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CDO von Offenburg: Kommunen müssen Digitalisierung als Investition betrachten

Eine digitale Fachtagung in Kehl brachte Wissenschaft und kommunale Praxis zusammen. Die Teilnehmer diskutierten über eine Reihe von Themen, von der Beschaffung von Software über Datenschutz bis hin zu der übergeordneten Frage, wie Digitalisierung die Arbeit in den Rathäusern verändert.

„Digitalisierung muss von der Bürger*innensicht aus gedacht werden. Sie muss dem*der Nutzer*in einen Mehrwert liefern, indem sie gut und logisch aufgebaut und designt ist, sonst wird sie nicht genutzt und hat damit keinen Sinn.“ Dieser Aussage von Eduard Itrich, dem ehemaligen Chief Digital Officer (CDO) der Stadt Bühl würden wohl nicht nur die meisten Bürgerinnen und Bürger intuitiv zustimmen, sondern auch die Beschäftigten der Verwaltungen. Prozesse medienbruchfrei Ende-zu-Ende zu digitalisieren kann die internen Abläufe in den Behörden erleichtern, entfaltet den größten Mehrwert aber wohl in den Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger.

Digitalisierung verändert das Gesicht der Verwaltung 

Itrich war einer der Redner der zweitägigen Fachtagung "Digitale Verwaltung", die die Hochschule Kehl in der vorvergangenen Woche durchgeführt hat. Digitalisierung sei keine Überzeugung, sondern ein Hilfsmittel, das es erlaube, serviceorientierter zu arbeiten. Doch wie verändert sich die Verwaltung selbst, wenn sie ihre Prozesse konsequent digitalisiert, also so gestaltet, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen im Idealfall von überall aus per Smartphone abwickeln können? Die Kommune verliere künftig zumindest als Ort der Leistungserbringung an Bedeutung, glaubt Steffen Jäger, Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg - zumindest dann, wenn der Service stimmig sei. 

Steffen Jäger: Digitalisierung ist mehr als eine beschreibbare PDF

Jedoch erfordere die demokratische Ordnung es aber, Ansprechpartner vor Ort zur Verfügung zu stellen, so zum Beispiel bei der Eheschließung. „Digitalisierung ist weit mehr als nur eine beschreibbare PDF. Eine gute gemachte Digitalisierung läuft von Anfang bis Ende digital durch, wie wir es beispielsweise schon von der Steuererklärung her kennen“, so Steffen Jäger. Wie die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden seit einigen Monaten beweist, erfordert selbst die Eheschließung nicht mehr unbedingt die physische Präsenz der Eheleute im Standesamt. Zumindest die Anmeldung zur Ehe kann dort per Videoidentifikation durchgeführt werden, was den künftigen Eheleuten viel Zeit und Stress erspart - und den Standesbeamten auch, weil die Anmeldung von einem externen Dienstleister durchgeführt wird. 

Fachtagung mit Impulsen aus Wissenschaft und kommunaler Praxis

Im Rahmen der Fachtagung beleuchteten die Teilnehmer aus Wissenschaft und kommunaler Praxis die Digitalisierung auf kommunaler Ebene unter technischen, organisatorischen und rechtlichen Gesichtspunkten. Im Vordergrund standen Chancen und Umsetzungswege, aber auch über die Herausforderungen der Digitalisierung. Eine Querschnittsstudie zeigte den Stand der Digitalisierung in den Kommunen im Südwesten, dazu gab es Einblicke darin, wie Städte und Gemeinden, konkret Bad Schönborn und Kehl, Digitalisierungsprojekte umsetzen.

Digitalisierung muss Aufgaben im Sinne des Gemeinwohls wahrnehmen 

Für Marc Müller-Stoffels, CDO der Stadt Offenburg, besteht die Aufgabe der öffentlichen Verwaltung auch darin, die Digitalisierung in ihren Häusern zu gestalten und nicht die der freien Wirtschaft, da nur so die öffentlichen Aufgaben im Sinne des Gemeinwohl erfüllt werden können. Müller-Stoffels ging außerdem auf die Themen Datenschutz, Softwareausstattung, Geld, Wissen und Personal ein - und auf die Tatsache, dass der Mangel an Letzterem nicht selten als Ausrede dafür dient, Digitalisierungsprojekte nicht anzugehen. 

Digitalisierung als Chance, dem demografischen Wandel zu begegnen

„Neben dem Return on Investment, den die Digitalisierung für eine Kommune bringt, bietet sie auch die Chance, dem demografischen Wandel zu begegnen. Verwaltung muss funktionsfähig bleiben und das schaffen wir in Zukunft nur, wenn Prozesse digitalisiert worden sind und sich die wenigen Menschen, die dann noch in einer Verwaltung sind, mit den komplexeren Aufgaben auseinandersetzen“, sagte Müller-Stoffels.

Zentraler Cloudmarktplatz, auf dem Kommunen Dienstleistungen buchen

Zur Frage der (teuren) Softwareausstattung äußerte sich Matthias Harbuch, freiberuflicher Berater und Dozent im Bereich Innovationsmanagement. Damit nicht jede kleine Kommune das Rad neu erfinden müsse, seien zentrale Softwareservices angebracht, zum Beispiel mittels eines zentralen Cloudmarktplatzes, auf dem Kommunen Dienstleistungen buchen können, so Harbuch.