"Vertrauen wird dadurch begründet, dass der Staat liefert, was er zusagt"
Aktuell gehen nur noch 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger davon aus, dass der Staat in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen. Das ist das Ergebnis der 17. dbb Bürgerbefragung, durchgeführt durch das Meinungsforschungsinstitut forsa. Überfordert halten die Befragten den Staat besonders in den Bereichen Asyl- und Flüchtlingspolitik, Bildungspolitik sowie Klima- und Umweltpolitik.
Jäger: dbb Bürgerbefragung bestätigt kommunale Realität
"Die Städte und Gemeinden als bürgernächste Ebene nehmen diese Entwicklung sehr ernst, denn die Forsa-Daten bestätigen die kommunale Realität", kommentiert Gemeindetagspräsident Steffen Jäger das Ergebnis der Befragung.
Wir weisen als Gemeindetag schon länger darauf hin, dass die gesamtstaatlichen Leistungsversprechen die staatliche Leistungsfähigkeit übersteigen. Dies gilt nach der Zeitenwende in besonderem Maße. Politische Ziele sind schließlich nicht dann erreicht, wenn sie im Gesetzblatt stehen, sondern von den Menschen vor Ort auch abrufbar und nutzbar sind.
Und diese Diskrepanz zeigt sich auch in den Umfrageergebnissen: Alle abgefragten staatlichen Dienstleistungen und Institutionen haben in 2023 schlechtere Performance-Noten bekommen als im Vorjahr. „Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit ihres Staates ist damit auf einen neuen Tiefpunkt gesunken. Das ist alarmierend“, kommentierte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach die Ergebnisse.
Welche Aufgaben sind für die Bürgerinnen und Bürger von Bedeutung?
Die wichtigsten Aufgaben des Staates sind aus Sicht der Befragten 2023 die Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit, die Verbesserung der Infrastruktur sowie der Klimaschutz. Im Westen werden Klimaschutz, Migrationsfragen und die Unterstützung der Ukraine als wichtigste Staatsaufgaben gesehen, im Osten eher die Entlastung der Bevölkerung von Inflationsfolgen, der soziale Ausgleich und die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land. „Besonders bedenklich ist dabei die sich immer stärker abzeichnende Spaltung der Gesellschaft“, so Silberbach weiter.
Die Gräben zwischen Ost und West, arm und reich, je nach Bildungsabschluss werden tiefer und das gesellschaftliche Stresslevel steigt.
Inzwischen konstatieren 80 Prozent der Befragten eine generelle Verrohung der Gesellschaft. 26 Prozent sind dabei selbst Zeuge von Übergriffen auf öffentlich Bedienstete geworden. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (54 Prozent) ist laut dbb Bürgerbefragung selbst beschimpft, bedroht oder tätlich angegriffen worden. „Das ist ein vollkommen inakzeptabler Wert", so Silberbach. "Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zahlen die Zeche für den generellen Ansehensverlust des Staates, nicht nur bei Polizei und Rettungsdiensten, sondern auch in Schulen, Jobcentern und Bürgerämtern. Die Verrohung und Gewaltbereitschaft ist inzwischen ein riesiges Problem für den öffentlichen Dienst, aber eigentlich für unsere ganze Gesellschaft. Schauen Sie sich nur an, was im Internet, in Fußballstadien oder im Straßenverkehr los ist.“
Bürgerinnen und Bürger sowie Beschäftigte im öffentlichen Dienst wünschen sich effizienten Staat
"Was die Bürgerinnen und Bürger – und übrigens auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst – wollen, ist ganz einfach: Der Staat soll seine Aufgaben erfüllen und für die Menschen da sein", fordert Silberbach. "Sie wollen keinen anderen Staat, sondern einen effizienten. Auch da sind die Ergebnisse unsere Bürgerbefragung eindeutig. Statt die Mittel für die Digitalisierung zu kürzen und immer neue, immer kompliziertere Gesetze zu verabschieden, sollte die Bundesregierung das Gegenteil tun: Mehr Digitalisierung, mehr Bürokratieabbau und mehr Serviceleistungen im öffentlichen Dienst.“
Jäger: Staat muss liefern, was er zusagt
Das sieht auch Gemeindetagspräsident Steffen Jäger so: "Es ist daher umso wichtiger, dass wir in Baden-Württemberg den Bürokratieabbau und die spürbare Aufgaben- und Standardkritik in der Entlastungsallianz vorantreiben. Auch das angekündigte Bürokratieentlastungsgesetz des Bundes kann nur ein erster Schritt sein, um das Vertrauen der Menschen in unseren Staat und seine Institutionen wiederherzustellen. Es ist eine dringende staatliche Notwendigkeit, die Zukunftsaufgaben auf der Grundlage der verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen anzugehen. Das wird aber nur gelingen, wenn die Gesetzgeber die rechtliche Komplexität verringern und pragmatisches Handeln staatlich gefördert wird. Vertrauen wird dadurch begründet, dass der Staat liefert, was er zusagt.“