Photovoltaik und Windkraft - Laut Klimaschutzgesetz sollen sie bald zwei Prozent der Fläche Baden-Württembergs ausmachen.
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Klimaschutzgesetz: Kommunen fordern Unterstützung für die Umsetzung der Klimaschutzziele

Der Entwurf zur Novelle des Klimaschutzgesetzes in Baden-Württemberg will die Klimaneutralität 2040 erreichen. Auch die Kommunen stehen hinter diesem Ziel. Fordern für die Umsetzung jedoch auch die nötigen Hilfen des Landes.

Klimaneutralität bis 2040 - Das ist das Ziel der Novelle des Klimaschutzgesetzes der baden-württembergischen Landesregierung, das in dieser Woche auf dem Prüfstand der Verbände steht. Im Herbst soll sie zur zweiten Lesung in den Landtag eingebracht werden. Die erneute Novellierung des Klimaschutzgesetzes ist das erste größere Gesetzesprojekt der aktuellen Landesregierung, das im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Sie ist Teil des Klimaschutz-Sofortprogramms. 

Klimaschutzgesetz: Mindestflächenziel für Erneuerbare, PV-Pflicht und Klima-Sachverständigenrat

Im Entwurf der Landesregierung ist definiert, dass mindestens zwei Prozent der Fläche für Windenergie- und Photovoltaik-Freiflächenanlagen genutzt werden. Zudem soll auch die kommunale Wärmeversorgung bis 2040 klimaneutral erfolgen. Eine Photovoltaik-Pflicht ist für Neubauten von Wohngebäuden, bei Dachsanierungen - egal ob Wohngebäude oder Nicht-Wohngebäude - und auf Parkplatzflächen vorgesehen. Ein Klima-Sachverständigenrat soll die Klimaschutzmaßnahmen wissenschaftlich begleiten. Im Gegensatz zum 2020 novellierten Klimaschutzgesetz nutzt die neuerliche Novelle das Jahr 2050 nicht länger als Zielmarke. Die Ziele für die Klimaneutralität sind höher, um eine Neutralität bereits zehn Jahre früher zu erreichen. 

Die Kommunalen Landesverbände befürworten die Ausrichtung der baden-württembergischen Klimaschutzziele an der Klimaneutralität bis 2040. Ein Großteil der geplanten Maßnahmen liegen in kommunaler Hand. Diese stellen sich hinter das Ziel der Klimaneutralität, bekräftigen die kommunalen Landesverbände. Doch werden sie vor Herausforderungen und Konflikte gestellt, mit denen das Land sie nicht alleine lassen dürfe. So etwa bei dem Zwei-Prozent-Ziel für Windkraft- und Photovoltaik-Freichflächenanlagen: Mit der Ausweisung der Flächen gingen erhebliche Zielkonflikte einher, ebenso mit dem Bau der Anlagen. Diese könnten derzeit nicht zugunsten des Klimaschutzes aufgelöst werden. "Die Kommunen dürfen mit diesen Konflikten nicht alleingelassen werden", fordern die kommunalen Landesverbände. Klare Vorgaben im Fachplanungsrecht müssten deshalb her. So etwa Artenschutzpläne und ein interkommunales Kompensationsflächenmanagement. 

Gemeindetag: Einzelbelange und Individualinteressen dürfen nicht zum Verhinderungsfaktor werden 

Steffen Jäger, Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg: 

Klimaschutz genießt im Abstrakten eine große Zustimmung in der Gesellschaft. Sobald Klimaschutz aber konkret wird, gibt es leider noch immer viele Widerstände. Für die konkrete Umsetzung des Klimaschutzes bedarf es daher eines gesellschaftlichen Bewusstseins dafür, dass Klimaschutz als herausragender Belang des Allgemeinwohls einen Vorrang haben muss. Dazu muss auch der Rechtsrahmen angepasst werden. Einzelbelange und Individualinteressen dürfen nicht zum ‚Verhinderungsfaktor‘ werden. Zudem muss uns auch bewusst sein, Klimaschutz geht nicht mit dem Haushaltsansatz ‚Null‘. 

Dass Kommunen Klimaschutz konkret umsetzen können, beweisen sie seit vielen Jahren. Deshalb gilt es, die kommunalen Möglichkeiten zu stärken: Rechtlich und finanziell, aber auch politisch. So muss bei der Festlegung des Zwei-Prozent-Mindestflächenziels für Windenergie- und PV-Freiflächenanlagen für die Raumordnung die kommunalen Planungshoheit Berücksichtigung finden. Denn die Konkretisierung eines solch abstrakten Gesetzesziels ist oftmals mit erheblichen Konflikten verbunden. Diese sollten keinesfalls nur auf die Kommunen delegiert werden. 

Städtetag kritisiert fehlende Pläne für den Wärmesektor

Gudrun Heute-Bluhm, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg: 

Indem das Ausbauziel auf Wind und PV beschränkt wird, bleibt ein zentral wichtiger Baustein der Energiewende außen vor – nämlich die Wärme. Diese macht fast 50 Prozent des Endenergieverbrauchs in Baden-Württemberg aus. Eine umfassende Bilanz, die vom Gesamtenergiebedarf ausgeht und den Wärmesektor mitumfasst, muss daher aus unserer Sicht das Zwei-Prozent-Flächenziel ergänzen und kompensatorische Maßnahmen ermöglichen. 

Insgesamt bleibt das Klimaschutzgesetz beim Wärmesektor auf der Ebene des Planerischen stehen. Mit der Gesetzesnovelle soll die Klimaneutralität der Wärmeversorgung nun schon im Jahr 2040 – statt wie bisher 2050 – erreicht werden. Das Gesetz sieht dabei das Instrument der Wärmeplanung vor. Bei der Planung allein können es die Kommunen jedoch nicht belassen – um die Wärmeversorgung klimaneutral zu gestalten, müssen sie in großem Stil Anlagen zur Erzeugung klimaneutraler Wärme sowie Wärmenetze zur Verteilung dieser Wärme errichten. Und zwar nicht nur im Neubau, sondern auch im Gebäudebestand. Dafür bedarf es zielgerichteter Anreize, wie etwa attraktiver Fördermöglichkeiten, oder eine klimaorientierte Ausrichtung der Kommunalabgaben, die eine Finanzierung erst ermöglichen. 

Landkreistag fordert Ausgleichsmechanismen für Kommunen, die mehr zum Zwei-Prozent-Flächenziel beitragen

Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg:

Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, brauchen wir dringend mehr Tempo bei Planung und Genehmigung von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Durch Rechtsänderungen und Standardisierungen kann hier auch auf Landes-ebene zur Beschleunigung von Verwaltungsverfahren beigetragen werden. Auch muss das Personal gerade dort gestärkt werden, wo die abschließenden Verfahrensentscheidungen getroffen werden – und dafür auf Kontrollschleifen auf höherer Verwaltungsebene verzichtet werden. 

Ferner kommt den regionalen Klimaschutz- und Energieagenturen als unabhängigen Dienstleistern für Handwerk und Wirtschaft, Bürgerschaft und Kommunen eine wichtige Rolle für die Klimawende zu. Um das dichte Netz dieser Agenturen sichern und ausbauen zu können, bedarf es endlich einer dauerhaften Grundfinanzierung. Schließlich, aber nicht zuletzt, ist darauf zu achten, dass Raumschaften, die stärker als andere auf das Zwei-Prozent-Flächenziel einzahlen, dafür auch entschädigt werden. Die Ausgleichsmechanismen können sowohl planungsrechtlicher als auch finanzieller Art sein.