: Noch nie zuvor mussten Kommunen einen derart hohen Nachholbedarf bei der öffentlichen Infrastruktur vermelden. Besonders betroffen sind Schulen, Straßen und die Verkehrsinfrastruktur.

„Der Investitionsstau in den Kommunen ist auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Besonders dramatisch ist die Situation bei Schulen und Horten“, warnt Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetags und Leipziger Oberbürgermeister. Aus Sicht vieler kommunaler Spitzenverbände sei nun entscheidend, dass das geplante Sondervermögen Infrastruktur „schnell, zusätzlich und unkompliziert bei den Kommunen ankommt“.

Hälfte der kleinen Kommunen sieht gravierenden Investitionsrückstand 

Rund 68 Milliarden Euro des Rückstands entfallen laut Befragung auf Schulgebäude – ein Anteil von über 30 Prozent. Ein Grund: Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab 2026 zwingt viele Kommunen zu schnellen Erweiterungen. „Vielerorts müssen die baulichen Voraussetzungen sogar erst noch geschaffen werden“, erklärt Difu-Direktor Carsten Kühl. Noch deutlicher wird der Rückstand in größeren Städten: Während etwa 50 Prozent der kleinen Kommunen mit 2.000 bis 5.000 Einwohnern einen nennenswerten oder gravierenden Rückstand bei Schulgebäuden angeben, liegt dieser Anteil in Städten ab 50.000 Einwohnern bei fast 90 Prozent.

Laut Difu beklagen Kommunen in Süddeutschland - also Bayern und Baden-Württemberg - deutlich seltener einen starken Investitionsrückstand als jene in Nordrhein-Westfalen oder im Südwesten – unter diesem versteht das Institut aber nicht Baden-Württemberg, sondern Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Nicht nur Schulen, auch Straßen und Brücken sind vielerorts in einem schlechten Zustand. Die Investitionslücke im Verkehrsbereich beläuft sich laut Panel auf 53,4 Milliarden Euro. „Unsere Infrastruktur steht vielerorts am Rande der Funktionsfähigkeit“, so Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. „Der Rekordanstieg des Investitionsstaus ist ein Alarmsignal.“ Besonders im Straßenbau, bei Kitas und im Katastrophenschutz sei keine echte Verbesserung sichtbar.

Mittel für Instandhaltung fehlen 

Ein wachsendes Problem ist laut den Autoren der Studie die laufende Unterhaltung der bestehenden Infrastruktur. 19 Prozent der Kommunen geben an, sich den Unterhalt nur noch in geringem Umfang oder gar nicht mehr leisten zu können. Beim Straßenbau liegt dieser Wert mit 32 Prozent deutlich höher als im Vorjahr – ein Plus von sechs Prozentpunkten.

Geplant haben die Kommunen für 2025 insgesamt Investitionen in Höhe von 48 Milliarden Euro. Doch die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass viele Maßnahmen auf der Strecke bleiben. 2024 wurden laut Hochrechnung lediglich 30 Milliarden Euro realisiert. „Für diese Differenz sind Investitionshemmnisse verantwortlich, die nicht unbedingt mit der Finanzlage zu tun haben“, sagt Difu-Projektleiter Christian Raffer.

Bürokratie ist Hemmschuh  

Als Hauptgründe gelten Personalmangel in Bauämtern, lange Genehmigungsdauern und komplexe Dokumentationspflichten. „Diesen Befund muss man ernst nehmen, wenn jetzt über die Verteilung der Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur von den Ländern an die Kommunen entschieden wird“, so Raffer. „Wichtig ist, dass zusätzliche Mittel bürokratiearm verteilt werden.“

In einer landesweiten Umfrage äußerten viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bereits im Mai gravierende Sorgen um die Haushaltslage ihrer Kommune – und forderten konkrete Unterstützung vom Bund.  Gemeindetagspräsident Steffen Jäger äußerte sich mit deutlichen Worten zur Haushaltslage der Kommunen: „Die Kommunen in Baden-Württemberg haben im Jahr 2024 ein Defizit von mehr als drei Milliarden Euro in den laufenden Haushalten erlitten. Die Vorzeichen für 2025 sind nochmals düsterer“, warnte er. Angesichts dieser Entwicklung sei die kommunale Aufgabenerfüllung ernsthaft gefährdet – mit potenziell verheerenden Auswirkungen auf das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat.

Über das KfW-Kommunalpanel

Das KfW-Kommunalpanel ist eine jährlich durchgeführte, repräsentative Befragung unter Kämmereien in Städten und Gemeinden ab 2.000 Einwohnern sowie allen Landkreisen. Für die aktuelle Ausgabe wurden zwischen Januar und März 2025 Daten erhoben. Der darin ausgewiesene Investitionsrückstand beschreibt jenen Betrag, der aus Sicht der Kommunen nötig wäre, um die öffentliche Infrastruktur in einen zeitgemäßen Zustand zu versetzen – in Qualität wie Quantität.