So sollten sich Kommunen bei Windkraftanlagen-Projekten positionieren
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Wie gehen Kommunen am besten mit möglichen Windenergie-Projekten um?

16. Oktober 2023
Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden gesetzlichen Vorgaben wie das Wind-an-Land-Gesetz stellen Kommunen vor zahlreiche offene Fragen. Die Regionalplanung will neue Windenergie-Flächen ausweisen, Projektiererinnen und Projektierer klopfen an und wollen Flächen bei der Kommune oder privaten Eigentümerinnen und Eigentümern anpachten, Energiegenossenschaften verlangen Beteiligungsmöglichkeiten und nicht selten ändert sich plötzlich auch die politische Stimmung im Gemeinderat. Vorschnelles Handeln wäre in der jetzigen Situation der falsche Schritt, sagt unser Gastautor Rolf Pfeifer.

Doch warum ist das so? Vorschnelles Handeln wäre ein Fehler, denn wenn ein Windpark gebaut wird, bedeutet dies für die Gemeinde, …

… dass in den nächsten vier bis fünf Jahren ein Projekt entstehen könnte, das ein Investitionsvolumen von circa zehn Millionen Euro pro Windrad auslöst.

… dass diese Investitionen einen langfristigen Wertschöpfungseffekt auslösen, der – wenn intelligent genutzt – viel Geld in die Gemeindekassen spülen kann.

… dass pro Windrad Pachtzahlungen in enormer Höhe fällig werden und der damit zusammenhängende Neidfaktor den örtlichen Dorffrieden gefährdet.

… dass das Landschaftsbild auf Jahrzehnte hinweg beeinträchtigt sein kann.

… dass große Mengen Strom erzeugt werden, die künftig lokal und regional genutzt werden können.

… dass aktiver Klimaschutz betrieben wird und pro Windrad 6.000 bis 9.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Regionalplanung, Potenzialflächen und kommunale Handlungsmöglichkeit.

Um das 2-Prozent-Flächenziel (in Baden-Württemberg 1,8 Prozent) einzuhalten, weisen die Regionalverbände aktuell neue Wind-Potenzialflächen aus. Geeignete und politisch gewollte Potenzialflächen sollen bis 2025 zu Wind-Vorranggebieten werden. So planen es das Land und die Planungsträger. Dieser vorläufige Plan soll im nächsten Jahr in die Offenlage, weshalb die Kommunen zurzeit an der Ausweisung dieser Vorranggebiete nach dem Gegenstromprinzip beteiligt werden. Viele Kommunen haben diese Flächenvorschläge bereits erhalten. Wie sollten Sie sich hierzu am besten verhalten? 

  1. Bewerten Sie die Flächenvorschläge zunächst nach Ihren individuellen, kommunalen Kriterien. Welche Flächen treffen auf die höchste Akzeptanz? Wo gäbe es viele Bürgerproteste? Liegen Potenzialgebiete im eigenen Wald oder auf eigenen Flurstücken?
  2. Suchen Sie unabhängigen Rat: Gehen Sie auf die KEA-BW oder einen erfahrenen unabhängigen Beratungsdienstleister zu, der die vorliegenden Flächen auf technisch-wirtschaftliche Umsetzbarkeit beurteilen kann. Wenn Sie auf einen Investor beziehungsweise eine Investorin oder einen Projektierer beziehungsweise eine Projektiererin zugehen, beachten Sie bitte, dass diese Akteure ein wirtschaftliches Eigeninteresse haben. Lassen Sie sich auf keine vertraglichen Vereinbarungen ein.
  3. Haben Sie Potenzialflächen, die Sie positiv an den Regionalverband zurückmelden wollen und die überwiegend im Privatbesitz sind (meist Offenlandflächen), dann informieren Sie unbedingt alle in diesem Gebiet liegenden Eigentümerinnen und Eigentümer, keine Verträge voreilig zu unterzeichnen. Dies schränkt Ihre kommunalen Einflussmöglichkeiten erheblich ein. Sicherung der kommunalen Einflussmöglichkeiten

Wie bei jedem Infrastrukturprojekt gilt auch bei der Windkraft: Wer Zugriff auf die Flächen hat, steuert auch das Projekt. Wollen Sie als Kommune später bestimmen, wer an den Wertschöpfungseffekten wie beteiligt werden soll, was künftig mit dem grünen Strom passiert, wie weit die Anlagen tatsächlich vom nächsten Wohngebiet entfernt stehen sollen, dann sichern Sie sich die Flächen.

Die drei Fallkonstellationen des Flächeneigentums

Stellen Sie sich zunächst folgende Fragen:

  1. Liegt die Fläche im Offenland oder im Wald?
  2. Wie stark parzelliert ist der Flächenbesitz in diesem Vorrang- oder Potenzialgebiet?
  3. Wer sind die Eigentümerinnen und Eigentümer dieser Flächen?

Insbesondere letzte Frage bestimmt, wie weiter verfahren werden soll. Hierfür gibt es drei Fallkonstellationen, die entsprechende Entscheidungen nach sich ziehen: 

Fallkonstellation 1: 

Der Gemeinde gehören die Flächen

Wenn der überwiegende Teil der betroffenen Flächen (mindestens circa 80 – 90 Prozent) oder die gesamte Fläche in Kommunalbesitz ist, hat die Kommune auch die Oberhand. Dann kann sie frei entscheiden, unter welchen Konditionen und wem sie ihre Flächen zur Projektierung eines Windparks gibt. 

Fallkonstellation 2: 

Die betroffenen Flächen sind überwiegend oder ausschließlich in Privatbesitz

In diesem Fall kommt das kommunale Flächenpooling als Instrument ins Spiel. Ziel dieses Poolings: möglichst alle betroffenen Flächeneigentümerinnen und -eigentümer fair und gerecht an den späteren Pachteinnahmen zu beteiligen und so den Dorf- und Nachbarschaftsfrieden sichern. Nicht nur wenige sollen spätere Profiteure der erheblichen Pachterträge sein, sondern alle, die sich bereit erklären, bei einem solchen Pooling mitzumachen. Im Anschluss an das Flächenpooling wird der Flächenpool über ein Interessenbekundungsverfahren an den Markt gebracht.

Fallkonstellation 3: 

Die betroffenen Flächen gehören überwiegend einem nicht kommunalen Eigentümer

Klassisches Beispiel: Die Flächen sind im Besitz des Landes Baden-Württemberg und werden von ForstBW verwaltet oder gehören einem adligen Fürstenhaus. Leider sind die kommunalen Handlungsmöglichkeiten in diesen Fällen sehr begrenzt, da diese Akteure ihre eigenen Vergabeprozesse haben. Häufig helfen direkte Gespräche mit den verantwortlichen Vertretern dieser Eigentümerinnen beziehungsweise Eigentümer.

Das kommunale Flächenpooling für Windkraftanlagen-Projekte 

Wenn mehr als 20 Prozent der betroffenen Flächen eines künftigen Wind-Vorranggebietes im privaten Eigentum sind (überwiegend im Offenland der Fall), ist das kommunale Flächenpooling das Instrument der Wahl, damit sich die Kommune den künftigen Einfluss, aber auch den Dorf- und Nachbarschaftsfrieden sichert, weil sie alle (und nicht nur Einzelne) von einem solchen Vorrang- oder Potenzialgebiet betroffenen Flächeneigentümer fair und gerecht an den künftigen Erlösen beteiligt. 

Das Funktionsprinzip eines solchen Poolings: Der Großteil der anfallenden Pachterlöse aus den Windenergieanlagen (meist über 70 Prozent) wird auf alle Flächeneigentümerinnen und -eigentümer verteilt, die beim Flächenpooling mitmachen entsprechend ihres jeweiligen Flächenanteils zur gesamten Poolfläche. Die restliche Pacht (meist unter 30 Prozent) erhalten diejenigen Flächeneigentümerinnen und -eigentümer, auf deren Flurstücken später konkret die Anlagen stehen werden, weil diese Flurstücke sehr viel stärker in Anspruch genommen werden als solche, wo nichts steht. 

Über dieses Verteilungsprinzip wird sichergestellt, dass alle von einem Vorranggebiet betroffenen Flächeneigentümerinnen und -eigentümer von künftigen Pachterlösen profitieren und gleichzeitig möglichst viele Flächen gesichert werden, um eine technisch-wirtschaftlich optimierte Windparkplanung zu ermöglichen.

Trotzdem passiert es aktuell immer häufiger, dass Landwirtinnen und Landwirte auf Lockangebote mit überhöhten Pachtangeboten von Investorinnen und Investoren hereinfallen. Dies gilt es unbedingt zu verhindern.

Interessenbekundungsverfahren oder wie findet die Kommune den richtigen Partner?

Ist die Kommune im überwiegenden Besitz der betroffenen Flächen oder wurde ein kommunales Flächenpooling erfolgreich durchgeführt, sollten diese Flächen einem strukturierten Prozess zur Auswahl eines Projektierers oder Partners zugeführt werden. Die strukturierte Vergabe dieser Flächen ist aus folgenden Gründen unumgänglich:

    

  1. Die Kommune sichert sich damit die kommunalen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Projektentwicklung, dem Bau und späteren Betrieb des Windparks.
  2. Die Wertschöpfungsmöglichkeiten aus Pacht, Betriebserlösen, Gewerbesteuer und den Erlösen aus dem § 6 EEG werden über ein solches Verfahren optimiert und maximal ausgeschöpft, weil die Kommune aufgrund der Angebotsvielzahl eine Vergleichsmöglichkeit hat.
  3. Auch wenn keine formelle Ausschreibungspflicht für die Vergabe kommunaler Flurstücke besteht, hält die Kommune rechtliche Vorgaben ein (Grundsatz des Wettbewerbs, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung aus dem EU-Primärrecht und dem Art. 3, Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz).
  4. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Gremien durch eine fundierte Entscheidung, die sachorientiert und begründet stattfinden konnte, mitgenommen werden und die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der kommunalen Entscheidung eine fundierte Basis hat. 

Was ist nun zu tun?

  1. Holen Sie sich unabhängige und objektive Beratung für Ihre Fragen zur Windenergie, weil derzeit zahlreiche andere Akteure unterwegs sind, die wirtschaftliche Eigeninteressen haben.
  2. Nehmen Sie sich Zeit und (externen) Sachverstand bei der Auswahl aktueller regionalplanerischer Potenzialflächen. 
  3. Identifizieren und informieren Sie private Flächeneigentümerinnen und -eigentümer, keine Pachtverträge voreilig zu unterschreiben, wenn Sie als Kommune die Steuerungshoheit über das Windprojekt behalten möchten.
  4. Wählen Sie Ihren künftigen Partner, Investor oder  Projektierer mit Bedacht und in einem strukturierten Interessenbekundungsverfahren aus.