Gemeindetag fordert Öffnungsstrategie in Verbindung mit besserer Testinfrastruktur
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Gemeindetag: Innenstädte mit kluger Teststrategie retten

22. März 2021
Der Landesvorstand des Gemeindetags Baden-Württemberg hat sich virtuell über ihre Sicht der aktuellen Situation ausgetauscht. In der Folge fordern sie von der Landesregierung eine einheitliche Strategie für Einzelhandel und Gastronomie, die Unterstützung der Testinfrastruktur und eine verbesserte Nachverfolgung von Infektionsketten.

Die Mitgliedsstädte und -gemeinden des Gemeindetags Baden-Württemberg befürchten, dass sich Stadtmitten und Ortskerne nach der Bewältigung der Pandemie nicht mehr von den Folgen der aktuellen Einschränkungen erholen werden. Diese Sorge äußerten die Mitglieder des Landesvorstands des Gemeindetags bei ihrer virtuellen Sondersitzung vor den Bund-Länder-Gesprächen. Die Existenz von zahlreichen Einzelhandelsgeschäften sowie Gastronomie-, Veranstaltungs- und Tourismusbetrieben sei akut gefährdet. Gemeindetagspräsident Steffen Jäger wandte sich deshalb im Vorfeld des bevorstehenden Bund-Länder-Treffens mit einem eindringlichen Schreiben an Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Landeseinheitlicher Betrieb des Einzelhandels mit gutem Hygienekonzept

Im Hinblick auf den Einzelhandel würde eine Rückkehr in die Regelungslage vor dem 7. März zu einer Frequenzerhöhung in den dann noch geöffneten Handelsgeschäften des täglichen Bedarfs führen, insbesondere wenn diese Misch- bzw. Vollsortimente anbieten, gibt Jäger zu bedenken. „Gerade im Lichte der Gefährdungsbewertung des RKI sollte daher ein verantwortlicher und einheitlicher Betrieb des Einzelhandels auf Grundlage strenger Hygienekonzepte erwogen werden, zumindest jedoch das sogenannte Click & Meet“ sollte möglich bleiben“, regt Jäger an.

Verantwortungsvolle Öffnungsstrategie durch Ausbau der Testinfrastruktur

Angelehnt an die Rückmeldungen aus den Städten und Gemeinden regt Jäger an, die im Schulterschluss von Bund, Land und Kommunen aufgebaute landesweite Testinfrastruktur in die weitere Strategie zur Eindämmung der Pandemie einzubeziehen und gleichzeitig ein gewisses Maß an gesellschaftlichem Leben zu ermöglichen. „Wir haben dabei die große Hoffnung, dass mit dem Prinzip ‚mit Sicherheit öffnen‘ ein verantwortbarer und zumindest eingeschränkter Betrieb von Kultur, Hotel- und Gastronomie, Veranstaltungs- und Tourismusbranche sowie Sportangeboten ermöglicht werden kann“, so Jäger. Die modellhafte Erprobung eines solchen Ansatzes in der Stadt Tübingen bewertet der Landesvorstand des Gemeindetags grundsätzlich positiv. „Wenn sich die positiven Erfahrungen in Tübingen weiter bestätigen, muss dieser Ansatz unbedingt kurzfristig im gesamten Land ermöglicht werden“, fasst Präsident Jäger die Erwartung seiner Mitglieder zusammen.

Akzeptanz der Bevölkerung für Beschränkungen nimmt deutlich ab

Städte und Gemeinden teilen ausdrücklich das Ziel der Landesregierung, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger wirksam zu schützen. Die Rathausspitzen im Land nehmen vor Ort aber gleichzeitig wahr, dass die Akzeptanz für die Beschränkungen in den letzten Wochen und Monaten deutlich abnimmt und sich daraus ein wachsendes Ausweichverhalten entwickelt. „Wenn die Bund-Länder-Konferenz am Montag eine Rückkehr zu einem neuerlichen Lockdown ohne Perspektive für testbezogene Öffnungen beschließt, sehen wir die ernsthafte Gefahr, dass dadurch sowohl das Ausbluten der Innenstädte als auch die sinkende Akzeptanz der Menschen weiter verstärkt werden könnten“, so die Sorge des Gemeindetagspräsidenten. „Ohne eine möglichst hohe Akzeptanz in der Bevölkerung werden wir die Pandemie aber nicht erfolgreich in den Griff bekommen. Es ist außerdem weder leistbar noch erstrebenswert nur auf polizeiliche oder sonstige hoheitliche Maßnahmen zur Einhaltung der Regelungen zu setzen.“

Der Weg, ausgeweitete Testangebote für die Bevölkerung mit Öffnungskonzepten zu verbinden, hat aus Sicht der Kommunen weitere Vorteile. Der Ausbau der Testinfrastruktur, der flächendeckend in Baden-Württemberg im Gange ist, würde erheblichen „Rückenwind“ erhalten. Eine Rückkehr zum vollständigen Lockdown, wäre hingegen kaum vermittelbar, denn die Teststrukturen wurden in den letzten Tagen massiv aus- und aufgebaut. Auch die Engmaschigkeit, in der sich Bürgerinnen und Bürger freiwillig in die Testzentren begeben, würde gesteigert. Damit könnte man erheblich zur Reduktion der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens beitragen. Für die Betriebe der gefährdeten Branchen würde man eine höhere Verlässlichkeit schaffen.

Mehr Verbindlichkeit bei den Testangeboten für Schüler

Auch die von der Landesseite geplante Ausweitung der Teststrategie an Schulen, ist aus Sicht der kommunalen Schulträger elementar. Wichtig sei dabei, eine möglichst hohe und verbindliche Beteiligung der Schüler an diesem Testangebot zu erreichen.

Technische Weiterentwicklungen zur schnelleren Kontaktverfolgung

Obwohl die Impfungen noch nicht schnell genug voranschreiten, ist die mittlerweile hohe Impfrate bei der besonders gefährdeten Personengruppe der über 80-jährigen aus Sicht des Gemeindetags ein erster Etappenerfolg. Die Rathauschefs sind zudem optimistisch, dass mit der Luca-App und anderen vergleichbaren Apps zwischenzeitlich die technischen Möglichkeiten gegeben sind, mit denen sich Kontakte bei Infektionen rasch und datenschutzkonform nachverfolgen lassen. „Mit der schnelleren Reaktionszeit können sowohl die Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus als auch die Belastung der Gesundheitsämter und Ortspolizeibehörden bei der Kontaktnachverfolgung wirksam reduziert werden“, so die Einschätzung von Steffen Jäger.

Der Gemeindetagspräsident versichert dem Ministerpräsidenten in seinem Schreiben die weitere verlässliche Partnerschaft der Kommunen bei der Bekämpfung der Pandemie. „Angesichts der dramatischen Lagebeschreibung aus unseren Städten und Gemeinden hoffe ich jedoch sehr, dass Bund und Länder am Montag einen Weg eröffnen, mit dem sowohl die Gesundheit der Menschen geschützt als auch ein gewisses Maß an gesellschaftlichem Zusammenleben ermöglicht werden kann.“