Meist sind es freiwillige Feuerwehrleute, die im Notfall zu Hilfe eilen. Wie hier nahe Heidelberg müssen sie regelmäßig für Einsätze üben.
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„Nicht erst anfangen, wenn der Mist am Dampfen ist“

Die neue Feuerwehrstatistik für Baden-Württemberg zeigt: Extremwetterlagen stellen die Feuerwehren im Land zunehmend vor Herausforderungen. Gleichzeitig wird deutlich, wie sehr sich die Strukturen und Einsatzbereitschaft der Feuerwehren in den vergangenen Jahren weiterentwickelt haben. Einer, der diesen Wandel maßgeblich mitgestaltet hat, ist Frank Knödler. Im Interview mit die:gemeinde blickt der langjährige Präsident des Landesfeuerwehrverbands zurück und erklärt, wie die Feuerwehren auch künftig stark bleiben.

Am 29. April 2025 wurde die Feuerwehrstatistik für das Jahr 2024 in Baden-Württemberg veröffentlicht. Die Zahlen zeigen deutlich, wie sich der Klimawandel und zunehmende Extremwetterlagen auf die Arbeit der Feuerwehren auswirken. Besonders stark gestiegen sind die sogenannten technischen Hilfeleistungen – dazu zählen unter anderem Einsätze infolge extremer Niederschläge. Ihre Zahl ist auf 63.988 angestiegen und macht damit fast die Hälfte aller Gesamteinsätze aus.

Das Innenministerium des Landes betont, dass sich die Feuerwehren auch künftig auf mehr Extremwetterereignisse einstellen müssen. Meteorologen rechnen in diesem Jahr mit einer besonders trockenen Witterung, weshalb vor allem das Thema Waldbrandgefahr weiter an Bedeutung gewinnen dürfte.

Bei der Vorstellung der Statistik wurde außerdem betont, dass sich die Feuerwehren im Land – einschließlich der Freiwilligen Feuerwehren in den Kommunen – in einem insgesamt erfreulichen Zustand befinden. Diese positive Entwicklung ist das Ergebnis langjähriger Anstrengungen auf kommunaler Ebene.

Einer, der diese Entwicklung über Jahrzehnte maßgeblich mitgeprägt hat, ist Frank Knödler. Über ein Vierteljahrhundert war der langjährige Leiter der Branddirektion Stuttgart Präsident des Landesfeuerwehrverbands. Unter seiner Führung von 1999 bis 2024 wurden die Feuerwehren – insbesondere in den Kommunen – schlagkräftiger als je zuvor.

Im Januar sprach er mit die:gemeinde anlässlich seines Abschieds als Präsident des Landesfeuerwehrverbands. In dem Gespräch zieht er Bilanz – und macht deutlich, dass die Herausforderungen für die Feuerwehren nicht kleiner werden. Aus aktuellem Anlass, der Veröffentlichung der Feuerwehrstatistik, veröffentlichen wir das Interview nun auch online.

die:gemeinde: Lieber Herr Knödler, Sie waren 25 Jahre Präsident des Landesfeuerwehrverbands - eine lange Zeit. Wenn Sie die Lage der Feuerwehren von damals mit heute vergleichen, was wurde in der Zwischenzeit erreicht?

Frank Knödler: Das Feuerwehrwesen in Baden-Württemberg hat sich seither kolossal verändert und auch deutlich verbessert. Wir stehen heute weitaus schlagkräftiger da. Die technologische Ausstattung hat sich verbessert, besonders in kleinen Gemeinden. Städte und Kommunen haben erkannt, wie wichtig Investitionen in die Sicherheit sind, und daher in neue Fahrzeuge, moderne Gerätehäuser und Infrastruktur investiert.

Gab es dafür einen bestimmten Auslöser?

Eine Sache war entscheidend: die Einführung von Feuerwehrbedarfsplanungen. Seit 1999 habe ich in den Gemeinderäten intensiv dafür geworben – obwohl sie gesetzlich nicht vorgeschrieben sind. Feuerwehrbedarfspläne analysieren, welche Ausstattung, Personalstärke und Infrastruktur eine Gemeinde benötigt, um ihre Feuerwehren optimal aufzustellen. Heute, 25 Jahre später, haben fast alle Städte und selbst die kleinsten Gemeinden solche Planungen umgesetzt. Das ist, ohne jede gesetzliche Verpflichtung, die größte Errungenschaft für die Feuerwehren in Baden-Württemberg.

Wie steht die Feuerwehr, die ja oft von Freiwilligen getragen wird, personell in den Kommunen da?

Die Mitgliederzahlen in den aktiven Wehren sind seit Jahrzehnten erfreulicherweise konstant – trotz demografischem Wandel. Aktuell gibt es rund 120.000 aktive Feuerwehrleute in den insgesamt 1.097 Gemeindefeuerwehren im Land. Die meisten davon sind freiwillig tätig, da Berufsfeuerwehren nur in größeren Städten existieren. Besonders stolz bin ich auf die Jugendfeuerwehr: Mit 40.000 Jugendlichen ist bereits ein Drittel des zukünftigen Nachwuchses gesichert.

Frank Knödler

Eine rein hauptamtliche Feuerwehr wäre für Kommunen nicht bezahlbar, deshalb müssen wir das Ehrenamt stärken und attraktiv halten.

Frank Knödler

Sie haben den demografischen Wandel angesprochen. Was tut die Feuerwehr, damit sie in Zukunft weiterhin so stark bleibt?

Wir haben früh erkannt, wie wichtig gezielte Nachwuchsarbeit ist, und deshalb stark in die Jugendfeuerwehr investiert. Schon zu Beginn meiner Amtszeit habe ich mit dem damaligen Minister Thomas Schäuble den Slogan geprägt: „Jede Gemeinde braucht eine Jugendfeuerwehr.“ Und das hat sich bewährt. Ein weiterer Meilenstein war die Einführung der Kinderfeuerwehren. So holen wir Kinder noch früher ab und wecken frühzeitig ihr Interesse. Dadurch konnten wir die Mitgliederzahlen in den letzten Jahren sogar weiter steigern. Aber es geht nicht nur um Nachwuchs, sondern auch darum, das Ehrenamt attraktiv zu halten.

Was ist dahingehend nötig?

Wir müssen einen Ausgleich zwischen Feuerwehr, Familie, Beruf und Freizeit schaffen. Feuerwehrdienst muss sich mit dem Leben der Menschen vereinbaren lassen. Und nicht zuletzt darf es auch Spaß machen – Engagement in der Feuerwehr darf nicht zur Belastung werden. Dafür braucht es mehr Wertschätzung für Ehrenamtliche. Wenn jemand 40 Jahre ehrenamtlich in der Feuerwehr aktiv war und am Ende nur eine Flasche Wein bekommt, ist das keine echte Wertschätzung. Viele Kommunen setzen bereits gezielt auf Ehrungen, Vergünstigungen oder etwa Aufenthalte im Feuerwehrhotel am Titisee – solche Modelle sollten Schule machen. Man darf nicht vergessen: Wenn wir das alles hauptamtlich organisieren würden, wie die Polizei oder den Rettungsdienst, wären die Kommunen finanziell nicht in der Lage, das zu stemmen. Deshalb ist es wichtig, in das freiwillige Feuerwehrwesen zu investieren und es attraktiv zu halten.

Wenn Sie auf die Zukunft der Feuerwehr blicken, wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Eine grundlegende Überarbeitung des Landeskatastrophenschutzgesetzes steht an und soll noch im ersten Halbjahr verabschiedet werden. Der Katastrophenschutz darf sich nicht nur auf klassische Blaulichtlagen wie Hochwasser oder Waldbrände konzentrieren, sondern muss auch Risiken wie großflächige Stromausfälle oder Unterbrechungen der Wasserversorgung einbeziehen. Dafür braucht es eine landesweite Risikoanalyse und klare Vorgaben für Regierungspräsidien, Stadtkreise und Landkreise. Das muss vom Land kommen, es kann ja nicht jede Stadt und jede Gemeinde eine eigene Gas-, Strom- oder Wassernotfallplanung machen. Zudem müssen alle Verwaltungs- und Führungsstäbe regelmäßig trainieren, idealerweise ein- bis zweimal im Jahr. Sonst passiert genau das Gleiche wie bei der Pandemie: Da fängt man erst an zu überlegen, was zu tun ist, wenn der Mist am Dampfen ist.