
Verpackungssteuer: Kommt jetzt die große Welle?
Die Tübinger Verpackungssteuer ist verfassungskonform. Das urteilten die Richter des Bundesverfassungsgerichts Ende Januar. Zuvor hatte eine Tübinger McDonald’s-Filiale gegen die Steuer auf Einwegverpackungen geklagt. Tübingen hatte die Steuer 2022 als bundesweit erste Gemeinde eingeführt. Jede Einwegverpackung wird demnach mit 50 Cent besteuert, Strohhalme oder Einwegbesteck mit 20 Cent.
Das Tübinger Modell hat also auch Rückendeckung aus Karlsruhe. Sind nun die Schleusen geöffnet? Folgen anderen Kommunen dem Tübinger Beispiel? Eine Recherche von die:gemeinde zeigt: Viele kommunale Akteure haben tatsächlich auf das Signal aus Karlsruhe gewartet, um ihre eigenen Pläne weiterzuverfolgen und zu konkretisieren.
Böblingen: Verwaltung geht in die Offensive
Dazu gehört Böblingen. „Der Böblinger Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 20. März 2024 beschlossen, zunächst die weitere Entwicklung der Gesetzeslage und Rechtsprechung zur Verpackungssteuer abzuwarten. Zudem wurde die Verwaltung beauftragt, nach erneuter Prüfung und Bewertung der bestehenden Maßnahmen zur Müllvermeidung und Sauberkeit in der Stadt und auch nach Auswertung der ersten Erfahrungen aus Tübingen zusammen mit dem Gemeinderat zu beraten, ob eine Verpackungssteuer für Böblingen den gewünschten Mehrwert verspricht“, teilt Gianluca Biela aus dem Referat des Oberbürgermeisters mit.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei nun der rechtliche Rahmen gesteckt. „Wie seinerzeit mit dem Gemeinderat vereinbart, wird das Thema ‚Einführung einer Verpackungssteuer‘ zur Beratung im 2. Halbjahr 2025 im Gemeinderat vorbereitet. Die Verwaltung wird dem Gemeinderat die Einführung einer Verpackungssteuer vorschlagen“, so Biela. Als Ziele der geplanten Steuer nennt er unter anderem, den Müll im öffentlichen Raum sowie den Verbrauch von Einwegverpackungen im Sinne der Nachhaltigkeit zu verringern.
Biela verweist darüber hinaus auf die im Jahr 2019 eingeführte Sauberkeits-Kampagne „Böblingen BlitzBlank“, bei der Ehrenamtliche für die Sauberkeit in einem von ihnen frei gewählten Gebiet sorgen. Die Stadt Böblingen statte sie mit Equipment aus und kümmere sich um die Abholung voller Müllsäcke, erklärt Biela. „Auch einige Firmen und Einrichtungen beteiligen sich an der Kampagne.“
Lörrach: Grünen Antrag von 2023 wird jetzt relevant
Auch in Lörrach prüft man die Einführung einer Verpackungssteuer. „Zur Einführung einer Verpackungssteuer liegt auch ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 5.6.2023 vor, der vom Gemeinderat zur Prüfung angenommen wurde, aber aufgrund der verschiedenen Klageverfahren durch die Instanzen ruhte“, sagt Susanne Baldus-Spingler von der Stabsstelle Medien und Kommunikation.
Da sich die Einführung noch in der Prüfungsphase befinde, stünden konkrete Details zur Ausgestaltung der Steuer noch nicht fest. „Bei der Ausgestaltung der Steuer werden die gesetzlichen Vorgaben und die vorliegenden Urteile ausschlaggebend sein. Aufgrund der dazu benötigten Vorlaufzeit ist davon auszugehen, dass diese nicht zum 1.1.2026 eingeführt werden könnte“, so Baldus-Spingler. Lörrach wolle mit der Steuer dazu beitragen, das Aufkommen von Einwegverpackungsmüll zu reduzieren, die Umweltbelastung zu verringern und den Einsatz von Mehrwegverpackungen zu steigern. Parallel setze man auf Aufklärung und freiwillige Maßnahmen zur Reduzierung von Verpackungsmüll.
Friedrichshafen: Verpackungssteuer steht bald auf Agenda
Auch in Friedrichshafen kommt Bewegung in die Sache. Nachdem das Urteil ergangen sei, wolle die Verwaltung nun dem Finanz- und Verwaltungsausschuss des Gemeinderats und dem Gemeinderat selbst über das Modell Tübingen berichten, ebenso über die Möglichkeiten der Stadt, Einwegverpackungsmüll zu beschränken. Diese Punkte wolle man gemeinsam diskutieren, sagt Nina Bohle von der Abteilung Kommunikation und Medien.
Göppingen: „Richtiger Zeitpunkt, um Einführung zu prüfen“
Auch in Göppingen läuft ein Prüfauftrag zur Einführung der Verpackungssteuer. „Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts besteht nun Rechtssicherheit, das ist positiv zu bewerten. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um eine mögliche Einführung zu prüfen und anschließend im Gemeinderat darüber zu diskutieren“, sagt Sprecherin Andrea Rothfuß.
Heidenheim: Steuer denkbar, aber nicht konkret
In Heidenheim sei eine solche Steuer zwar denkbar, aber noch nicht konkret geplant, teilt Maja Jochem, Geschäftsbereichsleiterin Kommunikation, auf Anfrage mit. „Im Haushalt 2025 und in der mittelfristigen Finanzplanung ist nichts vorgesehen. Die Verwaltung hatte in Abstimmung mit dem Gemeinderat abgewartet bis zu diesem Thema Rechtssicherheit herrscht. In naher Zukunft wird sich das Gremium erneut mit dem Thema Verpackungssteuer befassen“, so Jochem weiter.
Bereits heute achte die Stadt Heidenheim auf Nachhaltigkeit und Mehrwegprodukte. „Die Stadt-Information, die Souvenirs und heimische Produkte vertreibt, achtet auf kompostierbare Verpackungen und vermeidet Plastik. Seit Jahren versucht die Stadt , die Veranstalter zum Thema Müllvermeidung zu sensibilisieren. Sie weist darauf hin, dass die Veranstalter unbedingt die Müllentsorgung in ausreichender Form gewährleisten müssen. Das Personal der Stadtreinigung kennt die Termine von Fußballspielen, Demonstrationen und Festivitäten und reagiert entsprechend, damit das Stadtbild nach Veranstaltungen wieder sauber ist“, erklärt Jochem.
Ebenso versuche die Stadtverwaltung, die Anwohner über das Quartiersmanagement zu sensibilisieren und verantwortlich mit Müll, Mülltrennung und Müllvermeidung umzugehen. „Sicherlich wird man zum Thema Müllvermeidung weiterhin den Austausch mit verschiedenen Akteuren suchen und neue Ideen umsetzen. Die Stadt Heidenheim handelt im Sinne der 17 Nachhaltigkeitsziele gemäß der Agenda 2030 und ist Fairtrade Stadt“, sagt Maja Jochem.
Villingen-Schwenningen: Pfandsystem und Steuer im Blick
In Villingen-Schwenningen tut sich derzeit auch einiges: So hat die Fraktion der Grünen einen Antrag zur Prüfung über die Einführung des Rebowl-Pfandsystems gestellt. Diesen bearbeite man bereits, sagt Patrick Ganter von der Pressestelle des OB-Referats, voraussichtlich im März werde man eine Vorlage in die Gremien einbringen. „Eine mögliche Einführung der Verpackungssteuer ist in VS derzeit ebenfalls in einer ersten Prüfung. Wir können dazu noch nichts Konkretes mitteilen“, so Ganter weiter.
Ganter verweist darauf, dass Villingen-Schwenningen einen starken Anstieg an Müll verzeichnet. „2018 wurden 255 Tonnen über unsere Technischen Dienste entsorgt. 2024 sind wir bei 400 Tonnen angekommen. Explizit wird hier jedoch nicht zwischen Verpackungsmüll und anderem Müll unterschieden“, so Ganter. Die Stadt Villingen-Schwenningen habe in den vergangenen Jahren die Stadtreinigung intensiviert und zum Teil auch externe Dienstleister zur Unterstützung beauftragt. „Das Ziel ist natürlich, dass wir eine saubere Stadt haben, die für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie unsere vielen Gäste aus nah und fern attraktiv ist und bleibt.“
Keine Verpackungssteuer in Offenburg
Doch nicht überall setzt sich das Tübinger Modell oder Variationen davon durch. In Offenburg etwa hat sich der Gemeinderat mit dem Thema auseinandergesetzt, sich letztlich aber dagegen entschieden, Maßnahmen zu ergreifen. „Der Offenburger Gemeinderat hat gestern mit 24 zu 11 Stimmen bei drei Enthaltungen beschlossen, einen Antrag auf Einführung einer Verpackungssteuer nicht weiterzuverfolgen“, sagt Christoph Lötsch von der Stadtverwaltung.