
„Initiative für einen handlungsfähigen Staat“: Was die Reformvorschläge für Kommunen bedeuten
Die sogenannte „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“, eine Gruppe um die Ex-Bundesminister Thomas de Maizière und Peer Steinbrück, den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle und die Medienmanagerin Julia Jäkel unter Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, hat am Freitag im Schloss Bellevue einen Zwischenbericht vorgelegt. Er zeigt auf, welche Schritte aus ihrer Sicht nötig sind, um den schwerfälligen Verwaltungsstaat grundlegend zu reformieren und leistungsfähig zu machen. Auch Kommunen spielen darin eine Rolle.
Reform der Mischfinanzierung
So kritisiert der Zwischenbericht unter anderem die Mischfinanzierung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Diese führe dazu, dass Kommunen Aufgaben übernehmen, aber oft keine langfristige Finanzierung erhalten. „Das unübersichtliche Geflecht aus Aufgabenübertragungen, Mischfinanzierung und 'goldenem Zügel' schränkt den eigenen Gestaltungsraum der Gemeinden weiter ein“, heißt es konkret.
Als Beispiel nennen die Autorinnen und Autoren Anschubfinanzierungen des Bundes, deren Folgekosten die Kommunen tragen müssen, ohne selbst langfristige Steuerungsmöglichkeiten zu haben. Im Papier fordern sie deshalb eine neue Bund-Länder-Initiative, die Vorschläge erarbeiten soll, wie Aufgaben klarer zwischen den föderalen Ebenen verteilt werden könnten. Außerdem soll die Zahl der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern begrenzt werden. „Die Gemeinschaftsaufgaben sind klar zu strukturieren. Die Regeln der Finanzverfassung im Grundgerecht sind darauf auszurichten“, schreiben sie.
Die Autoren schreiben, sie seien sich bewusst, dass eine Reform der Mischfinanzierung Widerstände hervorrufen würden. Doch wie handlungsfähig ein Staat ist, erfahren viele Bürgerinnen und Bürger in erster Linie dort, wo sie wohnen, auf der kommunalen Ebene. Eine häufig mit der Mischfinanzierung einhergehende Schwächung der Gemeinden beschädigt das Vertrauen der Menschen in den Staat und in die Demokratie.
Digitalisierung soll zentral beim Bund liegen
Der Bericht fordert, einheitliche IT-Lösungen für Bund, Länder und Kommunen zu schaffen. Digitale Verwaltungsleistungen wie Kfz-Zulassung, Meldewesen oder Wohngeld) sollen zentralisiert und automatisiert werden. Ziel dieser Maßnahmen sei es, die Kommunen zu entlasten, indem wiederholte Datenerfassungen und unnötige Behördengänge entfallen.
„Verwaltungsprozesse werden von Anfang an digital entwickelt und vom Nutzer her gedacht. Prozesse, Daten und Identifikation werden bereits im Gesetzgebungsverfahren integriert“, heißt es im Kapitel „Digitaler Staat und Verwaltung“, und weiter: „Der Bund stellt Ländern und Kommunen zentrale Lösungen für Verwaltungsaufgaben wie Kfz-Zulassung oder Wohngeld bereit.“ Der Vorschlag entspreche den „Dresdner Forderungen“ des Deutschen Städtetages und führe dazu, dass Kommunen und Landkreise sich besser um ihre „ureigenste Gestaltungsarbeit und die Beratung vor Ort kümmern“ könnten.
Dieser Vorstoß überrascht etwas. Denn Bund, Länder und Kommunen arbeiten im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) seit Jahren mit dem sogenannten Einer-für-Alle-Prinzip („EfA-Prinzip“). Es beruht darauf, dass ein Bundesland eine OZG-Leistung wie beispielsweise die KfZ-Anmeldung entwickelt, und die anderen Länder sie adaptieren. Das Prinzip hat zwar immer wieder Sand im Getriebe – unter anderem, weil die Landesgesetzgebungen sich unterscheiden und die Lösungen meist nicht ohne Weiteres übertragbar sind – ist aber mittlerweile etabliert. Eine Zentralisierung dieser Aufgaben beim Bund würde es nun obsolet machen.
Zentrale digitale Plattform für alle Sozialleistungen
Die Hauptkritik im Bereich der Sozialleistungen betrifft die aus Sicht der Autoren viel zu hohe Komplexität des Sozialstaats. „Der deutsche Sozialstaat ist überaus komplex organisiert, mit einer Vielzahl von Schnittstellen und verschiedenen sozialen Hilfen und Förderungen. Fünf Bundesministerien verantworten etwa 170 Leistungen, die von fast 30 Behörden unter Verwendung unterschiedlicher Begrifflichkeiten verwaltet und in 16 Ländern mit 400 kommunalen Gebietskörperschaften teils unterschiedlich umgesetzt werden“, heißt es im Kapitel „Soziales“.
Die Verwaltungen sei mit dem Vollzug überlastet, die Anspruchsberechtigten mit Antragstellungen überfordert, die Zuweisung von sozialen Hilfen und Förderungen führe nicht selten zu falschen Anreizwirkungen. Die Initiative fordert daher, alle Sozialleistungen sollten zentral auf einer digitalen Plattform bereitgestellt werden.
Vor allem Kommunalverwaltungen sollen dadurch entlastet werden. Die Zuständigkeit dafür soll idealerweise bei einem Bundesministerium liegen, alternativ bei zwei Ministerien. Die Forderung passt insofern zu der Forderung der Initiative im Bereich Digitalisierung, da sie ebenfalls eine Zentralisierung beim Bund vorsieht. Folgerichtig buchstabieren die Autoren auch aus, welche Voraussetzungen im Bereich IT für die Umsetzung nötig würden.
„Damit die zentrale digitale Dienstleistungsplattform vollumfänglich arbeiten kann, erhält sie Zugang zu allen relevanten Daten der Sozialversicherungen, der Sozialverwaltung, der Finanzämter, der Melderegister und zu weiteren Quellen. Ziel ist es, die Antragsdaten der Anspruchsberechtigten nur einmal zentral zu erfassen, das sogenannte Once-Only-Prinzip, und den beteiligten Behörden den Zugriff auf die Daten zu eröffnen. Soweit es nötig ist, werden die Regeln des Datenschutzes für diesen Zweck auf Bundesebene entsprechend angepasst“, schreiben sie.
Länder sollen Integrationsmaßnahmen übernehmen
Eine Aufgabenbündelung beim Bund sieht die Initiative auch beim Thema Abschiebungen vor. So stellt der Bericht eine große Diskrepanz zwischen der Zahl ausreisepflichtiger Personen und tatsächlicher Abschiebungen fest. Als Problem identifizieren die Autoren zu komplizierte Verfahren, weil viele verschiedene Behörden involviert seien – darunter kommunale Ausländerbehörden, Länder, Bundespolizei, BAMF, Gesundheitsämter und Härtefallkommissionen. Oft würden notwendige Dokumente fehlen, oder es gebe nicht genug Haftplätze.
Die Initiative schlägt deshalb vor, die Zuständigkeit für Abschiebungen komplett auf den Bund zu übertragen, um das Verfahren zu beschleunigen. Eine Entlastung für Kommunen sieht die Initiative außerdem dadurch vor, dass die Integration von Migranten und Fachkräften vom Bund (BAMF), also Eingliederungsmaßnahmen wie Sprachkurse, an die Länder übertragen wird, da diese für Bildung und Ausbildung besser aufgestellt seien. Kommunale Behörden und Bildungseinrichtungen würden dadurch entlastet.
Das sagt der Gemeindetag Baden-Württemberg
Der Gemeindetag Baden Württemberg hat sich zum Vorstoß der Initiative geäußert. „Die Vorschläge der Initiative für ein handlungsfähigen Staat, die von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Herbst 2024 eingesetzt wurde, und von den Experten vorgestellt wurden, sind wichtige Impulse gerade auch angesichts der neuen Legislaturperiode des Deutschen Bundestags“, kommentiert Gemeindetagspräsident Steffen Jäger.
Wenn ehemalige Repräsentanten des Staates und führende Bundespolitiker gemeinsam mit Expertinnen und Experten grundlegende Veränderungen anmahnen würden, dann müssten diese Vorschläge ernsthaft diskutiert werden. „Als Städte und Gemeinden halten wir dies für mehr als geboten, gerade auch mit Blick auf eine klare Regelung der Aufgabenfinanzierung (Konnexität)“, so Jäger weiter.