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Gemeinden bereiten sich intensiv auf extreme Wetterphänomene vor

Der Bund macht viel Geld locker, damit sich Städte und Gemeinden an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen können. Die Kommunen in Baden-Württemberg warten aber nicht erst auf die Segnungen aus Berlin: Wie eine Umfrage von die:gemeinde-Aktuell zeigt, ergreifen sie schon heute zahlreiche Maßnahmen, um auf Hitze und Starkregenereignissen zu begegnen.

Im oberschwäbischen Weingarten zum Beispiel hat die Verwaltung ein ganzes Bündel an Maßnahmen geschnürt. „Anhand der aktuellen Lage auf dem Energiemarkt wird deutlich, wie wichtig es für uns als Kommune ist, vorausschauend zu planen und sich für künftige Herausforderungen aktiv zu wappnen. Dieser Sommer führt uns eindrücklich vor Augen, mit welchen Starkwetterereignissen wir es in den kommenden Jahren zu tun bekommen“, sagt Pressesprecherin Sabine Weisel gegenüber die:gemeinde-Aktuell.

Weingarten weitet Grünbestand aus und entwickelt Grünachsen

Die Stadtverwaltung Weingartens hat bereits vor Jahren den städtischen Grün- und Baumbestand ausgeweitet. Bäume seien das A und O für eine Stadt, sagt Sabine Weisel. „Sie speichern Wasser, geben Feuchtigkeit ab und kühlen auf natürliche Weise ihre Umgebung. Um unsere Grünmasse zu erhalten und auszuweiten, legen wir ein Augenmerk auf die Unterhaltung unserer Grünflächen, unter anderem mit Wasserspeichern, die die Wurzeln über eine Tröpfchenbewässerung mit dem nötigen Wasser versorgen, sowie die Entsiegelung von Flächen. Auch in unserem jüngst verabschiedeten integrierten Stadtentwicklungskonzept liegt auf konzeptioneller Ebene der Fokus auf der Entwicklung von Grünachsen im gesamten Stadtgebiet. Bei Neupflanzungen wird insbesondere darauf geachtet, Arten zu verwenden welche Stadtklima-verträglich sind und in der GALK-Liste stehen“, führt Weisel aus. 

Weingarten: Experimente mit Belägen, die weniger Hitze absorbieren 

Weitere Maßnahmen: Bei Neubauten fordert die Stadt von den Bauherren, dass sie Dächer begrünen. In neuen Quartieren strebe man auch die Begrünung der Fassaden an. In den Liegenschaften ist man darauf bedacht, die Kennwerte kontinuierlich zu verbessern, sowohl was die Gebäudehülle als auch was die Technik anbelangt. Im Straßenbau experimentiert die Stadt mit alternativen Belagmaterialien. Ein Stück der innerörtlichen Landesstraße wurde mit einem besonderen Fahrbahnbelag saniert, welcher durch weiße Zuschlagsstoffe eine sehr helle Oberfläche aufweist und dadurch weniger Hitze absorbiert. Es soll so dem Hitzestau im innerstädtischen Straßenraum entgegengewirkt werden. Die Studien laufen hierzu aktuell noch“, erklärt Sabine Weisel.

Weingarten: Brunnen und Wasserspender im gesamten Stadtgebiet

Die Auswirkungen der zunehmenden Hitzewellen kontert Weingarten mit Brunnen und Wasserspendern mit Trinkwasser, die im gesamten Stadtgebiet aufgestellt sind. Ein Starkregenrisikokonzept sei erst jüngst vom Gemeinderat verabschiedet worden, so Weisel. Bei den Oberflächen achte man bereits jetzt auf sicherungsfähige Beläge wie Drainpflaster. Ein Klimaanpassungskonzept erarbeitet die Stadt derzeit mit umliegenden Kommunen. Ein Bestandteil davon: Klimasensible Räume identifizieren, auf die bei städtebaulichen Maßnahmen Rücksicht genommen wird. 

Heidenheim: Mit Steckbriefen Eigentümer über Starkregen-Risiko informiert

Auch für die Stadt Heidenheim steht die Anpassung an die Folgen des Klimawandels seit vielen Jahren auf der Agenda. „Die Stadt Heidenheim arbeitet seit vielen Jahren in vielen Bereichen daraufhin, den Folgen zunehmender Hitze-Phasen entgegenzuwirken. Auch mit Blick auf Starkregen-Ereignisse sind wir tätig und haben im vergangenen Jahr als Teil des Starkregenrisikomanagements jene Gebäudeeigentümer*innen angeschrieben, die gemäß Risikokarte gefährdet und in Steckbriefen zu den Gebäuden über mögliche Szenarien informiert worden sind“, erklärt Sprecher Stefan Bentele gegenüber die:gemeinde-Aktuell.

Heidenheim entsiegelt Flächen im Sinne des Klimaschutzes

Analog zu den Bemühungen in Weingarten setzt auch Heidenheim seit Jahrzehnten in Bebauungsplänen Begrünungsmaßnahmen fest, sowohl für den öffentlichen Raum als auch für private Baugrundstücke.  „Im Sinne der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes entsiegeln wir Flächen. Außerdem achten wir darauf, dass bei Straßenbauprojekten mehr Bäume als zuvor gepflanzt werden und seit nunmehr 20 Jahren renaturieren wir die Brenz, demnächst im Bereich der DHBW“, führt Bentele aus. 

Rutesheim sorgt für Grün und für Entsiegelung

Rutesheim sorgt für mehr Grün und für Entsiegelung, sagt Bürgermeisterin Susanne Widmaier gegenüber die:gemeinde-Aktuell. So habe man den Schotter der Verkehrsinseln entfernt und bepflanzt, große Kübelpflanzen auf dem Rathausplatz angebracht und baue im kommenden Jahr einen Trinkbrunnen in der Innenstadt, um nur einen Ausschnitt der Maßnahmen zu nennen, die die jenseits ihrer ehrgeizigen Wärmeplanung ergriffen hat. Außerdem gilt auch in Rutesheim, dass jedes Flachdach begrünt werden muss. 

Susanne Widmaier: Bürger können selbst viel tun 

Und der Starkregen? „Wir lassen mit finanzieller Förderung eine Starkregenrisikoanalyse für Rutesheim machen, haben aber im Frühjahr auch schon mit einem Ingenieurbüro eine Infoveranstaltung für interessierte Bürger gemacht, in der diese informiert werden, was sie selbst tun können, um sich zu schützen. Wir stellen nämlich fest, dass immer gleich die Frage kommt, was macht die Stadt oder der Vorwurf, dass die Kanalisation nicht ausreichend dimensioniert sei“, sagt Widmaier. Das sei aber nicht der Fall. Nun zeige man den Menschen auf, was sie selbst tun können. Eine Rückstauklappe einbauen zum Beispiel oder andere bauliche Veränderungen vornehmen. „Aus meiner Sicht ist genau diese Unterscheidung sehr wichtig, um nicht eine Erwartungshaltung der Bevölkerung zu schüren, die wir nicht erfüllen können“, betont die Bürgermeisterin.

Info zum Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“

Bundesbauministerin Klara Geywitz hat in der vergangenen Woche in Potsdam das Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ vorgestellt. Bis zum 15. Oktober 2022 können Städte und Gemeinden ihre Projekte beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung einreichen. Gefördert werden Maßnahmen, um öffentliche Park- und Grünanlagen klimaresilient zu machen, Stadtflächen zu entsiegeln und zu begrünen. Naturbasierte Lösungen zur Treibhausgasminderung sowie zur Temperatur- oder Wasserregulierung als Hitze- und Überflutungsvorsorge zählen dazu.