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Gemeinden setzen Zeichen gegen Rechtsextremismus

Nicht nur in den Großstädten bringen Menschen ihr Entsetzen über die Geheimpläne rechtsextremer Kreise zum Ausdruck. Auch Mandatsträgerinnen und Mandatsräger sowie Bürgerinnen und Bürger in kleinen und mittleren Kommunen setzen ein klares Zeichen für Demokratie und gegen Ausgrenzung.
Aktualisiert: 13. Februar 2024

Die Pläne zur Deportation von Millionen von Menschen aus Deutschland, die das Recherchekollektiv „Correctiv“ ans Licht gebracht hat, haben ein gesellschaftliches Beben ausgelöst. Die Journalistinnen und Journalisten von Correctiv haben einen sogenannten Geheimplan aufgedeckt. Hochrangige AfD-Politiker, Mitglieder der CDU und der sogenannten Werteunion, Neonazis sowie finanzstarke Unternehmerinnen und Unternehmer haben sich demnach im November in einem Hotel bei Potsdam getroffen und die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland geplant. 

Seit Bekanntwerden dieser Pläne finden landauf, landab Demonstrationen gegen Rechtsextremismus großen Zulauf. Getragen werden sie von einem breiten Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Wirtschaft und Verbänden. Kleine und mittlere Kommunen stehen medial nicht im Rampenlicht, doch auch hier tut sich Beachtliches.

An einer Demonstration am letzten Januar-Wochenende in Sigmaringen nahmen Polizeiangaben zufolge 2.000 Menschen teil. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Ehefrau Gerlinde Kretschmann waren auch dabei. In Singen gingen 4.000 Bürgerinnen und Bürger auf die Straße, um sich mit der Devise „Klare Kante gegen Hass und Hetze“ gegen die fremdenfeindlichen Fantasien zu positionieren. In Öhringen kamen 2.000 Demonstrierende zusammen, in Ravensburg 9.000 unter dem Motto "Laut gegen Rechts!", in Kirchheim unter Teck knapp 2.000 und in Leutkirch im Allgäu rund 700. In Lörrach gingen 2.000 Demonstrierende gemeinsam mit Oberbürgermeister Jörg Lutz auf die Straße. 

Schon am vorherigen Wochenende hatten mehrere tausend Menschen in Herrenberg demonstriert. In Pforzheim waren es rund 3.000 Demonstrierende und in Überlingen 1.500. 

Gedemer: Menschen in kleinen Kommunen müssen Zeichen setzen

In Herbolzheim fand am folgenden Montagabend eine Kundgebung gegen Rechtsextremismus statt. Bürgermeister Thomas Gedemer betonte, es sei wichtig, dass auch die Menschen in den kleinen Kommunen ein Zeichen setzen. „Manche Stimmen haben im Vorfeld gesagt: ‚Muss das jetzt auch noch hier sein. Es gibt doch schon Demos und Kundgebungen in den Großstädten.‘ Ja, es muss sein. Hier vor Ort. Hier, wo wir leben und arbeiten. Genau hier gilt es Position zu beziehen: Für unsere Demokratie, für Meinungsvielfalt, gegen Ausgrenzung und gegen Extremismus.“

Gedemer betonte, dass Ausgrenzung, Diskriminierung und Abwertung keinen Platz in der Gesellschaft haben dürften. „Es gibt nicht ‚die‘ Ausländer, ‚die‘ Migranten. Was wäre unsere Gesellschaft ohne all die Frauen und Männer mit Migrationshintergrund?“, so Gedemer. Demokratie lebe von Meinungsvielfalt, vom politischen Diskurs, vom eigenen Engagement. „Aber leider tritt heute allzu oft die Emotion an die Stelle des Arguments; die schnelle Empörung an die Stelle der tiefgründigen Diskussion; die persönliche Diffamierung und Attacke auf die Person wird verwechselt mit der der Ablehnung einer inhaltlichen Position.“

Stephan Neher: Kommunalpolitiker müssen Zeichen setzen 

Auch der Rottenburger Oberbürgermeister Stephan Neher bezieht gegenüber die:gemeinde Stellung. „Die Versuche von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten, unsere offene Gesellschaft und die Demokratie zu untergraben, nehmen wir in Rottenburg mit großer Sorge wahr. Unser Zusammenleben ist geprägt von der Vielfalt und dem Beitrag der Menschen mit Migrationsgeschichte. Ohne sie ist unsere Stadt nicht vorstellbar“, sagt Neher.

Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker seien gefordert, vor Ort die Stimme für die Freiheit und Vielfalt zu erheben und ein Zeichen zu setzen. „Deshalb haben wir in Rottenburg den Gedenktag an unseren Ehrenbürger Eugen Bolz größer gestaltet als in den Vorjahren. Neben einem Gottesdienst und einer Kranzniederlegung für den früheren Staatspräsidenten gibt es mittags eine von zahlreichen Vereinen, Organisationen und Initiativen getragene Kundgebung am Eugen-Bolz-Platz. Die Resonanz auf diese Initiative der Stadtverwaltung war überwältigend positiv“, sagt Neher.

Der historische Hintergrund: Am 23. Januar 1945 wurde Eugen Bolz wegen seines Widerstandes von den Nazis hingerichtet. „Gerade sein Leben und sein Tod zeigen, dass es für die Verteidigung der Demokratie zu spät sein kann, wenn wir nicht frühzeitig aktiv werden. Deshalb gilt es gerade jetzt, die Grundwerte unserer Gesellschaft zu verteidigen“, sagt Neher. 

Proteste gehen weiter

Auch im Februar flauen die Proteste gegen rechtsextremistische Bestrebungen in Deutschland nicht ab. Unter dem Motto "Sinsheim ist bunt!" demonstrierten nach Angaben eines Polizeisprechers circa 1.500 Menschen in Sinsheim im Rhein-Neckar-Kreis. In Heidenheim fand eine Demonstration unter dem Titel "Nie wieder ist jetzt" statt. Demonstriert wurde außerdem in Creglingen, Erlenbach, Winnenden und Ostfildern. Geplant sind weitere Demonstrationen in Waiblingen (17. Februar), Walldorf (18. Februar), Mauer (20. Februar), Pforzheim (23. Februar), Stuttgart (24. Februar) und Vaihingen (24. Februar). 

Sowohl in den Großstädten als auch in den kleineren Kommunen sind die "OMAS GEGEN RECHTS" bei den Demonstrationen mit von der Partie. Die zivilgesellschaftliche Initiative hatte sich Anfang 2018 gegründet. Die Gruppierung erlebt einen großen Zulauf seit den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Im Januar hatte sich die Zahl der Mitglieder vervierfacht. 

Bündnis für Demokratie und Menschenrechte gegründet 

Unterdessen kam das neue  „Bündnis für Demokratie und Menschenrechte“, ein breites überparteiliches und zivilgesellschaftliches Bündnis in Baden-Württemberg, in Stuttgart zu einem Auftakttreffen zusammen. Mit dabei sind 70 Vertreterinnen und Vertreter aus Organisationen, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Verbänden, Landkreisen, Städten und Gemeinden sowie staatlichen Institutionen, Vereinen und Parteien in Baden-Württemberg.

„Indem wir als demokratische Mehrheit unsere Kräfte bündeln, stellen wir uns gemeinsam gegen jegliche Form von Extremismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit und verteidigen die Grundwerte unserer Demokratie. In einem Schulterschluss aller Demokratinnen und Demokraten in Baden-Württemberg erheben wir gemeinsam unsere Stimme gegen Verfassungsfeinde“, heißt es in der Erklärung, die das Bündnis verabschiedete.

Der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, Steffen Jäger, sagte, das breite überparteiliche Bündnis für Demokratie und Menschenrechte sei ein wichtiges Zeichen und ergänze die zahlreichen bürgerschaftlichen Demonstrationen, Initiativen und Aktionen in den Städten und Gemeinden. „Gerade in diesen Zeiten brauchen wir ein solch klares Bekenntnis zu den freiheitlich-demokratischen Werten, zu unserem Rechtsstaat und zu unserer Verfassung. Die Städte und Gemeinden sind die bürgernächste Ebene, sie unterstützen das Bündnis, sie unterstützen die Bürgerinnen und Bürger, sie treten jeden Tag für unsere Demokratie ein.“