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Angespannte Haushaltslage: Kommunen suchen Einnahmequellen

Laut der aktuellen Kommunenstudie der Wirtschaftsprüfergesellschaft EY plant eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent der Städte und Gemeinden in Deutschland, angesichts der prekären Haushaltslage Steuern und Abgaben zu erhöhen. die:gemeinde-Aktuell fasst die wichtigsten Ergebnisse der Studie mit besonderem Fokus auf Baden-Württemberg zusammen.

„Die Corona-Krise führt bei den deutschen Kommunen weiterhin zu herben Einnahmeverlusten und – trotz erheblicher finanzieller Unterstützung von Seiten des Bundes und der Länder – zu einer sehr angespannten Haushaltslage.“ Das ist die Essenz der aktuellen Kommunenstudie, die die Planungs- und Beratungsgesellschaft EY in der vergangenen Woche veröffentlicht hat. Dabei wurden 300 deutsche Kommunen mit mindestens 20.000 Einwohnern nach ihrer Haushaltslage befragt. Demnach rechnen viele Kommunen mit einer steigenden Verschuldung in den kommenden Jahren: 40 Prozent der befragten Gemeinden in den alten Bundesländern gehen davon aus. 

Einige Kommunen planen, Steuern und Abgaben zu erhöhen

Ihre prekäre Haushaltslage zwingt die Kommunen zu unpopulären Maßnahmen. So planen 26 Prozent der Städte und Gemeinden, im laufenden und im folgenden Jahr kommunale Leistungen einzuschränken. Im Vorjahr waren es 23 Prozent. 70 Prozent haben vor, Steuern und Gebühren zu erhöhen, ein Anstieg um sechs Prozent gegenüber dem Jahr zuvor. Oben auf der Agenda der Gebühren stehen die Wasserversorgung und die Müllabfuhr, es folgen Straßenreinigungs-, Friedhofs- und Parkgebühren. 32 Prozent der Kommunen wollen die Grundsteuer anheben, 29 Prozent die Gewerbesteuer.

Nur wenige Kommunen planen Leistungsstreichungen

Nur 26 Prozent der Städte und Gemeinden beabsichtigen, im kommenden Jahr das kommunale Angebot einzuschränken. Im Vorjahr waren es 23 Prozent. Der Leiter des Bereichs Governance & Public Sector bei EY, Mattias Schneider, kommentierte: „Viele Kommunen haben ihre freiwilligen Leistungen bereits stark reduziert, so dass an dieser Stelle kaum noch Einsparpotenziale bestehen. Besonders in strukturschwachen Gegenden bieten viele Kommunen inzwischen wenige Leistungen, die über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus gehen.“ Wenn Leistungen gestrichen würden, sei am häufigsten das kommunale Schwimmbad betroffen. 16 Prozent der befragten Städte und Gemeinden planten die Schließung oder einen eingeschränkten Betrieb. In 13 Prozent soll an der Straßenbeleuchtung gespart werden, jede neunte Kommune will Bibliotheken oder sonstige kulturelle Einrichtungen schließen.

So sehen Baden-Württembergs Kommunen die Lage im gesamtdeutschen Vergleich

Wie schätzen die befragten Städte und Gemeinden aus Baden-Württemberg nun die Lage im Vergleich zu ihren Pendants in den anderen Bundesländern ein? Dieser Frage geht die:gemeinde aktuell nach. Hier die Ergebnisse:

  • Haushaltsüberschuss: Auf die Frage, ob die Kämmerer für das Jahr 2022 mit einem Haushaltsüberschuss rechnen, antworteten 14 Prozent mit „Ja“. 16 Prozent rechnen mit einem ausgeglichenen Haushalt, während 70 Prozent der Befragten mit einem Defizit rechnen. Damit sind die Südwest-Kommunen vergleichsweise skeptisch: In Bayern, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz rechnen mehr Kommunen mit einem Überschuss. Berücksichtigt wurden allerdings nur Bundesländer, in denen Antworten von mindestens neun Kommunen vorlagen, der Vergleich ist also nicht sehr aussagekräftig.
  • Schuldenanstieg oder Schuldenrückgang? Deutlich positiver sind die Kämmerer in Baden-Württemberg bei der Einschätzung der Schuldenentwicklung gestimmt. So rechnen 42 Prozent mit einem Rückgang der Schulden, 35 Prozent mit keiner Veränderung und 23 Prozent mit einem Anstieg. Nach Sachsen (44 Prozent) handelt es sich damit um den zweithöchsten Wert; im Bundesdurchschnitt rechnen 26 Prozent mit einem Rückgang. Besonders skeptisch sind die hessischen Kämmerer: Nur 15 Prozent von ihnen rechnen mit einem Schuldenrückgang.
  • Geplante Leistungskürzungen
    Hier liegt der Südwesten im Mittelfeld. 47 Prozent - und damit 21 Prozent mehr als im Vorjahr - gaben an, im kommenden Jahr Leistungen kürzen zu wollen. In Nordrhein-Westfalen planen das sogar 64 Prozent der Kommunen, in Thüringen wiederum nur 33 Prozent und damit sogar weniger als in diesem Jahr.
  • Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer
    Auch in dieser Hinsicht liegen die Städte und Gemeinden Baden-Württembergs im Mittelfeld. 35 Prozent der Kommunen gaben an, eine der beiden oder beide Steuern erhöhen zu wollen. Brandenburg (42 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (39) sind Spitzenreiter, in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein planen dagegen nur sehr wenige Kommunen Erhöhungen (11 und 9 Prozent). Gar keine Steuererhöhungen sind in den Kommunen von Thüringen und Sachsen geplant.
  • Anteil der Kommunen, die Sparziele definiert haben
    67 Prozent der befragten Kommunen in Baden-Württemberg haben Einsparziele definiert. Das liegt im bundesdeutschen Durchschnitt (65 Prozent). Besonders viele Kommunen haben in Sachsen (89 Prozent) und in Brandenburg (83 Prozent) konkrete Sparziele definiert, am wenigsten haben das in Hessen (56) und in Niedersachsen (54) gemacht.
  • Finanzierungsüberschuss 2021
    Kommunen in Baden-Württemberg hatten im Jahr 2021 den mit Abstand größten Finanzierungsüberschuss im Bundesvergleich. Er betrug 2,1 Milliarden Euro und damit eine Milliarde mehr als jener der Kommunen in Rheinland-Pfalz, die mit 1,1 Milliarden Euro den zweithöchsten Finanzierungsüberschuss verbuchen. Das höchste Defizit verzeichnen Kommunen in Niedersachsen (-432 Millionen Euro).