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Kommunen fordern Fahrplan für Kinderbetreuung

23. Februar 2022
Der Fachkräftemangel in den Kita-Einrichtungen spitzt sich pandemiebedingt zu. Die Städte und Gemeinden als Träger der Kinderbetreuung warnen: Bis 2030 fehlen bis zu 40.000 Erzieherinnen und Erzieher. Das Präsidium des Gemeindetags fordert daher von der Landes- und Bundespolitik ein Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Herausforderung.

Zur aktuellen Notlage der Kinderbetreuung erklärt der Präsident des Gemeindetags, Steffen Jäger: „Politik beginnt beim Betrachten der Wirklichkeit. Und bekanntlich sind die Städte und Gemeinden die Orte der Wirklichkeit. Wer also verantwortlich Politik machen möchte, der muss die Kommunen fragen, was dazu erforderlich ist. Denn politische Absichten in Koalitionsverträgen sind das eine, die Möglichkeiten vor Ort das andere. Ein besonders aktuelles Beispiel ist das Aufgabenfeld der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Seit 2007 hat sich die Zahl der eingesetzten Fachkräfte in den baden-württembergischen Kitas mehr als verdoppelt und das Volumen der eingesetzten Haushaltsmittel zur Finanzierung des laufenden Betriebs hat sich seither nahezu verdreifacht. Zwischenzeitlich wenden die Kommunen jährlich fast 4,7 Milliarden Euro auf. Hinzu kommen Investitionen in Milliardenhöhe. Die frühkindliche Bildung ist damit die am stärksten subventionierte Leistung auf gemeindlicher Ebene. Und trotzdem gibt es massive Warnsignale aus den Orten der Wirklichkeit.“

Präsidium des Gemeindetags beschließt Kita-Fahrplan 2025

Jäger weiter: „Kinderbetreuung heute heißt, dass die Kinder oftmals in einem früheren Lebensalter und in einem größeren Betreuungsumfang am Tag die Einrichtungen nutzen. Bei gestiegenen pädagogischen und infrastrukturellen Standards werden das Personal und die verfügbaren Räumlichkeiten am Ende der entscheidende begrenzende Faktor.“ Vielerorts können bereits neugebaute Einrichtungen nicht bezogen werden, Betreuungszeiten müssen verkürzt werden oder Gruppen gar geschlossen werden. Anlässlich seiner Jahresauftakt-Klausurtagung beschloss das Präsidium des Gemeindetags in Eppingen einen Kita-Fahrplan 2025. Dieser soll mit der Landesregierung und weiteren Akteuren in einer landespolitischen Diskussion erörtert werden.

Kurzfristige Maßnahmen für Gewährleistung eines bedarfsgerechten Betreuungsangebotes nötig

„Die Städte und Gemeinden benötigen für die Gewährleistung eines bedarfsgerechten Betreuungsangebotes kurzfristige Maßnahmen. Dazu zählen weitere Investitionstranchen, eine befristete Übergangsregelung für eine verantwortliche Erweiterung der Höchstgruppenstärke sowie die Möglichkeit, den Mindestpersonalschlüssel übergangsweise zu unterschreiten.“ Weiter schlagen die Kommunalvertreter vor, fehlende Fachkräfte durch geeignete Personen zu vertreten und die Qualifizierung von Quereinsteigern zu fördern.

Steffen Jäger: "Jede 'helfende Hand' ist auch eine Entlastung für die Erzieherinnen und Erzieher"

„Jede ‚helfende Hand‘ ist auch eine Entlastung für die Erzieherinnen und Erzieher“, so der Gemeindetagspräsident. „Der Facharbeitsmarkt ist leergefegt, viele bereitgestellte Ausbildungskapazitäten bleiben unbesetzt, wir können keine Erzieherinnen und Erzieher backen. Wir sind deshalb in der Situation, dass entschieden werden muss: Sind wir bereit, die in Baden-Württemberg berechtigterweise hohen qualitativen Anforderungen zumindest zeitweise etwas zu flexibilisieren? Wenn dies von der Politik nicht ermöglicht wird, dann werden Hunderte von Kommunen ihr frühkindliches Bildungsangebot einschränken müssen, da das Fachpersonal faktisch nicht zu bekommen ist. Und dann müssen wir einem Teil der Kinder sagen ‚Du kannst leider nicht in die Kita kommen‘.“ Klar sei, so Gemeindetagspräsident Jäger, dass alle Maßnahmen das Wohl der Kinder und deren Bildung und Betreuung weiterhin im Blick behalten müssten.

Jäger: Brauchen neben Sofortmaßnahmen langfristige Lösungen für verlässliches und bedarfsgerechtes Bildungs- und Betreuungsangebot

„Neben diesen dringend erforderlichen Sofortmaßnahmen brauchen wir gemeinsam mit den Trägern und dem Land eine erfolgversprechende Strategie, wie wir zusätzliche Kräfte für den stetig steigenden Personalbedarf gewinnen und die Fachkräfte in den Einrichtungen halten können. Wir brauchen Lösungen, wie es uns langfristig gelingt, ein verlässliches und bedarfsgerechtes Bildungs- und Betreuungsangebot zu schaffen.“ Als Maßnahmen für die Zukunft müssen daher, so Jäger, die Förderung und der nochmalige Ausbau der Aus- und Weiterbildungskapazitäten, eine Neudefinition der Fachkräftezulassung, eine Aktualisierung der Zusammensetzung des Mindestpersonalschlüssels sowie ein Förderkonzept des Landes zur Umsetzung des weiterentwickelten Orientierungsplans folgen.

Jäger: "Benötigen den Mut, über neue Wege der Qualifizierung und Attraktivierung des Berufsfelds zu sprechen"

„Aber wir müssen auch klar zur Kenntnis nehmen, dass nicht 15 oder 20 Prozent eines Geburtenjahrgangs den Berufsweg einer pädagogischen Fachkraft einschlagen werden“, macht Jäger deutlich. „Angesichts der mittelfristigen Situation in den Kommunen benötigen wir auch den Mut, über neue Wege der Qualifizierung und Attraktivierung des Berufsfelds zu sprechen. Denn in den Einrichtungen der Kinderbetreuung legen wir den Grundstein für die Generation von morgen“, so der Gemeindetagspräsident abschließend.