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Neue Grundsteuer: Akzeptanz, aber auch heftige Kritik

Aktuell beschäftigt die neue Grundsteuer viele Kommunen im Land. Die meisten haben ihre Bescheide bereits verschickt. Bricht nun eine Beschwerdewelle über sie herein? die:gemeinde hat sich umgehört und ein Stimmungsbild eingeholt, wie es um den kommunalen Frieden vor Ort bestellt ist.

Die neue Erhebung der Grundsteuer ist derzeit ein Thema, das die Kommunen im Land stark beschäftigt. Die Landesregierung Baden-Württemberg beschloss im November 2020 eine Grundsteuerreform, weil das Bundesverfassungsgericht 2018 das bisherige Berechnungsmodell für verfassungswidrig erklärte und eine Neuregelung bis 2025 erforderlich machte. Die neue Grundsteuer im Land trat am 1. Januar 2025 in Kraft und führt dazu, dass sich die steuerliche Bewertung vieler Grundstücke – sowohl für Privatpersonen als auch für Gewerbetreibende – verändert.

Nun kommt die Reform in den Kommunen an. Die meisten Städte und Gemeinden im Land haben ihre Bescheide bereits verschickt. Rollt nun eine Welle von Beschwerden auf die Städte und Gemeinden zu – von Bürgerinnen und Bürgern, die sich ungerecht behandelt fühlen?

Es mehren sich jedenfalls die Stimmen, die Anpassungen an der Grundsteuerreform fordern. Im Januar wies etwa Susanne Nusser vom Städtetag Baden-Württemberg darauf hin, dass die Kommunen den kommunalen Frieden sichern wollen und müssen. Die Grundsteuer sei schließlich eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Daher mahnte sie eine zügige politische Reaktion und Korrekturen an, wenn die Auswirkungen der Reform deutlich zutage treten.

Bescheide gingen im Januar raus. Wie ist die Stimmung in Sachen Grundsteuer?

Wie ist es also um die Stimmung in den Städten und Gemeinden im Land bestellt? Ist der kommunale Frieden durch die Grundsteuer tatsächlich gefährdet, wie es der Städtetag befürchtet? Diese Frage hat die:gemeinde zum Anlass genommen, stichprobenartig bei mehreren Städten und Gemeinden im Land nachzufragen.

Zunächst konnten wir in unserer Umfrage feststellen, dass die meisten der von uns kontaktierten Städte und Gemeinden die Grundsteuerbescheide für 2025 bereits im Januar verschickt haben. Nur in einer Stadt war der Versand in der vergangenen Woche noch im Gange.

„Heftiger Unmut“ aber auch Dank, dass es billiger wurde

Rückmeldungen aus der Bürgerschaft zum Thema Grundsteuer haben fast alle angefragten Kommunen erhalten. „Wie häufig bei Belastungen zu beobachten ist, äußern sich hauptsächlich diejenigen, die negativ betroffen sind“, sagt etwa Dominic Damrath, Bürgermeister der Gemeinde Seewald mit rund 2.200 Einwohnerinnen und Einwohnern im Landkreis Freudenstadt. Die meisten der betroffenen Bürgerinnen und Bürger meldeten sich jedoch nur sporadisch oder gar nicht.

Harald Haupt von der Stadtverwaltung Spaichingen im Landkreis Tuttlingen berichtet dagegen von zahlreichen Reaktionen. „Es gibt keine positiven Rückmeldungen. Es gibt heftigen Unmut, telefonisch und durch persönliches Erscheinen geäußert“, so der Fachbereichsleiter für Steuern, Beiträge und Liegenschaften. Auch in Villingen-Schwenningen wird ein gewisser Ärger in der Stadt bestätigt. „Die Steuerpflichtigen, die nun erheblich mehr bezahlen müssen, bekunden in ihren Rückmeldungen, per Telefon oder in schriftlichen Einsprüchen, natürlich auch des Öfteren ihren Unmut“, erklärt Pressesprecher Patrick Ganter.

Michael Disch vom Steueramt in Simonswald, einer Gemeinde mit rund 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Landkreis Emmendingen, hat jedoch auch bereits positive Rückmeldungen erhalten: „Manche bedanken sich, dass es billiger wurde, manche beschweren sich, dass es teurer wurde.“

In der Stadt Schriesheim im Rhein-Neckar-Kreis zeigt sich zudem, dass viele Bürgerinnen und Bürger die Bescheide hinterfragen. „Teilweise erhalten wir Nachfragen im Hinblick auf die zugrunde liegende Berechnungssystematik“, sagt Pressesprecherin Vanessa Schwierz, „überwiegend erhalten wir jedoch Rückmeldungen von Personen, die den Grundsteuerbescheid nicht akzeptieren möchten.“

Aufklärung über neue Grundsteuer: Kommunen suchen Gespräche

Mancherorts scheint der Unmut in der Bevölkerung sehr groß zu sein. „Wir haben für einen Tag pro Woche die telefonische Erreichbarkeit der Bearbeiterinnen gestoppt, damit diese überhaupt noch zum Arbeiten kommen“, berichtet Harald Haupt aus der Stadt Spaichingen. Man versuche zwar ins Gespräch zu gehen, soweit es möglich sei, aber in der Regel behelfe man sich bei der bisher großen Zahl von Widersprüchen mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit des Finanzamts.

Andere Kommunen berichten von ähnlichen Rückmeldungen, verweisen aber darauf darauf, dass sie auf Kommunikation setzen und damit bereits positive Ergebnisse erzielt haben. „Im Falle von Unmut steht an erster Stelle, dass den Bürgern erklärt wird, warum es zu einem erhöhten Betrag kommt“, erklärt etwa die Kämmerei der Stadt Walldürn im Neckar-Odenwald-Kreis. „Dies liegt in den meisten Fällen an der Bewertung. Da die Bewertung durch das Finanzamt erfolgt, besteht seitens der Stadt keine Möglichkeit, hier Änderungen vorzunehmen.“

Klare und Transparente Kommunikation

Das unterstreicht auch Valentina Mager von der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen im Bodenseekreis: „Wir gehen ins Gespräch, und meist sind die Bürgerinnen und Bürger mit unseren Erläuterungen zufrieden.“ Annick Grassi, Bürgermeisterin der Gemeinde Waldachtal, weist darauf hin, dass die Verwaltung sich noch längere Zeit mit dem Thema beschäftigen werde: „Wir werden bei Bedarf mit den einzelnen Bürgern sprechen, sollten die Zahlungen nicht kommen oder jemand bezüglich Stundung oder Ratenzahlung auf uns zukommen“, so die Rathauschefin der Gemeinde im Landkreis Freudenstadt.

Dominic Damrath aus Seewald setzt auf „klare und transparente Kommunikation, um dem Unmut entgegenzuwirken.“ Er habe bereits einen offenen Brief an alle Haushalte versendet, um die Systematik der Bescheide ausführlich zu erklären. Nun beobachte man die Situation: „Wir stehen für Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern bereit, um offene Fragen zu klären und mögliche Missverständnisse auszuräumen.“

Nachbesserungen bei der Erhebung der Grundsteuer gefordert

Nicht alle der von uns befragten Kommunen stimmen in den Chor der grundsätzlichen Kritik an der neuen Grundsteuer ein, die derzeit im Land immer öfter zu hören ist. „Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2018 wurde das bisherige System der grundsteuerlichen Bewertung für verfassungswidrig erklärt. Dadurch wurde die jetzige Grundsteuerreform notwendig – es ist also, wie es ist“, sagt etwa Valentina Mager aus Uhldingen-Mühlhofen. „Die Neuerungen wurden umgesetzt und sollten zumindest bis zum nächsten Hauptfeststellungszeitpunkt so beibehalten werden. Jetzt noch Änderungen einzuarbeiten, bedeutet nur nochmalige Mehrarbeit und Erklärungsbedarf. Auch mit den teilweise geforderten Anpassungen werden nicht alle zufrieden sein.“

Dennoch wird deutlich, dass Nachbesserungen erforderlich sind. „Bei der Festlegung des Bodenrichtwertes hätte besser die Topografie berücksichtigt werden müssen, denn in unserem Gemeindegebiet gibt es viele zum Teil sehr steile Hanggrundstücke, die im Gegensatz zu ebenen Grundstücken zu hoch im Bodenrichtwert bewertet sind,“ betont Michael Disch aus Simonswald. „Hier wäre es sinnvoll, entsprechende Anpassungen zu ermöglichen oder durchzuführen.“

Darauf weist auch Annick Grassi, die Bürgermeisterin von Waldachtal, hin: „Grundsätzlich ist das System gerechter als vorher, dennoch sehen wir Nachbesserungsbedarf. Diesen wünschen wir uns aber eher im Bereich der Gewerbetreibenden beziehungsweise im Hinblick auf die Gutachterausschüsse und die Bewertung der Grundstücke.“

Auch Dominic Damrath begrüßt die Grundsteuerreform grundsätzlich: „Insbesondere das Bodenrichtwertmodell erscheint in seiner Systematik sinnvoll und gut durchdacht.“ Allerdings äußert er scharfe Kritik an der Landesregierung: „Die Kommunikation seitens des Landes war absolut katastrophal. Das Transparenzregister ist ein Schlag ins Gesicht aller kommunalpolitisch Verantwortlichen. Sich eine Systematik auszudenken und dann in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie einzugreifen, indem man heimlich vorschreibt, wo die jeweiligen Hebesätze landen sollen, ist eine schlichte Farce.“

Auch die Stadt Spaichingen kritisiert das Land deutlich: „Es handelt sich bei der Grundsteuerreform um ein bürokratisches Monstrum ohne sichtbare Vorteile, welches die Arbeit des Steueramts bereits seit Jahren wesentlich erschwert. Die betroffenen Mitarbeiterinnen sind damit, bezogen auf den Arbeitsaufwand, überfordert. Man müsste dafür zusätzliche Arbeitskräfte einstellen,“ sagt Fachbereichsleiter Harald Haupt.

Die Kämmerei Walldürn hingegen betont, dass es grundsätzlich schwierig sei, eine Lösung zu finden, die allen gerecht wird: „Ob es sich nun bei diesem Verfahren um die fairste Variante handelt, lässt sich streiten und kommt auch immer auf den Ausgangspunkt des jeweiligen Betrachters an.“

Wie der Gemeindetag Baden-Württemberg die neue Grundsteuer einordnet, lesen Sie hier.