Die Unterstützung der Ukraine war ein wichtiges Thema bei den Städtepartnerschaften baden-württembergischer Kommunen
© Stadt Singen

Städtepartnerschaften: Stützpfeiler in einer unsicheren Welt

Städtepartnerschaften haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg fest etabliert, weil in ihrem Rahmen zwischenstaatliche Verbundenheit konkret und handfest zum Ausdruck kommt. In einer multipolaren Welt der Dauerkrisen steigt ihre Bedeutung in letzter Zeit wieder. Das hat das Land Baden-Württemberg erkannt und zusammen mit den Kommunalen Landesverbänden eine neue Koordinierungsstelle geschaffen.

Noch vor wenigen Jahren fragten sich Expertinnen und Experten, wie man Städtepartnerschaften neue Impulse geben könnte, damit sie sich lebendig weiterentwickeln könnten. Einige sprachen sogar von einem Auslaufmodell. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich die Partnerschaften als übergeordnetes Leitmotiv dominierte, waren Städtepartnerschaften etwas Neues. Sie standen für den gelebten Austausch zwischen den Menschen, der die Absichtserklärungen der Politik mit Leben füllte. 

Mimun Ait Atmane - Ansprechpartner für Städtepartnerschaften

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hätten bei den Treffen der Delegationen deutscher und französischer Kommunen noch Völkerverständigung und Aussöhnung im Vordergrund gestanden, sagt Mimun Ait Atmane. Die Treffen seien förmlich und ernst abgelaufen. Ait Atmane leitet die Koordinierungsstelle für die Städtepartnerschaften beim Städtetag Baden-Württemberg. Das Staatsministerium hat sie im vergangenen Jahr zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden geschaffen. Sie wird zu 90 Prozent vom Staatsministerium und zu zehn Prozent vom Städtetag finanziert. Auch für die Mitgliedsgemeinden des Gemeindetags ist Ait Atmane Ansprechpartner. Er kümmert sich um alle Fragen, die mit Städtepartnerschaften zusammenhängen, wobei die Ukraine und der Donauraum einen Schwerpunkt bilden. 

Ukrainekrieg hat Welle der Solidarität ausgelöst

Die Tatsache, dass die Stelle geschaffen wurde, zeigt eins: Eine Wiederbelebung der Städtepartnerschaften ist nicht mehr nötig. Das hat verschiedene Gründe. Einer der wichtigsten besteht darin, dass die politische Lage im 21. Jahrhundert instabiler ist als in den vergangenen Jahrzehnten, sowohl global als auch innerhalb Europas. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat bei der Zivilgesellschaft und bei den Menschen eine Welle der Solidarität ausgelöst. „Bereits nach der Corona-Pandemie wurden die Partnerschaften wieder aktiver. Durch den Kriegsbeginn ist allen bewusster geworden, dass ein friedliches Zusammenleben in Europa nicht mehr selbstverständlich ist“, sagt Ait Atmane. 

Solidaritätspartnerschaften ermöglichen Hilfe für ukrainische Kommunen

Auf kommunaler Ebene folgte daraus, dass viele Gemeinden bestehende Partnerschaften mit ukrainischen Städten intensiviert oder neue initiiert haben (die:gemeinde berichtete im vergangenen Jahr). Unter anderem geschah das in sogenannten Solidaritätspartnerschaften, die die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) zusammen mit dem Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE), dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nach Kriegsbeginn auflegte. Diese Art der Partnerschaft ermöglicht es den Kommunen, ukrainischen Städten und Gemeinden zielgerichtet und bedarfsorientiert zu helfen, auch wenn keine formale Städtepartnerschaft besteht. Die SKEW unterstützt insbesondere kleine Kommunen finanziell und personell. Auch in Baden-Württemberg haben einige Gemeinden von diesem Format Gebrauch gemacht: Ettenheim im Ortenaukreis ging 2023 eine Solidaritätspartnerschaft mit Wilchowezka ein, einem westukrainischen Städtchen mit 13.500 Einwohnerinnen und Einwohnern. 

Hilfsaktion "Korntal-Münchingen hilft Baschtanka"

In Korntal-Münchingen im Landkreis Ludwigsburg taten sich in diesem Frühjahr der Jugendgemeinderat und das Städtepartnerkomitee zusammen, um die Hilfsaktion „Korntal-Münchingen hilft Baschtanka“ durchzuführen. 17.000 Euro konnten sie dabei an Spendengeldern sammeln, um einen Bus für die Kleinstadt in der Südukraine zu finanzieren. Der Erste stellvertretende Bürgermeister von Baschtanka hatte den Vertretern aus Korntal-Münchingen mitgeteilt, dass die Menschen von Hilfsorganisationen bereits gut mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt worden seien. „Doch um die verletzten, kranken und älteren Menschen in unser außerhalb gelegenes Krankenhaus zu bringen, haben wir momentan kein Fahrzeug“, führte er weiter aus. Um sicher über die holprigen Straßen fahren zu können, baten die Ukrainer um einen echten Linienbus. Den werden sie nun auch bekommen, weil die SKEW 90 Prozent der Finanzierung übernimmt. 

Wie steht es um die deutsch-russischen Städtepartnerschaften?

In Vörstetten im Landkreis Emmendingen kam der Impuls für eine Solidaritätspartnerschaft aus dem Gemeinderat. Dort entschied man sich, die Beziehungen zur Stadt Hirska bei Kiew zu vertiefen und stellte der Kommune ein Wärmezelt zur Verfügung. Doch auch und vor allem nach Kriegsende sieht Ait Atmane wichtige Aufgaben auf die deutschen Kommunen zukommen. Sie könnten ihren ukrainischen Partnerstädten beim Wiederaufbau helfen. Ein langfristiges Ziel ist außerdem die Integration des Landes in die Europäische Union. Auch hier kann der Austausch zwischen den Kommunalverwaltungen und Vertretern der Zivilgesellschaft wichtige Impulse leisten. Während Solidarität und Hilfsbereitschaft mit der Ukraine auch 16 Monate nach Kriegsbeginn noch spürbar sind, sieht die Lage bei den deutsch-russischen Städtepartnerschaften ganz anders aus. „Sie ruhen“, sagt Ait Atmane. Eine offizielle Beendigung der Beziehungen würden indes die wenigsten Städte und Gemeinden derzeit für sinnvoll halten. 

Neues Online-Format für Ukraine-Partnerschaften

Die Koordinierungsstelle ist auch jenseits der Partnerschaften mit ukrainischen Städten gefragt – vor allem als Schnittstelle. „Die Gemeinden treten oft an uns heran mit dem Wunsch, eine Partnerschaft mit einer Stadt aus einem bestimmten Land einzugehen. Ich vermittele sie dann an Organisationen wie den Rat der Gemeinden Europas oder die SKEW, die passenden Kommunen aus ihren Datenbanken vermitteln können“, erklärt Ait Atmane. Ein wichtiges Thema ist außerdem die Finanzierung. Ait Atmane kennt alle relevanten Förderprogramme von Bund und Land und informiert die Städte und Gemeinden darüber. Außerdem ist es für die Kommunen wichtig, Ideen und Impulse von anderen zu erhalten. Diesen Austausch will der Projektkoordinator durch ein neues Online-Format für Ukraine-Partnerschaften fördern, das im Herbst starten wird. „Dabei soll es um den Austausch von Ideen gehen, aber auch von Best Practices“, sagt Ait Atmane. 

Städtepartnerschaften sind heute oft projektbezogen

Der Charakter der Städtepartnerschaften habe sich grundsätzlich etwas verändert, sagt Mimun Ait Atmane. Was er meint: Viele Kooperationen sind heute themenbezogen und auf eine bestimmte Frist angelegt. Stark im Kommen sind zum Beispiel Projektpartnerschaften im Bereich Klima, wie sie Rastatt mit dem senegalesischen Saint-Louis oder Trossingen mit dem namibischen Windhoek betreibt. In Rastatt besteht die Partnerschaft bereits seit fast einem Jahrzehnt. Ausgegangen war sie von der Ortsgruppe Naturfreunde Rastatt. Vertreterinnen und Vertreter beider Kommunen verständigten sich auf ein Handlungsprogramm mit konkreten Maßnahmen: Unter anderem beschloss man, die Mangrovenwälder aufzuforsten, die Innenstädte zu begrünen und Photovoltaikanlagen auf den Rathäusern anzubringen. Für die Maßnahmen flossen Fördergelder vom BMZ, aber auch Spendengelder aus der Rastatter Zivilgesellschaft. 

Städtepartnerschaften immer häufiger auch außerhalb Europas

Mit den Klima-Kooperationen geht auch eine geografische Veränderung einher. Lag der Fokus der Partnerschaften früher stark auf Europa und dabei besonders stark auf Frankreich – diese Partnerschaften sind weiterhin die mit Abstand häufigsten – stehen heute Partnerschaften mit Gemeinden des globalen Südens höher im Kurs. Insbesondere solche mit afrikanischen Kommunen. So unterhält das oberschwäbische Amtzell freundschaftliche Verbindungen mit Thika in Kenia, Ladenburg unterhält eine offizielle Städtepartnerschaft mit Garango in Burkina Faso, Schopfheim mit Dikome in Kamerun und Kernen im Remstal mit Masvingo in Simbabwe.