Winfried Kretschmann auf der Mitgliederversammlung des Gemeindetags Baden-Württemberg

Kretschmann: "Beim Bürokratieabbau sind wir Kreisliga"

Nicht auf jede Forderung der Kommunen kann Kretschmann eine Antwort finden. Trotzdem bekennt er auf der Mitgliederversammlung des Gemeindetags Baden-Württemberg bei vielen Themen Farbe.

In der Hanns-Martin-Schleyer-Halle muss Winfried Kretschmann Rede und Antwort stehen. Vor mehr als 600 Vertreterinnen und Vertretern der Städte und Gemeinden auf der Mitgliederversammlung des Gemeindetags Baden-Württemberg stehen viele Forderungen im Raum, die für die Zukunft der Kommunen von großer Bedeutung sind: Finanzhilfen, um die Mehrausgaben und Mindereinnahmen durch Corona auszugleichen, eine realistische Planung für den Ausbau der Ganztagsgrundschule, eine höhere Priorisierung des Allgemeinwohls gegenüber Einzelinteressen, um etwa Klimaschutzmaßnahmen und Bauvorhaben besser durchsetzen zu können und vieles mehr. 

Bei den Finanzen bleibt Kretschmann auf der Mitgliederversammlung vage

Nicht auf jede Forderung findet der Ministerpräsident eine Antwort. In Bezug auf die weiteren Finanzverhandlungen zwischen Land und Kommunen in der Gemeinsamen Finanzkommission reagiert er ausweichend: "Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich keine öffentliche Diskussion über die Verhandlungen führen werde." Einen Forderungskatalog der Kommunen habe er erhalten, dieser sei Milliarden-schwer. Wie weit er diesem nachgehen will, wird zunächst nicht klar. Eine laxe Finanzpolitik gehe auf Kosten jüngerer Generationen. Gleichzeitig wolle er dafür sorgen, dass wichtige Investitionen immer getätigt werden können. 

Beim Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung sollen Schulen größtmögliche Freiräume bekommen

In Bezug auf die Ganztagsbetreuung an Grundschulen macht Kretschmann ganz deutlich, dass auch er diesen Rechtsanspruch kritisch sieht. Einen Weg daran vorbei habe es allerdings nicht gegeben. 14 der 16 Ministerpräsidenten, die mit über ihn verhandelten, hätten auch bereits in den Koalitionsverhandlungen gesessen, wo der Rechtsanspruch als Ziel definiert wurde. Man habe allerdings mit viel Mühe darum gekämpft, dass die Finanzmittel für die Umsetzung nun vier Mal höher seien, als bei dem ersten Vorschlag der Bundesebene 2019. Bei der Umsetzung wolle die Landesregierung nun dafür sorgen, dass Kommunen und Schulen die nötigen Freiräume erhalten. "Diese Beschlüsse laufen immer nach dem gleichen Muster ab: Der Bund setzt Standards oder legt Programme auf, die nicht durchfinanziert sind. Am Ende bleibt das alles an den Ländern und Kommunen hängen", sagt der Ministerpräsident. "Ich bin gespannt, ob sich das jetzt ändern wird. Meine Zuversicht ist aber sehr verhalten." 

Baden-Württemberg soll als Gewinner aus der Klimaschutz-Transformation hervorgehen

Auch die Transformation hin zu mehr Klimaschutz spricht Kretschmann an. "Insgesamt wird es nicht so funktionieren, dass es keiner merkt und auch nicht so funktionieren, dass es nichts kostet", sagt er. Durch grüne Innovation solle dafür gesorgt werden, dass Baden-Württemberg als Gewinner aus der grünen Transformation hervorgehe. "Wir haben die leistungsfähigsten und kreativsten Kommunen, die den Wandel gestalten." Der Ministerpräsident erinnert auch an die Kosten, die ein unterlassener Klimaschutz anrichten kann - etwa in Form von Naturkatastrophen. So habe der Wiederaufbau der Gemeinde Braunsbach bis jetzt 42 Millionen Euro gekostet und sei noch nicht abgeschlossen. Da Naturkatastrophen wie Hochwasser, Starkregen, aber auch Waldbrände häufiger werden und damit die Mehrzahl der Kommunen bedrohen, sieht auch Kretschmann die Forderung von Gemeindetagspräsident Jäger als notwendig an: Eine Elementarschadenversicherung muss bundesweit verpflichtend werden. 

Bürokratieabbau: "Da sind wir derzeit Kreisliga"

Ein großes Anliegen ist Kretschmann die Beschleunigung von Verfahren. "Wir sind Weltmeister im Ziele setzen, aber wir müssen Weltmeister in der Umsetzung werden", so der Ministerpräsident. "Da sind wir derzeit Kreisliga." Er stehe dazu, dass die Planungs- und Umsetzungszeiten mindestens halbiert werden müssten. "Wenn wir die Überbürokratisierung nicht eindämmen, wird der Standort Deutschland global ins Hintertreffen geraten", sagt Kretschmann. "Das konnten wir uns vielleicht bisher leisten, weil die Welt auf Deutschland gewartet hat, aber heute stehen wir vor einer global ganz anderen Situation." Sicherheitsbedenken könne man ad ultimo immer weiter treiben und versuche man bei Gesetzgebungsverfahren jeder Gruppe gerecht zu werden, würden Gesetzestexte immer länger und schwerer umzusetzen. Man sei Bürokratie gewöhnt, doch nun müssten wir uns von der Bürokratie entwöhnen. 

Entschlossen gegen Hass und Hetze

Zum Schluss spricht der Ministerpräsident die sich auch zur Corona-Zeit häufenden Anfeindungen und Bedrohungen von Kommunalpolitikern an. "Da werden rote Linien überschritten und das dürfen wir uns nicht gefallen lassen." Er weist auf die Anlaufstelle beim Landeskriminalamt hin und appelliert an die Anwesenden bei Drohungen die Polizei einzuschalten. Auch wirbt der Ministerpräsident darum sich beim Kabinettsausschuss "Entschlossen gegen Hass und Hetze" mit Ideen und Erfahrungen zu melden.