Social Media-Studie des Fraunhofer Instituts zur Nutzung von Social Media in den Kommunen.
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Social Media-Studie zum erfolgreichen Einsatz in Kommunen

Welches Potenzial bieten soziale Medien für die öffentliche Verwaltung? Wie nutzen sie die Plattformen bereits und wie treten sie mit den Bürgern in Kontakt? Der Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung hat Antworten auf diese Fragen gesucht und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation damit beauftragt, diese wissenschaftlich fundiert zu liefern. Anna Becker und Fatma Cetin erklären, welche Erkenntnisse die Studie zu tage gefördert hat.

Strukturen für soziale Medien innerhalb der Verwaltung schaffen, klar definieren, welche Mitarbeiter für sie verantwortlich sind, qualitativ hochwertige Beiträge erstellen und proaktiv auf Fragen, Anmerkungen und Kommentare der Bürger eingehen: Das sind die wichtigsten Handlungsempfehlungen der POSITIV-Studie, die das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) im Auftrag des Bundesverbands für Wohnen und Stadtentwicklung (VHW) erstellt hat.Die Studie geht von der Prämisse aus, dass soziale Medien Verwaltungen großes Potenzial bieten, um direkt mit Bürgern zu kommunizieren. Um herauszufinden, wie gut sie diese Potenziale bereits nutzen, hat das Fraunhofer IAO mit Hamburg, München, Köln und Leipzig nur vier Großstädte untersucht, Doch die Ergebnisse sind auch für Gemeinden sowie kleine und mittlere Städte interessant. Die Wissenschaftler haben leitfadengestützte Experteninterviews mit Verwaltungsmitarbeitern geführt, die Inhalte der Beiträge auf den sozialen Netzwerken analysiert und Bürger befragt. 

Großstädte interagieren noch zu wenig auf Social Media

Insgesamt offenbart die Studie bei den Großstädten ungenutzte Potenziale. „Es hat uns überrascht, dass gerade bei den großen Städten nicht mehr moderiert und interagiert, auf bestimmte Fragen nicht eingegangen wird. Dabei haben diese Städte mehr Ressourcen“, sagt Cetin. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die analysierten Verwaltungen Inhalte oft nicht zielgruppenspezifisch aufarbeiten und so keine Aufmerksamkeit generieren. Die Experten haben die Social-Media-Auftritte der vier Städte auf den Kanälen Twitter, Facebook und Instagram analysiert. Als relevante Kriterien zogen sie dabei unter anderem den Beginn der Social Media-Aktivität, die Reichweite – ermittelt durch die Anzahl der Followerzahlen im Verhältnis zur Einwohnerzahl – und die Intensität der Kommunikation – orientiert an der Anzahl der Beiträge pro Monat – heran. Dazu kam eine deutschlandweite Bürgerbefragung.

Die Bürgerperspektive zu haben war insgesamt sehr interessant, die gab es bislang noch nicht.

Fatma Cetin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement der Universität Stuttgart in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation

Fatma Cetin über die Social Media-Studie

Wissenschaftlerin rät zur Arbeit mit Augenmaß

Auf dieser Grundlage teilten die Autoren die Kommunen in drei Kategorien ein. Als „gesprächiger Freund“ gelten demnach Kommunen, die täglich bis mehrmals täglich Beiträge posten und regelmäßig auf Kommentare von Usern reagieren. Der „verlässliche Freund“ postet alle drei bis fünf Tage bis täglich Beiträge. Auch er kommuniziert mit der Bevölkerung und reagiert auf Bürgeranfragen. Der „ruhige Freund“ hingegen postet höchstens einmal wöchentlich, kommuniziert wenig und reagiert kaum auf Follower.  Aus den Ergebnissen der Studie leitet Anna Becker Tipps für Städte und Gemeinden ab: Die Wissenschaftlerin vom VHW rät Verwaltungen im Umgang mit Sozialen Medien zu einem Ansatz mit Augenmaß, der auf die jeweilige Situation angepasst ist. „Wichtig ist es, das angemessene Vorgehen für eine Kommune mit einer bestimmten Größe zu finden und mit den vorhandenen Ressourcen das Ideale zu machen. Oft werden Möglichkeiten nicht genutzt, obwohl es einfach wäre, es besser zu machen“, sagt Becker. 

Gute Beispiele bei den kleineren Kommunen

Dabei hätten gerade kleine Städte und Gemeinden einen großen Vorteil, sagt Anna Becker. „Sie haben flache Hierarchien", so Becker.

Es gibt tolle Beispiele kleiner Kommunen, die bei der Nutzung von Social Media weit vorne sind.

Anna Becker, Seniorwissenschaftlerin beim Bundesverband Wohnen und Stadtentwicklung

Anna Becker über die Social Media-Studie

Fatma Cetin rät kleinen Städten und Gemeinden grundsätzlich, lieber nur einen Beitrag pro Woche zu posten, dann aber auf die Fragen und Anregungen der Bürger einzugehen. Eine Handlungsempfehlung der Wissenschaftler besteht darin, zunächst die Zusammensetzung der eigenen Bevölkerung zu analysieren und auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche Inhalte man posten will. „Zudem sollten die Stakeholder vor Ort analysiert werden. Hierzu können Vereine und Firmen gehören“, schreiben die Autoren. Würden diese in die Social-Media-Aktivitäten der Kommune eingebunden, könne sich die Zahl der Follower und damit die Reichweite vergrößern.

Personal sollte geschult und weitergebildet werden

Eine weitere Empfehlung: Sobald eine Kommune soziale Medien einführt, sollte sie alle relevanten Mitarbeiter in den Prozess einbeziehen. Dazu können Personen aus der Presseabteilung gehören, aber auch aus anderen Fachämtern. Das hat den Zweck, die Kommunikation von Informationen, Maßnahmen und Entscheidungen über alle Ebenen und Bereiche hinweg zu unterstützen. Von großer Bedeutung sei es auch, eigenes Personal schulen und weiterbilden zu lassen. „Lieber schickt man Mitarbeiter in eine Schulung, in der sie lernen, mit kritischen Kommentaren und Fake News umzugehen, statt dass sich hinterher die Unsicherheiten verstärken, was Social Media angeht“, so Cetin. Schulungen könnten auf den technischen Umgang mit den Kanälen abzielen, auf Medienkompetenz (zum Beispiel Visualisierungsmöglichkeiten), auf die Kommunikation mit Bürgern (zum Beispiel der Umgang mit Konflikten oder Fake News), auf die Frage der privaten oder dienstlichen Nutzung und deren rechtliche Implikationen oder auf das Thema Datenschutz. 

Social Media-Studie zeigt Bedeutung für gesellschaftlichen Zusammenhalt 

Außerdem könnten die Schulungen dabei helfen, Unsicherheiten zu beseitigen, die in vielen Rathäusern ein noch stärkeres Engagement in Sachen Social Media verhindern. Unter anderem bestünden diffuse Ängste vor Shitstorms oder vor Online-Diskussionen, sagt Anna Becker. Nicht unbedingt seien diese unbegründet: „Es kann in jeder Kommune vorkommen, dass es ‚Trolle‘ gibt, die meinen, unter jeden Kommentar etwas Bösartiges schreiben zu müssen“, so Becker. Auch sie plädiert deshalb für Professionalisierung und Schulungen. Der Verwaltung bietet sich durch soziale Medien die Chance, das Vertrauen der Bürger in ihr Handeln zu stärken, wiederherzustellen oder sie sogar – wie der Titel der POSITIV-Studie nahelegt – als Freunde zu gewinnen. Dieses Ziel sei angesichts der gesellschaftlichen Situation wichtig, sagt Anna Becker. Denn der VHW konstatiert einen Vertrauensverlust der Bürger in die Demokratie und einen Bedeutungsverlust der Volksparteien, der mit dem Aufkommen des Populismus einhergeht. Gleichzeitig treffe Politik keine einsamen Entscheidungen, sondern stehe mehr und mehr unter dem Druck, ihr Handeln zu rechtfertigen – und mit der Bürgergesellschaft zusammenzuarbeiten. „Soziale Medien haben in diesem Kontext eine große Bedeutung, denn die Bürgergesellschaft organisiert sich ja bereits in ihnen“, erklärt Becker.

Bürger nehmen Bemühungen auf Social Media positiv wahr

Die in die Studie eingeflossene Bürgerbefragung legt das grundsätzliche Potenzial offen. Denn Frust und Unzufriedenheit seien nur dann aufgekommen, wenn Städte auf Fragen und Anmerkungen nicht eingegangen seien – sprich: Wenn sie den interaktiven Kern der sozialen Medien nicht genutzt haben, sagt Fatma Cetin. Kommunen, die derzeit noch mit der Social Media-Nutzung hadern, kann die Studie Mut machen: Sie zeigt, dass die meisten Bürger Kommunen gegenüber positiv eingestellt sind, die es wagen, soziale Netzwerke zu nutzen. „Spannend bei der Bürgerbefragung war, dass die Informationen, die Kommunen liefern, als zufriedenstellend bewertet wurden, dass das Vertrauen ins Verwaltungshandeln insgesamt groß ist, und dass Bürger zufrieden mit der Art der Kommunikation sind, weil sie leicht an Informationen kommen. Man ist online und sieht direkt, was in der eigenen Stadt, im eigenen Dorf passiert“, sagt Fatma Cetin.