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Sondervermögen: Streit um Milliarden geht in die heiße Phase

Am 11. Juli soll das 100-Milliarden-Infrastrukturpaket für die Länder beschlossen werden. Doch die Städte und Gemeinden schlagen Alarm: Der vorgesehene Anteil für kommunale Projekte sei zu gering. Auch aus Baden-Württemberg kommen klare Forderungen.

Das Ringen um das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen der Bundesregierung geht in die entscheidende Phase – und die Kommunen machen mobil. Im Zentrum der Debatte steht dabei der 100-Milliarden-Euro-Teil des Gesamtpakets, der direkt den Bundesländern zur Verfügung gestellt werden soll. Aus kommunaler Sicht geht es um nicht weniger als die Frage, wie viel davon tatsächlich bei den Städten und Gemeinden ankommt – und wie viel in den Landeshauptstädten hängenbleibt.

Denn nach aktuellem Gesetzesentwurf sollen „mindestens 60 Prozent“ der Mittel aus dem Länderpaket in kommunale Infrastruktur fließen. Für die kommunalen Spitzenverbände ist das zu wenig. Sie fordern einen deutlich höheren Anteil – mindestens 75 Prozent. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt: „Alles andere würde der Realität vor Ort nicht gerecht – und gefährdet die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“, so Hauptgeschäftsführer André Berghegger. Angesichts eines Investitionsrückstands, der sich auf mehr als 200 Milliarden Euro beläuft, könne man sich mit etwas mehr als der Hälfte nicht zufriedengeben.

DStGB: Es geht um die Handlungsfähigkeit der Kommunen

Der Bund habe jetzt die Möglichkeit, den Kommunen mindestens drei Viertel des Sondervermögens für die kommunale Ebene zu sichern. „Wir appellieren an die neue Bundesregierung, diese richtigen Signale zu setzen“, so Berghegger weiter. Die Städte und Gemeinden hätten die weitaus größten Anteile an der öffentlichen Infrastruktur – Schulen, Kindergärten, Straßen, Sportanlagen, Museen, Schwimmbäder, Stadthallen oder Dorfgemeinschaftshäuser.

„Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, gutes Wirtschaften, der gesellschaftliche Friede und die Akzeptanz hängen ganz maßgeblich davon ab, dass wir in den Städten und Gemeinden starke und gute Dienstleistungen und Infrastrukturen anbieten“, sagte Berghegger. Die sehr prekäre Finanzsituation der Städte und Gemeinden müsse bei der Umsetzung des Sondervermögens des Bundes umfassend berücksichtigt werden. Verhandelt werde über 100 Milliarden Euro, so der Hauptgeschäftsführer. „Es geht aber faktisch um viel mehr, nämlich um die Handlungsfähigkeit der Kommunen und um Vertrauen in den Staat.“

Städtetag: Bund muss faire Aufteilung sicherstellen

Ähnlich äußert sich der Präsident des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung. Der Leipziger Oberbürgermeister sieht die Länder in der Pflicht: „Sie sollten nicht versuchen, den Anteil der Kommunen zu drücken.“ Der Bund müsse eine faire Aufteilung sicherstellen – und sich dabei am tatsächlichen Investitionsanteil der Kommunen orientieren. Dieser liegt laut Städtetag deutlich über 60 Prozent. Jung verweist zudem auf das Rekorddefizit der Kommunen in den vergangenen Jahren und auf einen Investitionsstau von fast 190 Milliarden Euro.

Für zusätzlichen Zündstoff sorgt die neue Ausgestaltung des Sondervermögens, über die sich Bund und Länder bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni verständigt haben. Demnach müssen die Länder ihre Projekte künftig nicht mehr vom Bund genehmigen lassen. Die Mittel fließen direkt – und können eigenständig verplant werden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sprach von einem „ganz neuen Bund-Länder-Verhältnis“. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz begrüßte die Regelung. „Gerade auf kommunaler Ebene wird das Geld dringend gebraucht“, sagte er.

Staatsministerium will „bürokratiearme Verfahren“

In Baden-Württemberg unterstützt die Landesregierung die kommunalen Forderungen weitgehend. Auf Anfrage des Magazins die:gemeinde heißt es aus dem Staatsministerium: „Das Land setzt sich für ein pragmatisches, bürokratiearmes Verfahren ohne unnötige Berichtspflichten ein.“ Die Bereiche, in die Kommunen investieren dürfen, sollten möglichst weit gefasst sein – denn der Investitionsstau ziehe sich quer durch alle Aufgabenfelder. Auch bei der Weiterleitung der Mittel an die kommunale Ebene spricht sich das Land für eine zügige und transparente Lösung aus – endgültige Entscheidungen dazu hingen aber von den bundesgesetzlichen Vorgaben ab, so ein Sprecher.

Während viele Kommunen auf schnelle Planungssicherheit hoffen, wird in Berlin weiter gestritten. Kritiker wie der CDU-Abgeordnete Ralph Brinkhaus warnen vor einer unkontrollierten Mittelvergabe. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sebastian Schäfer, fürchtet sogar ein „Verpuffen“ des Sondervermögens. Er wirft der Bundesregierung vor, das Paket vor allem zur internen Koalitionsdisziplin zu nutzen, statt zielgerichtet zu investieren.

Klar ist: Mit der Abstimmung im Bundestag Anfang Juli und der geplanten Zustimmung im Bundesrat am 11. Juli steht eine zentrale Weichenstellung an. Noch ist offen, ob sich die kommunalfreundliche Auslegung durchsetzt. Die Botschaft aus den Rathäusern jedenfalls ist eindeutig – und unmissverständlich: Mit weniger als 75 Prozent wird es eng.