Die ersten Bezahlkarten nach bundesweitem Modell wurden nun in Baden-Württemberg ausgegeben
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Erste Bezahlkarten in Eggenstein-Leopoldshafen ausgegeben

Die ersten Bezahlkarten nach bundesweitem Modell wurden in dieser Woche an Asylbewerberinnen und Asylbewerber der Erstaufnahmeeinrichtung in Eggenstein-Leopoldshafen ausgegeben. Was mit den Bezahlkarten möglich ist und was sie erzielen sollen.

Vor gut einem Jahr haben die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz entschieden, dass es eine bundeseinheitliche Bezahlkarte für Asylsuchende in Deutschland geben soll. In Baden-Württemberg wurden heute die ersten Karten aus diesem System an Geflüchtete in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eggenstein-Leopoldshafen vergeben.

Nachdem am 25. September 2024 der Zuschlag an den Zahlungsdienstleister secupay erteilt wurde, tätigte das Regierungspräsidium Karlsruhe für das Land Baden-Württemberg den ersten Abruf von Bezahlkarten und konnte nun die ersten Karten austeilen. Nachdem die Bezahlkarte nun in Eggenstein-Leopoldshafen ausgeteilt wurde, soll sie laut Justizministerium ab Januar schrittweise bei den unteren Aufnahmebehörden in den Landratsämtern und Bürgermeisterämtern der Stadtkreise eingeführt werden.

Was ist die Bezahlkarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber?

Die Bezahlkarte für Asylsuchende ist eine guthabenbasierte Visa-Debitkarte, die Asylsuchenden statt Bargeld zur Verfügung gestellt werden kann. Die Mittel, die auf die Bezahlkarte geladen werden können, sind die, die Asylbewerberinnen und Asylbewerbern zur Deckung des Lebensunterhalts nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zustehen. Abzüglich der Leistungen, die sie etwa in Erstaufnahmeeinrichtungen als Sachleistung erhalten.


Einige Kommunen haben eigene Bezahlkarten eingeführt, schon bevor eine bundesweite Lösung auf den Weg gebracht wurde. So etwa einige Landkreise in Thüringen. Seit dem 16. Mai 2024 hat die Bezahlkarte durch eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes eine bundesweit einheitliche Rechtsgrundlage. Die genaue Ausgestaltung der Bezahlkarte unterliegt den Bundesländern. Alle Bundesländer – abgesehen von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern –, haben sich auf eine gemeinsame Umsetzung verständigt.

Was ist mit den baden-württembergischen Bezahlkarten möglich?

Die baden-württembergischen Bezahlkarten können in allen Geschäften und bei Online-Händlern verwendet werden, die Visa-Karten akzeptieren. Bei Kassen verschiedener Geschäfte – darunter Aldi, dm, Müller, Rossmann und Netto – kann zudem kostenlos Bargeld abgehoben werden. Bei Abhebungen an Geldautomaten werden dagegen Gebühren von jeweils 65 Cent fällig.

Die Bargeldabhebung ist auf 50 Euro pro Person und Monat beschränkt. Erziehungsberechtigte können für Minderjährige in ihrer Obhut zusätzlich Geld abheben. Damit soll es den Asylbewerberinnen und Asylbewerben unter anderem ermöglicht werden bei Tafeln, auf Flohmärkten und an anderen Stellen einzukaufen, die keine Visa-Kartenzahlung ermöglichen. In begründeten Einzelfällen können auch höhere Abhebungen erlaubt werden.

Laut Erlass des Justizministeriums erlauben die Karten zudem Überweisungen an beziehungsweise Lastschriften zugunsten von IBAN. Wichtig ist das unter anderem für Mietzahlungen, Haushaltsenergie oder ÖPNV-Abos. IBAN von Konten der Leistungsberechtigten und Konten von Bekannten oder Familienangehörigen können laut Ministerium ausgeschlossen werden.

Welche Leistungen erhalten Asylbewerberinnen und Asylbewerber monatlich?

Die Höhe der Leistungssätze nach dem AsylbLG wird entsprechend der jährlichen Fortschreibung der Regelbedarfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angepasst. Die Leistungen setzen sich aus denen für den sogenannten notwendigen Bedarf und denen für den notwendigen persönlichen Bedarf zusammen. Der notwendige Bedarf umfasst Unterkunft, Ernährung und Kleidung. Dieser wird in den meisten Fällen über Sachleistungen gedeckt. Der notwendige persönliche Bedarf umfasst alles darüber hinaus. So zum Beispiel die Nutzung von Verkehrsmitteln, die Beschaffung von Informationen, Bildung, Kultur, Handykarten, persönliche Hygieneartikel und vieles mehr. In den meisten Fällen sind es nur die Mittel für den notwendigen persönlichen Bedarf, die den Asylbewerberinnen und Asylbewerbern ausgezahlt werden.


So sahen die Leistungssätze im Jahr 2024 aus:

Leistungssätze für das Jahr 2024 nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (c)Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Leistungssätze für das Jahr 2024 nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (c)Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Pro und Contra - Was bringt die Bezahlkarte?

Stadt- und Landkreise, die auf eigene Faust eine Bezahlkarte eingeführt haben – dazu gehört etwa der Ortenaukreis –, sollen ebenfalls auf die bundeseinheitliche Bezahlkarte umgestellt werden. Der Ortenaukreis hat Anfang des Jahres eine eigene Bezahlkarte eingeführt. Insgesamt wurden dort bisher 800 Bezahlkarten ausgegeben. Die Bezahlkarte im Ortenaukreis ermöglicht im Gegensatz zur bundesweiten Lösung keine Überweisungen und hat keine Begrenzung der Bargeldauszahlung. Der Kreis spricht gegenüber der Deutschen Presse-Agentur von durchweg positiven Erfahrungen mit der eigenen Bezahlkarte. Die Verwaltungsvorgänge seinen dadurch vereinfacht und digitaler geworden. Zudem habe sich die Sicherheit für die Behörde erhöht, da sie kein Bargeld für die Auszahlung mehr vorhalten müsse.

Laut der Befürworter soll die Bezahlkarte aber nicht nur Verwaltungsaufwände verringern, sondern auch die Möglichkeit einschränken, Geld an Schleuser oder Familien in den Heimatländern abzugeben. Von ihren Kritikern wird die Bezahlkarte als populistisches Instrument bezeichnet. Zum einen seien die Mittel ohnehin so bemessen, dass sie vollumfänglich für den persönlichen Bedarf aufgebraucht würden. Zum anderen sei eine Weitergabe der Mittel durch die Möglichkeit der Bargeldabhebung weiterhin theoretisch möglich.

Besonders das Ziel, durch die Bezahlkarte den Anreiz zu mindern, nach Deutschland zu fliehen, steht bei vielen Expertinnen und Experten in der Kritik. So wies auch der Bürgermeister Ostelsheims, Ryyan Alshebl, der selbst 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohen ist, darauf hin, dass diese Vorstellung naiv sei. „Die Leute, die zu uns kommen, die sind vor Armut oder Bürgerkrieg geflohen“, sagt er gegenüber dem SWR. „Die werden das mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, aber trotzdem kommen.“