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Koalition plant massiven Ausbau des ÖPNV im ländlichen Raum

Alle Orte in Baden-Württemberg sollen künftig von fünf Uhr morgens bis Mitternacht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein, plant die Landesregierung. Doch nicht nur das: Auch die Taktfrequenz soll spürbar steigen. Neben den regulären Angeboten setzt man Hoffnungen in On-Demand-Angebote und Bürgerbusse. Weitere Impulse setzt das Land in der Parkraumbewirtschaftung und beim Lärmschutz.

Baden-Württemberg soll nach dem Wunsch der Landesregierung noch mobiler werden. Dabei hat die Koalition aber eine bestimmte Form der Mobilität im Auge: die des öffentlichen Nahverkehrs. Dieser soll nicht nur in den Städten, sondern vor allem auch im ländlichen Raum viel stärker zur Geltung kommen. "Wir werden sicherstellen, dass alle Orte in Baden-Württemberg von fünf Uhr früh bis Mitternacht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein werden", kündigen die Koalitionäre an. 

Ausbau des ÖPNV: On-Demand-Angebote und Bürgerbusse sollen in strukturschwachen Regionen helfen

Um das Ziel zu erreichen setze man auf mehr Fahrten und den Ausbau von ÖPNV on demand, also auf Abruf, und Bürgerbusse. "Wir wollen auch die unterfinanzierten Kommunen dabei unterstützen, moderne ÖPNV-Angebote in strukturschwachen Gebieten zu etablieren. Wir setzen die Standortpolitik für die ländlichen Räume fort", so der Koalitionsvertrag.

ÖPNV-Ausbau: Übergeordnetes Ziel ist Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030

Der Wunsch kommt nicht von ungefähr. Übergeordnetes Ziel der Landesregierung ist es, die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2010 zu verdoppeln. "Die Landesregierung wird dieses Ziel auf Landesebene in den kommenden fünf Jahren konsequent verfolgen, die Planungen darauf ausrichten, mit Maßnahmen unterlegen und sich mit zusätzlichen Landesmitteln an der Finanzierung der ÖPNV-Offensive beteiligen", schreiben die Autoren von "Jetzt für morgen". Um das Verdopplungsziel zu erreichen, müsse das Verkehrsangebot in den Verdichtungsräumen genauso wie im Ländlichen Raum konsequent und verlässlich ausgebaut werden.

ÖPNV-Ausbau: Mobilitätsgarantie zwischen 5 und 24 Uhr und günstigere Tickets

In einem Landesnahverkehrsplan will man dazu zentrale Rahmenziele verankern. Bemerkenswert im Koalitionsvertrag ist eine Passage, in der sogar von einer "Garantie für eine verlässliche Bedienung im öffentlichen Nahverkehr" die Rede ist. "Alle Orte (geschlossenen Ortschaften) in Baden-Württemberg werden von fünf Uhr früh bis Mitternacht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein", heißt es im Text.

Zu den gängigen Verkehrszeiten soll demnach im Ballungsraum mindestens ein 15-Minuten-Takt, im Ländlichen Raum ein 30-Minuten-Takt sichergestellt werden. "In einer ersten Stufe soll dieser Takt bis 2026 in den Hauptverkehrszeiten des Berufsverkehrs erreicht sein, zu den übrigen Zeiten jeweils mindestens ein Stundentakt im Ländlichen Raum und in den Ballungsräumen ein 30-Minuten-Takt." Darüber hinaus soll es landesweit günstigere Tickets im Nahverkehr geben, um die Menschen zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen.

Land: Wollen Mobilitätsgarantie im Dialog mit kommunalen Partnern einlösen

Der ÖPNV-Ausbau erhalte durch diese Standards eine zentrale und gewichtige Bedeutung. "Wir wollen diese Mobilitätsgarantie im Dialog mit den kommunalen Partnern einlösen. Wirtschaftlich tragfähig und ökologisch sinnvoll könne das Versprechen aber nur mit flexiblen und nachfragegesteuerten On-Demand-Angeboten realisiert werden, gesteht die Koalition ein. "Hier helfen uns in besonderer Weise digitale Technologien. Den On-Demand-Verkehr wollen wir auf breiter Front fördern. Die Chancen eines automatisierten, fahrerlosen Busverkehrs werden wir mit Pilotprojekten unterstützen. Ehrenamtlich getragene Orts- und Bürgerbusse sieht die Regierung ebenfalls als Säule ihrer Verkehrswende.

Land wirbt beim Bund für LKW-Maut auf Landes- und Kommunalstraßen

In einer guten und intelligenten Straßeninfrastruktur sieht Grün-Schwarz das Rückgrat ihrer Pläne. Gleichzeitig will sie die Auswirkungen des Verkehrs entscheidend reduzieren, um Klima, Umwelt und Menschen effektiv vor Lärm und Schadstoffen zu schützen. Maßnahmen stehen deshalb unter der Prämisse "Sanierung vor Aus- und Neubau". Um diese Sanierungen zu finanzieren wünscht sich das Land ein neues Instrument in Form einer LKW-Maut auf Landes- und Kommunalstraßen, das auf Bundesebene eingeführt werden soll. Wer diese mit mehr als 7,5 Tonnen schweren Brummis befährt, soll künftig zur Kasse gebeten werden. "Sollte sich das nicht realisieren lassen, streben wir in der zweiten Hälfte der Legislatur eine geeignete landesrechtliche Regelung an", so die Autoren. 

Parkraumbewirtschaftung: Parken im öffentlichen Raum soll kostendeckend erfolgen

Für die Kommunen ist in Sachen Mobilität auch das Thema Parkraumbewirtschaftung relevant.  Auch hierzu hat die Landesregierung ihre Vorstellungen. Parken soll im demnach öffentlichen Raum und auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen kostendeckend erfolgen. "Dazu setzt die Landesregierung die dafür vom Bundesgesetzgeber geschaffenen Voraussetzungen landesrechtlich um, den Kommunen bei der Erhebung von Parkgebühren und insbesondere auch bei den Bewohnerparkgebühren einen größeren Handlungsspielraum einzuräumen", heißt es im Koalitionsvertrag.

Land: Lärm ist wichtiges Umweltproblem unserer Gesellschaft

Ein weiterer Schwerpunkt der Verkehrspolitik des Landes bleibt der Lärmschutz. Vor allem kleinere Gemeinden im Schwarzwald werden in der warmen Jahreszeit alljährlich von Motorradfahrern geplagt. Die Initiative Motorradlärm hat dafür das Bewusstsein geschärft. Diese kommunale Initiative will man laut Koalitionsvertrag weiter unterstützen. "Lärm bleibt ein wichtiges Umweltproblem unserer Gesellschaft. Wir wollen eine flächendeckende Begrenzung der Lärmbelastung durch die Verkehrsträger auf ein verträgliches Maß erreichen. Dazu wollen wir mit allen Beteiligten in einen gemeinsamen Dialog auf Augenhöhe eintreten", so der Koalitionsvertrag. So wolle man auf Bundesebene erreichen, dass die Schwellenwerte für gesundheitsschädliche Belastungen überprüft und eine Pflicht zur Lärmsanierung eingeführt wird. 

Land wirbt für lebendige und verkehrsberuhigte Ortsmitten

In diesem Zuge wirbt die Koalition für "lebendige und verkehrsberuhigte Ortsmitten in Gemeinden, Städten, Stadtteilen und Teilorten". Ein entscheidender Faktor auf dem Weg dorthin sind aus Sicht der Regierung die Sicherheit für den Rad- und Fußverkehr und die Barrierefreiheit. "Dafür setzen wir die Mittel zum Städtebau, zur Entwicklung des Ländlichen Raums und des LGVFG [Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Anmerkung Tilman Baur] ein."

Fußverkehrsförderung wird fortgesetzt, Leitbild ist die Stadt der kurzen Wege

Die Fußverkehrsförderung im Land wolle man weiter systematisch fortführen und das erfolgreiche Instrument der Fußverkehrschecks weiterführen. "Dazu werden wir eine Fußverkehrsstrategie entwickeln, die landeseigenen Straßen überprüfen und das Beratungsangebot für Kommunen ausbauen. Unser Ziel sind fuß- und radverkehrsfreundliche Städte und Gemeinden im ganzen Land. Unser Leitbild ist die Stadt der kurzen Wege", so der Koalitionsvertrag.