Grundsteuer C: Das sagen die Bürgermeister der Pionier-Gemeinden
Noch scheuen sich viele Kommunen in Baden-Württemberg, eine Grundsteuer C einzuführen. Sie kann von Städten und Gemeinden ab dem 1. Januar 2025 im Rahmen der Grundsteuerreform erhoben werden und betrifft unbebaute, aber baureife Grundstücke. Für diese sind dann höhere Abgaben fällig als für bebaute Grundstücke. Mit der Steuer ist die Hoffnung verbunden, dass Eigentümerinnen und Eigentümer unbebauter Grundstücke dazu gebracht werden, lieber Wohnraum zu schaffen als den höheren Satz zu zahlen.
Vorbehalte gegen Grundsteuer C: Blicke richten sich auf Pioniergemeinden
Ihre Zurückhaltung erklären manche Kommunen damit, dass sie einen erheblichen bürokratischen Aufwand bei einer Umsetzung der Steuer erwarten. Grundstücke müssten neu bewertet und klassifiziert werden, wozu personelle und technische Ressourcen fehlten. Es würde zudem an ausreichend Daten mangeln, um eine rechtssichere und gerechte Erhebung umzusetzen.
Andere kommunal Entscheidende bezweifeln, ob mit der Grundsteuer C mehr Bauland mobilisiert wird, und halten dahingehend Maßnahmen wie Anreize oder vereinfachte Bauvorschriften für effektiver. Nicht zuletzt fürchten viele den Groll und die Klagen betroffener Bürgerinnen und Bürger. Zumal es mit der Reform bereits bei der Grundsteuer B zum Teil zu erheblichen Mehrbelastungen kommt.
Die meisten lehnen die Einführung einer Grundsteuer C jedoch nur vorerst ab. Man wolle zunächst sehen, wie sich die Maßnahme in Kommunen auswirkt, die eine solche Steuer einführen. Die Blicke richten sich damit auf die Pionier-Gemeinden. Neben der Stadt Tübingen sind dies in Baden-Württemberg die Stadt Wendlingen im Kreis Esslingen sowie die Gemeinde Merdingen im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald.
Einstimmige Entscheidung in Wendlingen
In Wendlingen war die Steuer keinesfalls so umstritten wie andernorts: „Schon Ende 2023 war eine sehr deutliche Mehrheit erkennbar, die einer Einführung der Grundsteuer C positiv gegenübersteht“, erklärt Wendlingens Bürgermeister Steffen Weigel (SPD). Dies hätte sich in der nächsten Sitzung im Sommer 2024 weiter bewahrheitet. Selbst nach der Wahl eines neuen Gemeinderates blieb die Entscheidung klar: „Die Satzung wurde in öffentlicher Sitzung im September beraten und im Oktober einstimmig verabschiedet“, so der Rathauschef der Stadt mit gut 16.000 Einwohnern.
Auch Merdingens Bürgermeister Martin Rupp (Parteilos) berichtet von keinen knappen Verhältnissen im Rat: „Die Diskussion über die Einführung der Grundsteuer C begann bereits mit der Schaffung der Möglichkeit zur Einführung im Landesgrundsteuergesetz“, berichtet er. „Eine große Mehrheit sprach sich dafür aus, die sogenannten ,Enkelgrundstücke‘ über dieses Instrument zu aktivieren“, erinnert sich der Rathauschef der Gemeinde mit rund 2.600 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Als Enkelgrundstücke werden die baureifen Grundstücke bezeichnet, die von den aktuellen Eigentümern nicht selbst bebaut, sondern für künftige Generationen – etwa die Enkel – zurückgehalten werden, sei es aus spekulativen Gründen, in der Hoffnung auf eine Wertsteigerung, oder weil man das Land langfristig in der Familie halten möchte.
„Mehr Geltung für Verfassungsgrundsatz: Eigentum dient auch Allgemeinwohl“
„Im Gemeinderat wurde darauf verwiesen, dass ein Baugrundstück nicht nur eine extrem sichere Geldanlage ist, sondern praktisch ein von der Allgemeinheit subventioniertes ,Sparbuch‘“, begründet Rupp die Entscheidung des Rats. Zwar habe es kritische Stimmen zur Belastung der Eigentümer gegeben, jedoch: „Es setzte sich die Auffassung mehrheitlich durch, dass der verfassungsmäßige Grundsatz, wonach Eigentum auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll, mit der Grundsteuer C mehr Geltung verschaffen werden soll.“
Wendlingens Bürgermeister Weigel berichtet von ähnlichen Beweggründen: „Zentrales Argument war die Lenkungswirkung, in dem wir einen Anstoß geben, Grundstücke, die im Rahmen von Umlegungen in den 1970er Jahren oder auch später privaten Eigentümern zugefallen sind, endlich auch einer Bebauung zuführen.“
Grundsteuer C: Hohes Flächenpotenzial in beiden Kommunen
In den 1960er und 1970er Jahren wurden in Baden-Württemberg durch den steigenden Wohnraumbedarf viele Flächen in Bauland umgewandelt. In dieser Zeit setzte die Politik verstärkt auf den Ausbau von privatem Wohnraum. Wendlingen zielt mit der Grundsteuer auf eine Korrektur der dabei entstandenen Verhältnisse ab. Laut Weigel geht es um die 100 Grundstücke.
Auch in der Gemeinde Merdingen ist das erhoffte Flächenpotenzial nicht unerheblich: Laut Martin Rupp zielt die Grundsteuer C auf 38 unbebaute Baugrundstücke ab. „Es handelt sich zum Teil um sehr große Bauplätze, im Median 534 Quadratmeter haben“, erklärt der Bürgermeister. Die Gesamtfläche betrage 19.841 Quadratmeter. „Vorsichtig geschätzt könnte dadurch um die 10.000 Quadratmeter Wohnfläche für circa 200 Einwohner geschaffen werden, ohne dass zusätzliche Fläche versiegelt werden muss.“ Rupp betont zudem, dass hier bisher der Gemeinde Mittel von mehr als 200.000 Euro pro Jahr entgehen und diese künftig den finanziellen Spielraum der Gemeinde erhöhen würden.
Merdingen: Maßnahmen wie Ansprache bislang mäßig erfolgreich
„Wir versuchen seit mehr als zehn Jahren Baugrundstücke in privater Hand durch Ansprache der Eigentümer für eine Bebauung zu aktivieren“, begründet Rupp weiter. „Der Erfolg war bisher eher mäßig.“ Von 48 unbebauten Baugrundstücken in Merdingen seien seither zehn bebaut. Bei der Hälfte davon erlangte man die Bebauung durch Fristsetzung in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag in Form einer Abwendungsvereinbarung. Diese Form der Baulandaktivierung funktioniert laut Rupp naturgemäß nur dann, wenn ein Baugrundstück tatsächlich verkauft würde. Generell hätte Merdingen als Eigenentwicklergemeinde eine hohe Nachfrage nach Baugrundstücken. „Besonders junge Familien finden in Merdingen nur schwer passenden Wohnraum.“
In Wendlingen beträgt der Hebesatz für die Grundsteuer A (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) 0 Prozent, für die Grundsteuer B (bebaute Grundstücke) liegt er bei 170 Prozent. Für die Grundsteuer C ist nun ein Hebesatz von 250 Prozent fällig. Wie Bürgermeister Weigel berichtet, enthielt die Sitzungsvorlage fünf unterschiedliche Hebesatzvorschläge (170/ 200/ 250/ 270/320). „Wobei 170 der Hebesatz der neuen Grundsteuer B entspricht und 320 dem bisherigen Grundsteuer B Hebesatz.“ Für die Grundsteuer C sei am Ende der Mittlere genommen worden.
Kommunen rechnen mit Einsprüchen
Noch gäbe es aus der Wendlinger Bürgerschaft wenig Rückmeldungen zum Thema Grundsteuer C. „Die Beschwerden halten sich derzeit in Grenzen. Aber wenn die Bescheide im Januar erlassen werden und die Betroffenen die reale Höhe sehen, gehen wir schon von Einsprüchen aus“, sagt Weigel.
Merdingen hat noch nicht über die Hebesätze entschieden. „Wir werden voraussichtlich im Dezember über einen Hebesatz C entscheiden“, erklärt Rathauschef Rupp. Dieser werde vermutlich doppelt so hoch liegen wie für die Grundsteuer B. „Die Lenkungswirkung wird sich nur dann einstellen, wenn die Mehrkosten deutlich über denen eines bebauten Grundstücks liegen.“
In Merdingen wurden sämtliche für die Grundsteuer C in Frage kommenden Eigentümer angehört. Bisher seien laut Rupp die Beschwerden trotz mehrfacher Ankündigung der Steuer relativ zurückhaltend: „Wir erhielten lediglich vier Rückmeldungen, die sich meist pauschal gegen die Steuer richteten.“ Doch man rechne durchaus mit Gegenwind. „Da nun auch die Hebesetze für die Grundsteuer A und B ab 2025 festgesetzt wurden, rückt die Grundsteuer C ins Bewusstsein der Betroffenen. Erste Klagen wurden uns bereits angekündigt.“