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Weite Wege, langes Warten: Träger warnen vor Kliniksterben

Die finanzielle Situation der Krankenhäuser in Baden-Württemberg hat sich dramatisch verschlechtert. Laut der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) fehlen den Kliniken im Jahr 2024 rund 900 Millionen Euro. Träger und Gesundheitsexperten fordern daher eine sofortige Unterstützung von Bund und Land, um ein unkontrolliertes Kliniksterben zu verhindern.

Die finanzielle Lage der Krankenhäuser in Baden-Württemberg ist so angespannt wie noch nie. Laut der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) fehlen den Kliniken im Jahr 2024 rund 900 Millionen Euro. Diese Summe addiert sich zu einem Defizit von 670 Millionen Euro aus dem Vorjahr, was einen Gesamtfehlbetrag von mehr als 1,5 Milliarden Euro bedeutet. Die dramatische Lage betrifft private, freigemeinnützige und öffentliche Kliniken gleichermaßen.

„Die aktuelle wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser ist so schwierig wie noch nie“, betonen der Vorstandsvorsitzende der BWKG, Landrat Heiner Scheffold, der Präsident des Landkreistags, Landrat Joachim Walter, und der Präsident des Städtetags, Dr. Frank Mentrup, in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Sie appellieren an Bund und Land, schnell und nachhaltig für eine finanzielle Entlastung der Kliniken zu sorgen.

Was der Gemeindetag fordert 

Die Träger fordern eine sofortige Erhöhung der Krankenhausvergütung um mindestens vier Prozent, um die Lücke zwischen gestiegenen Kosten und Erlösen zu schließen. Außerdem müsse das Land den gesetzlichen Vorgaben zur Finanzierung der Investitionen gerecht werden und die jährliche Investitionsfinanzierung um mindestens 300 Millionen Euro erhöhen. Ein kurzfristiges Nothilfeprogramm im Volumen von 300 Millionen Euro sei erforderlich, falls von Seiten der Bundesregierung keine schnellen Verbesserungen der Betriebskostenfinanzierung kommen.

„Die stationäre Gesundheitsversorgung ist ein zentrales Element der Daseinsvorsorge und vom Staat zu gewährleisten. Dennoch werden die Land- und Stadtkreise mit stetig wachsenden Defiziten alleingelassen. In den Jahren 2023 und 2024 ist bei den baden-württembergischen Kliniken von einem Fehlbetrag von mehr als 1,5 Milliarden Euro auszugehen. Dies gefährdet die Sicherstellung der medizinischen Versorgung und es gefährdet darüber hinaus auch die kommunale Daseinsvorsorge als Ganzes“, kritisiert Gemeindetagspräsident Steffen Jäger. Trotz der staatlichen Gewährleistungspflicht werde dieses Defizit durch eine ständig steigende Kreisumlage auf die Städte und Gemeinden abgewälzt. Gleichzeitig stiegen auch die Kosten für die Kernaufgaben der Kommunen.

„Die Städte und Gemeinden steuern ohne eigenes Verschulden und mit immer größerer Geschwindigkeit auf die finanzielle Handlungsunfähigkeit zu. Doch Bund und Land verschließen vor dieser Tatsache die Augen. Angesichts eigener knapper Kassen geht es nach dem Prinzip – nicht sehen, nicht zuhören, nicht handeln!“ Wenn die Kommunen als Säulen unserer Demokratie weiter tragfähig sein sollten, dann bräuchte es eine grundlegende Überprüfung des staatlichen Leistungsportfolios, so Jäger weiter. „Dazu gehört auch der Mut, ehrlich zu bekennen, dass die Ausfinanzierung der staatlichen Kernaufgaben dazu führt, dass an anderer Stelle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt werden müssen.“ Zur Erhaltung des Vertrauens der Menschen in die Handlungsfähigkeit unseres Staates sei dies unumgänglich, sagte Jäger.  

Kritik an der Landesregierung

Florian Wahl, Gesundheitsexperte der SPD-Landtagsfraktion, kritisiert die Landesregierung scharf: „Minister Lucha muss den Hilferuf unserer Kliniken hören und die Mittel für eine Soforthilfe des Landes bereitstellen. Denn er selbst ist dafür verantwortlich, dass unsere Krankenhäuser unterfinanziert sind.“ Wahl verweist darauf, dass die Landesregierung jährlich über 300 Millionen Euro zu wenig an die Kliniken zahle, obwohl sie dazu verpflichtet sei.

Wahl weiter: „Auch von einer transparenten und nachvollziehbaren Krankenhausplanung fehlt jede Spur. 2016 und 2021 wurde in den grün-schwarzen Koalitionsverträgen versprochen, die über ein Jahrzehnt alten Pläne zu überarbeiten. Geschehen ist de facto aber gar nichts.“ Er fordert eine vernünftige Finanzierung der Investitionskosten und betont, dass die Krankenhauslandschaft in fünf Jahren nicht mehr so aussehen könne wie heute. „Wenn das Land nicht endlich zu seiner Verantwortung steht, wird ein unkontrolliertes Krankenhaussterben von der Horrorvision zur Realität“, warnt Wahl.

Unterstützung der Kommunen

Die finanzielle Unterstützung der Krankenhäuser durch die Landkreise und Städte ist ebenfalls erschöpft. „Allein in den Jahren 2018 bis 2022 haben baden-württembergische Landkreise ihren Kliniken mit insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen“, erklärt Joachim Walter. Für das Jahr 2024 rechnen die Landkreise mit Unterstützungsbeiträgen in Höhe von 790 Millionen Euro. „Ohne rasche Finanzhilfen droht die Krankenhausversorgung endgültig auf eine abschüssige Bahn zu geraten“, warnt Walter.

Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, ergänzt: „Die stationäre Gesundheitsversorgung ist ein zentrales Element der Daseinsvorsorge und vom Staat zu gewährleisten. Doch Bund und Land verschließen vor dieser Tatsache die Augen. Wenn die Kommunen als Säulen unserer Demokratie weiter tragfähig sein sollen, dann braucht es eine grundlegende Überprüfung des staatlichen Leistungsportfolios.“

Die Träger appellieren eindringlich an die Landesregierung, die finanziellen Mittel bereitzustellen und somit den drohenden Kollaps der Krankenhausversorgung zu verhindern.