Alles über die kommunale Wärmeplanung
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Energie- und Wärmewende gemeinsam angehen

Seit Anfang des Jahres sind nun alle Städte und Gemeinden verpflichtet, eine kommunale Wärmeplanung vorzunehmen – ob allein oder im Konvoi. Damit kommt eine weitere komplexe und langfristige Aufgabe auf sie zu. Was gilt es zu bedenken und welche Unterstützungsangebote gibt es?

Das Land und die Kommunen in Baden-Württemberg nehmen eine Vorreiterrolle bei der Wärmewende ein: Stadtkreise und Große Kreisstädte in Baden-Württemberg waren durch das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz bereits dazu verpflichtet, bis Ende 2023 ihre kommunale Wärmeplanung bei den Regierungspräsidien einzureichen. Dafür hat das Land Fördermittel bereitgestellt. Doch auch kleinere Kommunen konnten sich freiwillig entscheiden, Wärmepläne aufzustellen und konnten dafür Förderung beantragen.

Zeitplan für die Wärmeplanung

Zum Beginn des Jahres 2024 ist nun das Wärmeplanungsgesetz des Bundes in Kraft getreten. Damit sind nun bundesweit alle Städte und Gemeinden verpflichtet, eine kommunale Wärmeplanung zu erstellen – Städte mit über 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern müssen die Wärmepläne bis zum 30. Juni 2026 vorlegen, Städte und Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern müssen sie bis zum 30. Juni 2028 vorlegen. Für Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sieht es eine Sonderregelung vor: Sie können ein vereinfachtes Wärmeplanungsverfahren durchführen. 

Was passiert mit bereits erstellen Wärmeplänen?

Bereits erstellten Wärmeplänen kann nach dem neuen Bundesgesetz Bestandsschutz eingeräumt werden – betroffene Kommunen müssen den Prozess also nicht noch einmal durchführen. Während ein Bestandsschutz für die in Baden-Württemberg bereits bisher zur Wärmeplanung verpflichteten Kommunen in der Regel angenommen werden kann, ist dies für bereits freiwillig erstellte Wärmepläne von weitergehenden Anforderungen und vom bisherigen Verfahrensverlauf abhängig. Die konkreten Spezifika – etwa wie ein vereinfachtes Wärmeplanungsverfahren für kleinere Gemeinden aussieht – werden auf Landesebene definiert. Dieser Prozess ist in Baden-Württemberg derzeit noch im Gange. 

Wie werden die Wärmepläne finanziert?

Für die Finanzierung der kommunalen Wärmeplanung gibt der Bund erhöhte Umsatzsteueranteile an die Länder, die diese an die Kommunen weitergeben sollen. „Die Mittel sollten aus Sicht des Gemeindetags vollständig und unbürokratisch auf die Kommunen verteilt und aufgestockt werden, falls sich herausstellt, dass die Finanzierung anderenfalls nicht auskömmlich wäre“, sagt Patrick Holl, Erster Beigeordneter des Gemeindetags Baden-Württemberg. Aufgrund der besonderen Situation in Baden-Württemberg gibt es aktuell bereits Fördermittel für die Umsetzung von kommunalen Wärmeplänen. Die Förderkulisse wird nun, da das Bundesgesetz greift, jedoch voraussichtlich noch einmal überarbeitet werden oder es wird ein anderweitiges Verfahren zur Mittelverteilung eingeführt. 

Wichtig ist, dass bei der kommunalen Wärmeplanung im Blick behalten wird, wie sie mit anderen Klimaschutz- und Energiefragen vor Ort korrespondiert. Insbesondere die Anforderungen an einen etwaig erforderlichen Netzausbau zur Einspeisung von Energie aus Erneuerbaren Energieanlagen oder die Ertüchtigung bestehender Stromnetze, in Gebieten für welche keine Wärmenetze zu erwarten sind, stellen eine Herausforderung dar.

Patrick Holl, Erster Beigeordneter des Gemeindetags Baden-Württemberg

Patrick Holl über die Wärmeplanung der Städte und Gemeinden

Auch der Austausch mit anderen Akteuren, aber auch den umliegenden Städten und Gemeinden ist wichtig. Denn je nach den örtlichen Gegebenheiten kann es sinnvoller sein, den Wärmeplan im Konvoi zu erstellen. Wenn es in einer Kommune etwa ein Unternehmen gibt, dessen Abwärme nutzbar wäre, dieses liegt aber an der Gemarkungsgrenze und in der betreffenden Kommune viel weiter von der zu erschließenden Bebauung entfernt als bei der Nachbarkommune, wäre eine gemeinsame Planung lohnend. So geht weniger Wärme beim Transport verloren. „Manche Chanen lassen sich besser nutzen, wenn man gemeinsam plant“, sagt auch der Erste Beigeordnete des Gemeindetags. „Es kann durchaus sein, dass sich Nachbarkommunen gegenseitig bei der Wärmewende ergänzen und unterstützen können wenn sie sich gemeinsam abstimmen.“

Was passiert dort, wo sich Wärmenetze in nächster Zeit nicht lohnen werden?

Anspruchsvoll ist die Frage, wie in Gebieten verfahren wird, bei denen sich während der Wärmeplanung herausstellt, dass sie sich für ein Wärmenetz wenig eignen. Zumal ab 2040 in Baden-Württemberg kein konventionelles Gas mehr fließen soll. Diese Gebiete können dann also – nach aktuellem Kenntnisstand– vorrangig nur noch über Wärmepumpen mit Wärme versorgt werden. Geothermie oder Holz können weitere Möglichkeiten sein. Inwieweit Wasserstoff auch für die Versorgung von Privathaushalten perspektivisch eine Option sein kann, ist derzeit noch offen und wird fachlich kontrovers diskutiert. 

Welche Rolle spielt die Kommune bei der Lösung von Versorgungsengpässen?

„Die Kommunen sind grundsätzlich nicht verpflichtet, die Versorgung entsprechender Gebiete zu gewährleisten. Soweit die Kommune, etwa über Stadtwerke bereits Aufgaben in der Versorgung oder im Netz wahrnimmt, kann sich das anders darstellen“, erklärt Patrick Holl. „Dennoch kann eine Kommune erwägen im Bereich von Versorgung und Betrieb tätig zu werden. Dies ist mit weitreichenden Anforderungen verbunden, für die es leistungsfähige Strukturen braucht. Gerade im Bereich von Wärmenetzen ist es aus kommunaler Sicht nicht möglich, dauerhaft defizitäre Netze zu betreiben. Generell ist es empfehlenswert sich als Kommune mit den vor Ort relevanten Netzbetreibern frühzeitig abzustimmen und eine koordinierende Rolle wahrzunehmen. “ 

Was ist ein kommunaler Wärmeplan?
Die kommunale Wärmeplanung ist ein Baustein in der Energie- und Wärmwende vor Ort, mit Anknüpfungspunkten zu den Bereichen Energie- und Wärmeerzeugung sowie Netzinfrastruktur. Sie definiert Strategien für eine klimaneutrale Wärmeversorgung und führt Potenziale und Bedarf systematisch zusammen. Auf diese Weise lassen sich Einsatzmöglichkeiten potenzieller Energiequellen in bestehenden oder neu zu schaffenden Strukturen definieren. Dabei sollte idealerweise eine ganzheitliche Betrachtung der Energie- und Wärmewende entlang der örtlichen Verhältnisse über die Bereiche Erzeugung, Netzinfrastruktur und Endabnehmer hinweg im Fokus stehen. Daraus abgeleitet kann vor Ort bewusst entschieden werden, welche Aufgabenfelder man neben den gesetzlich vorgeschriebenen Bestandteilen der Wärmeplanung freiwillig angehen möchte und abgewogen werden, inwieweit sich diese mit den oftmals knappen personellen und finanziellen Ressourcen eigeninitiativ darstellen lassen oder auf geeignete Partner zu setzen ist, während die Gemeinde vorrangig eine koordinierende oder lenkende Rolle einnimmt. In diesem Zusammenhang können auch die Potenziale interkommunaler Zusammenarbeit, sich abzeichnende Entwicklungen in der jeweiligen Region (insbesondere hinsichtlich der Standorte künftiger Erneuerbarer Energieanlagen) sowie eine enge Abstimmung mit den lokal tätigen Netzbetreibern von Bedeutung sein. Die Ergebnisse und Handlungsvorschläge des Wärmeplans dienen Gemeinderat und Verwaltung als Grundlage für die weitere Planung.
Die Entwicklung einer kommunalen Wärmeplanung läuft nach dem aktuellen Handlungsleitfaden in Baden-Württemberg in vier Schritten ab:
1. IST-Zustand erheben
Es müssen der aktuelle Wärmebedarf und -verbrauch sowie die Treibhausgas-Emissionen ermittelt werden. Dazu gehört auch das Sammeln von Informationen über die vorhandenen Gebäudetypen, Baualtersklassen, Versorgungsstruktur aus Gas- und Wärmenetzen, Heizzentralen und Speichern sowie die Ermittlung der Beheizungsstruktur der Wohn- und Nichtwohngebäude.
2. Potenzialanalyse
Es werden die Potenziale zur Energieeinsparung für Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme in den Sektoren Haushalte, Gewerbe-Handel-Dienstleistungen, Industrie und öffentliche Liegenschaften ermittelt sowie die lokal verfügbaren Potenziale erneuerbarer Energien, KWK- und Abwärmepotenziale erhoben. Auf Basis eines ersten Zwischenberichts soll die Öffentlichkeit beteiligt werden.
3. Untersuchungsgebiete definieren
Es wird ein Szenario zur Deckung des zukünftigen Wärmebedarfs mit erneuerbaren Energien zur Erreichung einer klimaneutralen Wärmeversorgung entwickelt. Dazu gehört eine räumlich aufgelöste Beschreibung der dafür benötigten zukünftigen Versorgungsstruktur im Jahr 2050 mit einem Zwischenziel für 2030. Zu diesem Zweck werden Eignungsgebiete für Wärmenetze und Einzelversorgung ermittelt.
4. Lokale Wärmewendestrategie
Es wird ein Transformationspfad zur Umsetzung des kommunalen Wärmeplans erstellt. Dieser beinhaltet ausgearbeiteten Maßnahmen, Umsetzungsprioritäten und einen Zeitplan für die nächsten Jahre sowie eine Beschreibung möglicher Maßnahmen für die Erreichung der erforderlichen Energieeinsparung und den Aufbau der zukünftigen Energieversorgungsstruktur. Am fertigen Entwurf soll die Öffentlichkeit ebenfalls beteiligt werden. 
Unterstützungsangebot
Der Gemeindetag Baden-Württemberg, die Verwaltungsschule des Gemeindetags, die Gt-service Dienstleistungsgesellschaft und die Kanzlei iuscomm Rechtsanwälte erarbeiten derzeit in enger Abstimmung ein umfassendes Schulungs- und Beratungsangebot, das die Kommunen bei allen Bausteinen der Wärmeplanung unterstützen kann. Einige Angebote sind aktuell bereits verfügbar. 
Gt-service
– Durchführung von Interessensbekundungsverfahren zur Projektierung von Windkraft- und Freiflächen-PV-Anlagen
– Gebäudecheck für kommunale Liegenschaften
Verwaltungsschule des Gemeindetags Baden-Württemberg
– Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung aus praktischer, rechtlicher und technischer Sicht
– Umgang mit Konzessionsvergabeverfahren und Anwendung des neuen Musterkonzessionsvertrags 3.0
– Durchführung von Konzessionsvergabeverfahren nach §§ 46 ff. EnWG – bei Anwendung der Musterkonzessionsverträge Strom und Gas
– Wegenutzungsverträge für die leitungsgebundene Energieversorgung (Strom, Erdgas, Wasserstoff, Wärme)
– Energieeinsparung in öffentlichen Gebäuden zur Erhöhung der Versorgungssicherheit 
iuscomm Rechtsanwälte
– Rechtliche Begleitung bei der Durchführung von Interessensbekundungsverfahren zur Projektierung von Windkraft- und Freiflächen-PV-Anlagen
– Vertragserstellung oder Prüfung von Pacht- und/oder Betreiberverträgen sowie Verträge über Grundstücksnutzung bzw. Flächenpooling zur Errichtung von Windkraft und Freiflächen- PV-Anlagen
– Rechtliche Begleitung bei der Rechtsformwahl und Erstellung von Konsortial- und Gesellschaftsverträgen zur Umsetzung kommunaler Wärme-, Infrastruktur- und Energiegesellschaften (Stadtwerke)
– Rechtliche Begleitung bei der Durchführung von Ausschreibungsverfahren zur Suche von Bauunternehmen, Betreiber- und/oder Partnersuche für die Umsetzung kommunaler Wärmenetze
– Rechtliche Unterstützung im Rahmen der Beantragung von Fördermitteln und Fördermittelberatung zur Umsetzung und Planung kommunaler Wärmenetze
– Vertragserstellung oder Prüfung von Wärmelieferverträgen bzw. Energielieferverträgen, Bauverträgen,  Betreiberverträgen sowie Satzungen für Anschluss- und Benutzungszwang Fernwärme etc.