Bund und Länder haben sich über Finanzierung für ukrainische Geflüchtete geeinigt
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Einigung zu Kosten ukrainischer Geflüchteter: Baden-Württemberg sieht Prüfungsbedarf im Herbst

Bundeskanzler Scholz und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben gestern eine erste Vereinbarung getroffen: Ab dem 1. Juni können Geflüchtete aus der Ukraine Grundsicherung beziehen, die vom Bund übernommen wird. Auch sollen Länder und Kommunen für das Jahr 2022 eine Pauschale von zwei Milliarden Euro vom Bund erhalten. Das Land Baden-Württemberg und seine Kommunen sind sich einig: Das ist ein gutes Signal, muss bei den vielen Unsicherheiten im Bezug auf die aktuellen Flüchtlingsbewegungen jedoch als vorläufig angesehen werden.

Vor sechs Wochen hat der Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen, viele Millionen Menschen sind bereits aus dem Land geflohen. Täglich kommen ukrainische Geflüchtete in Deutschland an.  Nun haben sich Bund und Länder bei einem Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auf einen Fahrplan zur Finanzierung der Unterbringung und zur Integration der Geflüchteten aus der Ukraine verständigt: Ab dem 1. Juni können sie Grundsicherung beziehen. Die Kosten für ihre Grundsicherung trägt der Bund. Außerdem zahlt der Bund Ländern und Kommunen eine Pauschale von zwei Milliarden Euro für die Unterbringung und Integration der Geflüchteten für das Jahr 2022. Ende des Jahres solle es dann erneut ein Treffen geben, um Bilanz zu ziehen und das weitere Vorgehen für das Jahr 2023 zu besprechen.

Es ist nicht absehbar, wie lange der Krieg dauert und wie viele Flüchtlinge noch kommen werden, niemand kann sagen, wie lange der Krieg in der Ukraine dauert. Wir sorgen [mit der gefundenen Einigung] dafür, dass es für die Länder und Kommunen kein Drama wird, dass sie die Aufgaben finanziell schultern können.

Olaf Scholz, Bundeskazler der Bundesrepublik Deutschland

Olaf Scholz über die Finanzierung der ukrainischen Geflüchteten

Hilfebedürftige Geflüchtete aus der Ukraine haben direkt Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach § 24 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes. Analog zu den anerkannten hilfsbedürftigen Asylsuchenden sollen sie in Zukunft ebenfalls Leistungen nach SGB II beziehungsweise SGB XII erhalten. Voraussetzung ist eine Registrierung im Ausländerzentralregister und die Vorlage einer aufgrund der Registrierung ausgestellten Fiktionsbescheinigung oder eines Aufenthaltstitels. Die notwendigen gesetzlichen Anpassungen werden unverzüglich umgesetzt und treten zum 1. Juni 2022 in Kraft.

So setzt sich die zwei Milliarden Euro-Pauschale zusammen

  • Die Kommunen erhalten 500 Millionen Euro für die Unterbringung der Geflüchteten aus der Ukraine
  • Für die bisherige finanzielle Unterstützung der ukrainischen Geflüchteten bei den Lebenshaltungskosten zahlt der Bund ebenfalls 500 Millionen Euro
  • Die Länder erhalten eine Milliarde Euro für bei ihnen angefallene Kosten im Zusammenhang mit den Geflüchteten aus der Ukraine, etwa für die Kinderbetreuung und Beschulung sowie Gesundheits- und Pflegekosten. Die Pauschale wird den Ländern über einen erhöhten Anteil an der Umsatzsteuer zur Verfügung gestellt.

Heute hat sich nun auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu der Einigung zwischen Bund und Ländern geäußert. Er begrüßt die Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Unterbringung und Versorgung ukrainischer Geflüchteter als gutes Signal, betont jedoch auch, dass es noch viele Fragezeichen gebe, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Es sei noch völlig unklar wie viele Geflüchtete aus der Ukraine schlussendlich in Deutschland ankommen würden. Daher müsse die gestrige Vereinbarung bei dem bereits vereinbarten Treffen im Herbst noch einmal überprüft werden.

Jäger: "Bekenntnis zur Mitverantwortung ist ein wichtiges Signal"

Ähnlich äußert sich auch Gemeindetagspräsident Steffen Jäger: „Das Bekenntnis des Bundes zur Mitverantwortung bei der Finanzierung der Unterbringung ist ein wichtiges Signal der gestrigen Beratungen. Die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung der Geflüchteten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die jedoch zum großen Teil auf der kommunalen Ebene bewältigt werden muss. Da wir noch nicht übersehen, was dies auch an finanzieller Belastung bedeutet, kann das Ergebnis tatsächlich nur vorläufig sein. Der nun verabredete Übergang zum Regelkreis des SGB II ist aus Sicht der baden-württembergischen Kommunen nicht zwangsläufig eine Verbesserung, zumal damit ein Systemwechsel mitten in der Krise verbunden ist, der auch zusätzliche Bürokratie auslöst. Eines muss jedoch sichergestellt werden: Die Kommunen in Baden-Württemberg dürfen durch diesen Systemwechsel nicht schlechter gestellt werden."

Nun gilt es, die Umsetzung des gestrigen Beschlusses für Baden-Württemberg zu verabreden. Dabei muss der gemeinsame Schulterschluss zwischen Land und kommunaler Familie weiterhin das Gebot der Stunde sein. Nur leistungsfähige Städte und Gemeinden können den großen Herausforderungen gerecht werden.

Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg

Steffen Jäger über die Einigung zu den ukrainischen Geflüchteten

Registrierung ukrainischer Geflüchteter muss schnell passieren

Bei dem gestrigen Treffen haben Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auch weitere Vereinbarungen bezüglich der ukrainischen Geflüchteten gefunden. So machten sie noch einmal deutlich, dass ein rasches und unkompliziertes Registrieren der Ankommenden von großer Bedeutung sei. Die Registrierung durch die Ausländerbehörden, Erstaufnahmeeinrichtungen, Polizeien oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Ausländerzentralregister müsse spätestens dann erfolgt sein, wenn staatliche Leistungen beantragt werden. Bund und Länder möchten die Registrierung derjenigen, die in Deutschland bleiben, beschleunigen und optimieren. Etwa indem technische Probleme der IT schnellstmöglich behoben werden. Dafür informieren die Länder den Bund über die vorhandenen IT-Kapazitäten zur Registrierung und der Bund beschafft weitere Personalisierungs-Infrastrukturkomponenten (Erfassungsterminals PIK). Der Bund unterstützt die Länder bei der Registrierung personell und materiell.  

Wie werden ukrainische Geflüchtete auf die Städte und Gemeinden verteilt?

Wichtig sei zudem eine zügige und gerechte Verteilung der angekommenen Geflüchteten. Das gelte auch für die Verteilung auf Kommunen in ländlichen Regionen. Die “Fachanwendung zur Registerführung, Erfassung und Erstverteilung zum vorübergehenden Schutz - FREE” solle daher überall zügig eingeführt und optimiert werden. In den Ankunftszentren, Aufnahmeeinrichtungen und Ausländerbehörden können bundesweit von allen Ankommenden Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und weitere personenbezogene Daten erfasst werden. FREE ermöglicht damit bereits vor der Registrierung im Ausländerzentralregister eine individualisierte und nachvollziehbare Verteilung auf die Länder und Kommunen. Die Entscheidung zur Verteilung der Flüchtlinge sollen später nachvollzogen und Doppelanmeldungen und -verteilungen verhindert werden. Verteilt werden die Geflüchteten nach dem Königsteiner Schlüssel. Der Bund ist für die Koordinierung zuständig und informiert die betreffenden Länder über die anstehenden Verteilungen. 

Ukrainische Geflüchtete sollen schnell in Arbeitsplätze vermittelt werden

Die Geflüchteten aus der Ukraine können unmittelbar eine Arbeit in Deutschland aufnehmen. Die Ausländerbehörden erlauben entsprechend dem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern und für Heimat bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die Erwerbstätigkeit ausdrücklich. Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist nicht notwendig. Um eine zügige Vermittlung in Arbeitsplätze zu ermöglichen, die den Qualifikationen der Arbeitssuchenden entsprechen, soll bei nicht-reglementierten Berufen eine Selbsteinschätzung der Geflüchteten aus der Ukraine zu ihren beruflichen Qualifikationen ausreichen. Bei reglementierten Berufen werden sich Bund und Länder für eine schnelle und einheitliche Anerkennung von ukrainischen Berufs- und Bildungsabschlüssen einsetzen.

Herangehensweise bei ukrainischen Geflüchteten mit Behinderungen und Pflegebedarf

Unter den Schutzsuchenden aus der Ukraine befinden sich auch viele Menschen mit Behinderungen und mit Pflegebedarf. Bei der pflegerischen Versorgung wird darauf geachtet, dass die Betroffenen möglichst bei ihren gegebenenfalls mitgeflüchteten Angehörigen beziehungsweise Betreuungspersonal verbleiben können. Um eine gute Versorgung sicherzustellen und die Kommunen möglichst ausgewogen einzubeziehen, wird der Bund die Verteilung der Geflüchteten  über drei bundesweite Drehkreuze - Berlin, Cottbus und Hannover - gut koordinieren. Die Länder koordinieren im Bereich der Behindertenhilfe und Pflege und beziehen dabei die Leitungserbringer ein.

Kinder und Jugendliche sollen schnell Betreuungsangebote bekommen

Scholz und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten begrüßen die Anstrengungen der Kultusministerkonferenz, ukrainische Kinder und Jugendliche schnell in die Schulen und Hochschulen aufzunehmen. Auch der Zugang der Kinder zu Kindertagesbetreuungs-Angeboten soll weiterhin zügig ermöglicht werden. Eine Koordinierungsstelle des Bundes unterstützt die Länder bei der Koordinierung zur Versorgung und dem Schutz von Waisenkindern und ihrer Betreuer.

Ukrainische Geflüchtete sollen schnellstmöglich Impfangebote erhalten

Zur Eindämmung der Corona-Pandemie bekräftigen der Bundeskanzler und die Länderchefs das gemeinsame Bemühen, auch Schutzsuchenden schnelle und einfache Impfangebote zu machen. Informationen über Test- und Impfangebote werden daher auch in ukrainischer Sprache zur Verfügung gestellt.

Die nächsten Treffen zwischen Bund und Ländern stehen fest

Das nächste Koordinierungstreffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten soll spätestens am 2. Juni stattfinden. Bei einem Treffen Anfang November 2022 soll dann unter anderem eine Regelung für das Jahr 2023 vereinbart werden . Beraten wird dann ebenfalls über den Verlauf des Jahres 2022 und vor allem die Entwicklung der Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine beraten und bei einer signifikanten Veränderung der Lage auch für das laufende Jahr ergänzende Regelungen getroffen. Die Bundesregierung sagt zu, einvernehmlich mit den Ländern in diesem Jahr eine Regelung zur Verstetigung der Beteiligung des Bundes an den flüchtlingsbezogenen Kosten sowie den Aufwendungen für Integration der Länder und Kommunen zu finden. Sie soll rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 gelten.