Zeigen Mitarbeitende Überlastungserscheinungen, gilt es frühzeitig gegenzusteuern.
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„Realistisch einschätzen, was in welcher Zeit leistbar ist“

Die Arbeit im öffentlichen Dienst galt lange als weniger belastend als in der freien Wirtschaft. Doch Fachkräftemangel und demografischer Wandel hinterlassen Spuren. Mit schrumpfender Personaldecke bei immer mehr Aufgaben steigen Arbeitsintensität und Belastung. Die Arbeitspsychologin Dagmar Veigel erklärt im Interview, wie Führungskräfte einer Überlastung vorbeugen können und was getan werden kann, damit die Stimmung im Team gut bleibt.

Im Jahr 2024 wies der Deutsche Beamtenbund (DBB) darauf hin, dass zunehmender Personalmangel im öffentlichen Dienst merklich zu einer steigenden Arbeitsbelastung und sinkenden Bewerberzahlen führt. 5,5 Millionen Beschäftigte zählt der öffentliche Dienst. Laut DBB sollen ihm derzeit dennoch mehr als eine halbe Million Arbeitskräfte fehlen. Zugleich hat gerade in der kommunalen Verwaltung die Zahl an Aufgaben zugenommen, wie unter anderem der Gemeindetag Baden-Württemberg immer wieder betont.

Was kann eine Kommune als Arbeitgeber tun, wenn die Arbeit das Personal zu überlasten droht? Die Arbeitspsychologin Dagmar Veigel ist die Leiterin der Kompetenzstelle Arbeitspsychologie und Betriebliches Gesundheitsmanagement. Die beim Regierungspräsidium Stuttgart angesiedelte Stelle berät und unterstützt landesweit unter anderem die Gewerbeaufsicht sowie Akteure der Landesverwaltung mit Beratungen und Schulungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz.

die:gemeinde: Ihre Kompetenzstelle betreut den gesamten Wirtschaftsraum des Landes. Spüren Sie denn, dass der Fachkräftemangel und der demografische Wandel auch im öffentlichen Sektor zunehmend zu höherer Arbeitsbelastung führen?

Dagmar Veigel: Das ist durchaus der Fall. Es gibt auch Untersuchungen, die darauf hindeuten. Teilweise ist auch eine ungleiche Verteilung der Arbeitslast feststellbar: Während einige Bereiche unter hoher Belastung leiden und beklagen, keine neuen Stellen zu bekommen, sind andere weniger ausgelastet. Das führt nicht nur zu Überforderung, sondern auch zu Spannungen in den Teams. Vor diesem Hintergrund wird eine bessere Arbeitsorganisation immer wichtiger – etwa durch realistische Zeitplanung, klare Priorisierung und gegebenenfalls eine Anpassung der Aufgabenverteilung.

Wie können Führungskräfte erkennen, dass Mitarbeitende an ihrer Belastungsgrenze sind?

Sie sollten aufmerksam auf Veränderungen im Verhalten und in der Arbeitsweise ihrer Mitarbeitenden achten. Anzeichen für Überlastung können sich in nachlassender Konzentration, häufigeren Fehlern oder einer gereizten Stimmung zeigen. Auch Rückzug oder vermehrte Fehlzeiten sind Warnsignale. Ebenso wenn Beschäftigte sich selbst unter Druck setzen, es allen recht machen wollen und immer mehr Aufgaben übernehmen. Irgendwann stoßen sie dann an ihre Grenzen.

Wichtig für Führungskräfte ist, frühzeitig das Gespräch zu suchen und gemeinsam nach Lösungen zu schauen, bevor sich die Belastung weiter verstärkt. Wichtig ist zudem, ein gemeinsames Verständnis für Belastungsfaktoren zu entwickeln und Arbeitssysteme bereits in der Planungsphase so zu gestalten, dass Überlastung gar nicht erst entsteht. Letztlich kommt es darauf an, realistisch einzuschätzen, wie viel Arbeit in welcher Zeit und mit welcher Qualität leistbar ist, um ein gesundes Maß an Arbeitsintensität zu gewährleisten.

Welche Maßnahmen – abgesehen von mehr Personal – sind aus Ihrer Sicht am wichtigsten? Können reduzierte Dienstleistungen, etwa kürzere Öffnungszeiten, auch sinnvoll oder gar geboten sein?

Neben zusätzlichem Personal ist es essenziell, die Arbeitsorganisation zu optimieren. Führungskräfte sollten realistische Prioritäten setzen, Aufgaben gezielt verteilen und klare Zeitfenster für Bearbeitungen schaffen. In manchen Bereichen kann es durchaus sinnvoll sein, Dienstleistungen zu reduzieren oder Öffnungszeiten anzupassen, wenn die personellen Kapazitäten nicht ausreichen. Grundsätzlich sollte Überlastung vermieden und die vorhandenen Ressourcen effizient eingesetzt werden. Arbeitgeber sind gemäß § 3-5 des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten zu ergreifen, wobei auch psychische Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden müssen. Dabei sollte die Maßnahmenhierarchie der sogenannten Verhältnisprävention beachtet werden – von strukturellen Anpassungen wie technischen Hilfen über organisatorische Maßnahmen bis hin zu individuellen Lösungen. Letztere stellen die letzte Stufe dar. Sie können eine gute Ergänzung zu den verhältnispräventiven Maßnahmen darstellen, wenn sie gut abgestimmt sind.

Was empfehlen Sie Führungskräften generell, um die Stimmung im Team positiv zu halten?

Die Stimmung im Team als Ganzes ist schwer zu greifen, da es aus einzelnen Personen mit individuellen Bedürfnissen und Erwartungen besteht. Was den einen motiviert, kann den anderen stören. Deshalb ist es für Führungskräfte wichtig, auf die Teammitglieder einzugehen und eine Balance zu finden.
Zudem sollte sich jede Führungskraft bewusst machen, dass die Teamstimmung nicht nur von äußeren Faktoren, sondern auch vom eigenen Verhalten beeinflusst wird. Wertschätzung, klare Kommunikation und eine offene Feedback-Kultur sind essenziell. Ebenso wichtig ist es, die individuellen Bedürfnisse im Team zu erkennen – manche brauchen mehr Austausch, andere eher strukturierte Abläufe. Auch kleine Gesten, wie das Anerkennen von Leistungen oder regelmäßige Teamgespräche, fördern ein positives Arbeitsklima. Allerdings liegt es nicht in der Verantwortung der Führungskraft, für das Glück der Mitarbeitenden zu sorgen – wohl aber für eine menschgerechte Gestaltung der Arbeit, wie es das Arbeitsschutzgesetz vorgibt. Eine offene Kultur des respektvollen Miteinanders, in der konstruktive Fehlerkultur gelebt wird, trägt entscheidend dazu bei, dass sich Beschäftigte ernst genommen fühlen und sich aktiv einbringen.

Die Kompetenzstelle Arbeitspsychologie, Betriebliches Gesundheitsmanagement
erreichen Sie unter:
🔗 https://rp.baden-wuerttemberg.de/rps/abt9/ref96/seiten/kompetenzstelle-arbeitspsychologie/
📧 E-Mail: arbeitspsychologie-bw@rps.bwl.de

Weitere Hilfe bei Fragen psychischer Belastung
bietet unter anderem die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:
🔗 https://www.gda-psyche.de/