Geld für Integrationsmanagement nur noch an Stadt- und Landkreise?
Im Namen des gesamten Gemeinderats der Stadt Neckarbischofsheim schickte Bürgermeister Thomas Seidelmann einen Offenen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Innenminister Thomas Strobl, Justizministerin Marion Gentges, Finanzminister Danyal Bayaz sowie die Vertreterinnen und Vertreter des Rhein-Neckar-Kreises in Bundestag und Landtag.
Funktionierendes Integrationsmanagement des GVV Waibstadt in Gefahr
Grund sind Veränderungen in der Förderung von Integrationsarbeit. Seidelmann weist darauf hin, dass der Gemeindeverwaltungsverband Waibstadt, dem Neckarbischofsheim angehört, über die Jahre ein gut funktionierendes Integrationsmanagement aufbauen konnte. „Die betroffenen Menschen in unseren Gemeinden erhalten hier kompetente und konkrete Hilfen auf ihre Fragen und Nöte“, schreibt der Bürgermeister. Das Integrationsmanagement des GVV Waibstadt ist seit Sommer 2018 mit 1,5 Stellen besetzt, deren Gehälter bisher nahezu vollständig mit Landesfördermitteln gedeckt werden konnten.
Gemeinden können Mittel aus Förderprogramm Integrationsmanagement nicht mehr beantragen
Durch Veränderungen in der Landesförderung seien die Mittel für diese Stellen nun gefährdet. Denn: Mittel aus dem Förderprogramm Integrationsmanagement können - anders als in den Vorjahren - nur noch die Stadt- und Landkreise beantragen. Im Falle von Neckarbischofsheim und dem GVV Waibstadt wäre das der Rhein-Neckar-Kreis. Die Kreise können dann Teile der Mittel auf ihre kreisangehörigen Städte und Gemeinden verteilen. Dies führe bei den kreisangehörigen Städten und Gemeinden jedoch zu einem zusätzlichen bürokratischen Aufwand, der von den Integrationsmanagerinnen und Integrationsmanagern übernommen würde. „Daraus resultiert im Endeffekt eine Kürzung der zur Verfügung stehenden Stunden für die Integrationshilfe für unsere Gemeinden“, kritisiert Thomas Seidelmann. Auch die Fördersumme sei für die GVV Waibstadt konkret um 57,27 Prozent gesunken.
Unverständnis für die Änderung nach den Vorfällen der letzten Monate
Der Bürgermeister drückt in dem Offenen Brief ein besonderes Unverständnis ob der aktuellen Lage aus: „Es ist gerade einmal zwei Monate her, da wurde ein aus Neckarbischofsheim stammender Polizist von einem offenbar schlecht integrierten Menschen getötet. Sie beide, Herr Minister Strobl und Frau Ministerin Gentges, waren mit fast allen Vertretern in Bundes- und Landtag aus unserem Kreis zum Gedenken in Neckarbischofsheim. Und eine Woche später, Herr Ministerpräsident Kretschmann, haben Sie sichtlich betroffen zugehört, als ich den Brief der Eltern des Ermordeten bei der Trauerfeier in Mannheim verlas.“ In der Folge habe es Beteuerungen geben, man werde etwas an der Integrationspolitik verändern.
Neue Förderrichtlinie ist für Gemeinderat und Bürgermeister ein Skandal
„Für meinen Gemeinderat und mich ist es deshalb ein Skandal, dass Sie jetzt genau dort die Axt ansetzen, wo gelingende Integration vor Ort gemacht wird. Sprachkurse werden zurückgefahren, Geld für die Integrationsarbeit gekappt“, sagt Thomas Seidelmann. „Wir leisten in den Kommunen für das Land und den Bund eine so wichtige Arbeit. Wie können Sie die Städte und Gemeinden, die ja nach Ihrer eigenen Aussage die Orte der Wahrheit sind, so im Stich lassen und der Integration einen derartigen Bärendienst erweisen?“
Neckarbischofsheim wird Mehrkosten von 16.000 Euro jährlich selbst tragen
Thomas Seidelmann wirft der Landesregierung vor, dass sie durch die für Städte und Gemeinden nachteilige Veränderung des Förderprogramms die Erosion des Vertrauens in die Politik weiter befeuern. In Neckarbischofsheim habe man sich im Gemeinderat nun dazu entschieden, die Differenz zwischen früherer und künftiger Fördersumme aus dem eigenen Haushalt zu übernehmen. Für den GVV Waibstadt sind das 75.000 Euro von denen 16.000 Euro auf Neckarbischofsheim entfallen. „Für eine Ausgleichsstockgemeinde, die auch ein großer Schulträger ist und entsprechend hohe Kosten zu stemmen hat, ist das wahrlich keine einfache Aufgabe“, gibt der Bürgermeister zu bedenken. „Es ist für uns vor Ort sehr viel Geld. Doch wir nehmen es in die Hand, weil die Menschen uns einfach wichtig sind.“ Thomas Seidelmann und der Gemeinderat der Stadt Neckarbischofsheim hoffen nun auf ein Gesprächsangebot seitens der Landesregierung und auf eine Überarbeitung der Förderrichtlinie für die Förderung des Integrationsmanagements.
Sozialministerium: Gesamtsumme bleibt gleich, aber Verteilung verändert sich
Auf Anfrage des SWR hatte das Sozialministerium darauf hingewiesen, die Gesamtsumme für die Integrationsarbeit für Geflüchtete sei nicht gekürzt worden. Geändert habe sich dagegen tatsächlich, dass die Fördermittel nur noch an die Stadt- und Landkreise verteilt würden. Zudem sei die Fördersumme an die Menge an Geflüchteten geknüpft, die ein Landkreis aufnehme. Da der Rhein-Neckar-Kreis zuletzt weniger Geflüchtete aufgenommen habe als andere Landkreise, seien auch die Fördermittel für den Kreis geringer ausgefallen.
Fördersummen aus dem Förderprogramm Integrationsmanagement
Die eingeplante Fördersumme aus dem Förderprogramm Integrationsmanagement liegt seit Einführung des Programms 2017 bei 58 Millionen Euro jährlich. Anpassungen aufgrund von Inflationsbereinigung oder verändertem Bedarf hat es über die Jahre nicht gegeben. Für das Jahr 2025 sind laut Angaben des Sozialministeriums nun "mindestens 40 Millionen Euro" für die Fortführung des Integrationsmanagements eingeplant.