
Neues Wahlrecht sorgt für Diskussionen
Die Wahlrechtsreform zur Bundestagswahl 2025 sorgt für hitzige Debatten. Erstmals dürfen einige Wahlkreissieger nicht ins Parlament einziehen, weil ihre Partei nicht genügend Zweitstimmen erhalten hat. Besonders betroffen ist die CDU in Baden-Württemberg, wo sechs Direktkandidaten trotz Wahlsieg kein Mandat erhalten.
Das neue Wahlrecht sieht vor, dass Direktmandate nur dann zu einem Bundestagsmandat führen, wenn die Partei des Kandidaten entsprechend viele Zweitstimmen erhalten hat. Dies soll die Größe des Bundestages auf 630 Abgeordnete begrenzen und Überhang- sowie Ausgleichsmandate vermeiden.
Drei Wahlkreise ganz ohne Vertreterin oder Vertreter
In Baden-Württemberg dürfen sechs CDU-Kandidaten trotz Wahlsiegs nach Erststimmen in ihren Wahlkreisen nicht in den Bundestag einziehen. Zwei von ihnen, Christoph Naser (Tübingen) und Maximilian Mörseburg (Stuttgart II), äußerten sich daher bereits kritisch zum neuen Wahlrecht und fordern eine Reform.
Christoph Naser kritisiert, dass mehrere Wahlkreise nun „verwaist“ seien. Er macht den Vorschlag, künftig die Wahlkreise vergrößern und dadurch ihre Gesamtzahl verringern, um die Anzahl der Bundestagsabgeordneten zu reduzieren. Maximilian Mörseburg bezeichnet die Situation als „unhaltbar“ und fordert, dass jeder Wahlkreis eine direkte Vertretung im Bundestag haben müsse.
Betroffen sind zudem: Alexander Föhr (Heidelberg), Moritz Oppelt (Rhein-Neckar), Stefan Glaser (Lörrach-Müllheim) und Melis Sekmen (Mannheim). Als besonders problematisch wird bewertet, dass drei Wahlkreise – Tübingen, Stuttgart II und Lörrach – gar keine Abgeordneten mehr nach Berlin entsenden, da ihre Direktkandidaten nicht ins Parlament kommen und auch niemand über die Landeslisten nachrückt.
Zweitstimmenergebnis erhält mehr Gewicht
Dass damit manche Städte und Gemeinden künftig keine mit ihrer Region verbundenen Abgeordneten im Bundestag haben, wird auch über die CDU hinaus kritisch gesehen. Allerdings weisen Experten darauf hin, dass dies rein rechtlich nicht zu undemokratischen Verhältnissen führe.
Der Freiburger Politikwissenschaftler Sebastian Jäckle betonte im SWR, dass das nicht undemokratisch sei. „Das Gesetz ist demokratisch legitim erlassen worden und das Resultat im Bundestag entspricht bei den Parteien, die über fünf Prozent kamen, exakt dem Verhältnis bei den Zweitstimmen.“
Experte sieht keine Benachteiligung
„Das Gesamtergebnis benachteiligt keine Partei in Bezug auf die Zweitstimmen", sagte der Politologe. Die CDU in Baden-Württemberg sei deshalb so stark betroffen, weil sie fast alle Wahlkreise bei den Erststimmen gewonnen habe, so Jäckle. Zugleich sei aber ihr Zweitstimmenanteil im Vergleich nicht so hoch. „Eine solche Situation gibt es in dieser Ausprägung sonst in keinem anderen Bundesland.“
Das Bundesverfassungsgericht habe zudem festgestellt, dass Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes seien. Entsprechend gebe es laut Jäckle offiziell keine Wahlkreisrepräsentationspflicht.
Insgesamt konnten bei der Bundestagswahl 2025 23 Kandidatinnen und Kandidaten trotz Gewinns ihres Wahlkreises nicht in den Bundestag einziehen. Neben Personen aus den Reihen der CDU betrifft dies noch Vertreterinnen und Vertreter von AfD, CSU und der SPD.
Die 23 Wahlkreise entsprechen 7,7 Prozent der Wählerschaft (bei 299 Wahlkreisen). Mehr als jeder vierte dieser Wahlkreise liegt in Baden-Württemberg (sechs von 23). Damit haben sechs der 38 baden-württembergischen Wahlkreise keinen direktgewählten Abgeordneten. Knapp acht Prozent - mehr als der ‚Bundesschnitt‘ wenn man so will - haben in den nächsten vier Jahren weder einen Abgeordneten über das Direktmandat, noch über die Liste.
Allein in den beiden Wahlkreisen Lörrach-Müllheim und Tübingen-Hechingen haben über 600.000 Menschen keinen Parlamentarier. Von dieser halben Million Baden-Württemberger wurden 360.000 Erststimmen abgegeben, deren Wählerwille nun nicht vollständig im Bundestag abgebildet sind. In Lörrach-Müllheim lag die Wahlbeteiligung bei 81 Prozent (186.366 gültige Erststimmen bei 229.946 Wahlberechtigten), in Tübingen-Hechingen sogar bei 85,5 Prozent (171.000 gültige Erststimmen bei 199.799 Wahlberechtigten).