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Wenn das Ehrenamt buchstäblich auf der Strecke bleibt

Weite Arbeitswege gehören für viele Menschen im Ländlichen Raum zum Alltag. Wer auf dem Land lebt, aber in der Stadt arbeitet, ist oft mehrere Stunden am Tag unterwegs. Laut Studien pendelt inzwischen rund ein Viertel der Erwerbstätigen regelmäßig über längere Strecken – Tendenz steigend. Was das mit dem Gemeindeleben macht, zeigt ein aktuelles Forschungsprojekt: Es schwächt das Ehrenamt – und damit das Rückgrat vieler ländlicher Kommunen.

Die Arbeitszeitbefragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und Daten der Bundesagentur für Arbeit belegen: Rund 25 Prozent der Erwerbstätigen pendeln täglich besonders weit oder sind berufsbedingt häufig unterwegs. Besonders betroffen sind Männer, Vollzeitbeschäftigte, Beamte und Hochqualifizierte. Auch Selbstständige sind oft mehrere Tage pro Woche unterwegs.

Gerade im Ländlichen Raum betrifft das viele: Das Haus im Grünen bleibt beliebt, die Arbeit in der Stadt ist oft alternativlos. Doch je mehr Menschen tagsüber abwesend sind, desto schwieriger wird es für die örtliche Feuerwehr, den Bevölkerungsschutz oder soziale Einrichtungen. Denn wer nicht da ist, kann nicht helfen.

Ehrenamt gerät unter Druck

Besonders deutlich zeigt sich das Problem bei der Freiwilligen Feuerwehr. In vielen Dörfern wird es zunehmend schwierig, unter der Woche ausreichend Einsatzkräfte zu stellen – einfach weil die Leute arbeiten. Auch Schulungen, Übungen und spontane Einsätze lassen sich schwer mit einem vollen Pendlerkalender vereinbaren.

Doch das Problem reicht weiter: Auch Vereine, Kirchengemeinden, Tafeln oder Pflegeinitiativen merken, dass Zeit, Verfügbarkeit und Verbindlichkeit sinken – besonders bei Jüngeren, die beruflich stark eingespannt sind.

Regionale Unterschiede – und konkrete Folgen

Betroffen sind vor allem Regionen rund um große Metropolen wie München, Berlin oder Hamburg – aber auch strukturschwächere Räume in Brandenburg, Thüringen oder Sachsen-Anhalt. Dort zeigen Daten besonders hohe Fernpendelquoten. Und gleichzeitig gibt es vielerorts klimabedingte Risiken wie Hochwasser oder Hitzeperioden, bei denen funktionierende Notfallstrukturen entscheidend sind.

Ein Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat daher zwölf besonders betroffene Regionen identifiziert. Die Auswahl berücksichtigt neben Pendelverhalten auch demografische und geografische Faktoren – wie Entfernung zur nächsten Großstadt oder die Gefährdung durch Naturereignisse.

Was Gemeinden jetzt tun können

Die Studie schlägt verschiedene Maßnahmen vor, mit denen Gemeinden gegensteuern können:

  • Flexiblere Modelle für das Ehrenamt, z. B. zeitlich befristete Mitgliedschaften oder digitale Beteiligung.

  • Kooperationen mit Arbeitgebern vor Ort oder in der Region – etwa durch Freistellungen für Einsätze oder Übungen.

  • Frühzeitige Nachwuchsarbeit, z. B. durch Jugendarbeit, Schulprojekte oder Ehrenamtstage.

  • Neues Denken beim Engagement, z. B. durch Projektarbeit oder hybride Beteiligungsformate für Menschen mit wenig Zeit.

Ehrenamtliche Strukturen stabilisieren 

Fernpendeln gehört für viele Menschen im Ländlichen Raum längst zum Alltag. Für Gemeinden bedeutet das: Ehrenamtliche Strukturen müssen stabilisiert und angepasst werden. Wer jetzt handelt, kann verhindern, dass das Rückgrat des Gemeindelebens schleichend ausgedünnt wird – und sichert auch im Katastrophenfall die Einsatzbereitschaft.