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Können kommunale Wärmenetze Rechenzentren anzapfen?

Die Krise fossiler Energieträger lässt andere Energien aufblühen, namentlich die kreative Energie. Der Branchenverband der Digitalwirtschaft, Bitkom, hat kürzlich dazu aufgerufen, vermehrt die durch Rechenzentren freigesetzte Wärme zu nutzen. Das könnten sich auch Kommunen zunutze machen. Die:gemeinde hat das Umweltministerium danach gefragt, wie es den Vorstoß einschätzt und wie die Lage in Baden-Württemberg aussieht.

Bei der Planung ihrer Wärmeversorgung sind Kommunen erfinderisch. Der russisch-ukrainische Krieg und das Klimaschutzgesetz machen geben den Anstrengungen der Städte und Gemeinden zusätzliche Dringlichkeit. Nun hat der Branchenverband der Digitalwirtschaft Bitkom eine weitere Möglichkeit aufgezeigt, mit der sowohl Unternehmen als auch Städte und Gemeinden sich nachhaltig mit Wärme versorgen können. Nämlich dadurch, dass sie die Abwärme von Rechenzentren nutzen. Das geschieht bislang nämlich noch nicht konsequent.

Abwärme von Rechenzentren für kommunale Einrichtungen nutzen

Durch die direkte Anbindung von Rechenzentren an öffentliche und private Fernwärmenetze könnte nicht nur ein direkter Beitrag zur Grundversorgung geleistet werden, sondern auch die Energiebilanz der stark wachsenden Rechenzentrums-Branche selbst deutlich verbessert werden, schreibt der Verband in einer Mitteilung von Ende Juli. In der Praxis werde die anfallende CO2-freie Wärme der Rechenzentren aktuell meist ungenutzt an die Umwelt abgegeben. „Die Abwärme der Rechenzentren kann für die Fernwärmeversorgung von kommunalen Einrichtungen wie Schwimmbädern, für Privatwohnungen und auch Gewerbegebäude eingesetzt werden“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.

Umweltministerium: Bislang keine vollständig umgesetzten Projekte

Mit der Nutzung der Rechenzentrumsabwärme könnten laut Bitkom-Berechungen jährlich rund 350.000 Wohnungen versorgt werden – das entspricht fast dem Bestand im Stadtstaat Bremen. Die Frage drängt sich also auf: Wie groß ist das Potenzial in Baden-Württemberg? Und gibt es bereits Städte und Gemeinden, die das Potenzial von Rechenzentren für ihr eigenes Wärmenetz nutzen? Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg hat das Thema selbst im Blick und fördert den nachhaltigen Betrieb von Rechenzentren. Allerdings sagt das Ministerium auf Anfrage von die:gemeinde, dass es bislang keine vollständig umgesetzten Projekte geben, die eine Integration von Abwärme aus einem oder mehreren Rechenzentren in ein öffentliches Nahwärmenetz beinhalteten.  

HLRS soll Abwärme an angrenzende Stadtteile abgeben

Sprecherin Bettina Jehne verweist allerdings auf einzelne Projekte, bei denen die Abwärme von Rechenzentren bereits betriebsintern zu Heizzwecken genutzt werde. Diese gebe es sowohl seitens des öffentlichen Diensts als auch bei Unternehmen. Und es gibt ein Beispiel aus dem Hochschulsektor, genauer gesagt der Universität Stuttgart: „Bei dem in Planung  befindlichen Höchstleistungsrechenzentrums III der Universität Stuttgart (HLRS III) soll die Abwärme am Campus Vaihingen sowie  gegebenenfalls den angrenzenden Stadtteilen genutzt werden. Das HLRS beheizt seine eigenen Gebäude bereits seit 2012 nahezu vollständig über Wärmepumpen aus Abwärme aus dem Bundeshöchstleistungsrechner“, betont Jehne.

Bislang keine flächendeckende Erfassung der Projekte

Dass die Art der Energiegewinnung noch in den Kinderschuhen steckt, geht aus der Tatsache hervor, dass es bislang noch keine flächendeckende Erfassung der Projekte gibt. Doch Jehne betont, dass im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung grundsätzlich alle verfügbaren Potenziale vor Ort zu analysieren seien. „Sofern vorhanden gehört dazu auch die Abwärme aus Rechenzentren. Im Rahmen der Erstellung eines klimaneutralen Szenarios für die Wärmeversorgung ist dann zu prüfen, ob und wie diese Potenziale tatsächlich genutzt werden können. Dies ist abhängig von einer Vielzahl von Faktoren wie Siedlungsdichte, Nähe der Siedlung und so weiter. Welche Rolle diese Faktoren spielen, ist von jeder Gemeinde individuell zu bewerten“, sagt Bettina Jehne.

Land sieht kommunale Wärmeplanung in Schlüsselrolle

Fest steht für das Umweltministerium schon jetzt, dass bei der Integration von Abwärme industrieller Prozesse oder Rechenzentren in kommunale Wärmenetze der kommunalen Wärmeplanung eine besondere Rolle zukommt (siehe Informationen weiter unten). Allerdings gibt es einen Wermutstropfen. Denn laut Bitkom kommen vor allem mittlere und größere Rechenzentren für die Nutzung in Frage. Das begünstigt die Region Frankfurt/Main, ein internationaler Knotenpunkt mit enormer Ballung an Rechenzentren, und auch Berlin, München oder Hamburg. Baden-Württemberg hinkt da hinterher. Doch Rechenzentren gibt es auch hier. Der Erfindungsreichtum der Kommunen könnte dazu beitragen, Mittel und Wege zu finden, dieses Wärmepotenzial anzuzapfen.

Zusätzliche Informationen zu Förderung und fachlicher Unterstützung:

Falls die Nutzung der Abwärme von Rechenzentren in Städten und Gemeinden in Frage kommt, gibt es verschiedene Fördermöglichkeiten. So zum Beispiel das Programm Klimaschutz Plus. „Um die Aktivitäten im Bereich Abwärme zu unterstützen und Beratungsangebote im Land zu etablieren hat das UM mit dem Kompetenzzentrum Abwärme (www.abwaerme-bw.de) bei der Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz Baden-Württemberg eine zentrale Stelle für alle Belange der industriellen und gewerblichen Abwärmepotenziale geschaffen“, betont Sprecherin Bettina Jehne.

Außerdem verweist sie auf die Unterstützungsangebote der Klima- und Energieagentur Baden-Württemberg. „Zur Unterstützung der Kommunen wurde, analog zur Unternehmensseite, das Kompetenzzentrum Wärmewende (www.kea-bw.de/waerme-wende) bei der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg gegründet. Zusammen unterstützen diese beiden Kompetenzzentren Unternehmen und Kommunen entlang des gesamten Entwicklungs- und Realisierungsprozesses. Auf Rechenzentren als Abwärmequellen für Wärmenetze wird dabei eine besonderes Augenmerk gelegt. Informationen und einen Leitfaden bietet außerdem die Projektseite https://www.nachhaltige-rechenzentren.de