© Adobe Stock

Pulscheck vor der Kommunalwahl

In knapp zwei Monaten finden die Kommunalwahlen statt. Der Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV) hat aus diesem Anlass das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) damit beauftragt, herauszufinden, wie die Menschen im Lande zur Kommunalpolitik stehen. Ergebnis ist der sogenannte #BaWü-Check. die:gemeinde-Aktuell fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.

„Ganz sicher“ wollen 62 Prozent der Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger wählen gehen, 21 Prozent immerhin „wahrscheinlich“. Das ist nur eine von vielen interessanten Zahlen aus dem #BaWü-Check, den der Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger zusammen mit dem Institut für Demoskopie Allensbach veröffentlicht hat. Nur zehn Prozent sagen, sie wüssten noch nicht, ob sie ihre Stimme abgeben, und nur sieben Prozent wissen jetzt schon wahrscheinlich oder sicher, dass sie am demokratischen Prozess auf kommunaler Ebene lieber nicht partizipieren wollen.

Anders sieht es bereits beim Blick auf junge Menschen aus. Von den 18- bis 29-Jährigen sagen nur 43 Prozent, dass sie sicher wählen werden, 37 Prozent geben an, sie würden es wahrscheinlich tun. Zwölf Prozent sind noch nicht entschieden, und acht Prozent werden der Wahl fernbleiben. Spannend ist auch, welche Kriterien die Menschen bei ihrer Wahlentscheidung heranziehen. 68 Prozent der Befragten legen Wert auf die Inhalte. Sie sagen, dass die Ziele und Programme der Parteien vor Ort ausschlaggebend für ihre Wahlentscheidung sind. Danach folgen die Einstellung der Parteien zu bestimmten Projekten (54 Prozent), die Bundespolitik der Parteien (39 Prozent), die Tatsache, ob man einen Kandidaten oder eine Kandidatin persönlich kennt (28 Prozent) oder die Parteizugehörigkeit der Kandidatinnen und Kandidaten (19 Prozent).

Wohnraum, Flüchtlinge und Nahverkehr sind Top-Themen

Bezahlbarer Wohnraum ist das wichtigste Thema mit kommunalpolitischer Relevanz. 62 Prozent der Befragten sagen, dass sich Politik und Verwaltung vor Ort darum kümmern müssten. Ebenfalls oben auf der Agenda steht der Wunsch nach mehr Ärzten (45 Prozent). Häufig genannt werden außerdem die Aussagen „Die Flüchtlingssituation besser bewältigen“, „den öffentlichen Nahverkehr ausbauen“ und „Die Straßen sanieren.“  Insgesamt ist das Image der Kommunalpolitik bei den Menschen positiv. Den Satz „Ich finde es toll, wenn Menschen sich für ihre Gemeinde engagieren“ unterschreiben 56 Prozent der Befragten und 62 Prozent derer, die sich für das Kommunalgeschehen interessieren.

Doch es gibt auch kritische Ansichten. So sagen 33 Prozent, es gebe „viele Wichtigtuer“ in der Lokalpolitik, 31 Prozent unterstellen sogar, dass viele Kommunalpolitiker hauptsächlich ihr eigenes Interesse verfolgen. Mehr als ein Fünftel (22 Prozent) glaubt, dass in der Lokalpolitik häufig heimliche Absprachen getroffen würden. Zugute halten die Befragten der Kommunalpolitik, dass diese nicht so sehr von Parteipolitik geprägt sei und überparteiliche Kompromisse häufiger gefunden würden als auf den höheren politischen Ebenen.

Als alarmierend muss gelten, dass fast 75 Prozent der Befragten glauben, dass Kommunen und Bürgerinnen und Bürger einen nur geringen Einfluss auf das Geschehen vor Ort haben. Und auch die Bereitschaft, selbst für einen Sitz im Gemeinderat zu kandidieren, ist schwach ausgeprägt. Nur 18 Prozent der Männer und acht Prozent der Frauen sagen, das käme „grundsätzlich in Frage.“ Eine kleine Minderheit (drei bis vier Prozent) hat sich sogar schon einmal selbst aufstellen lassen. Eine große Mehrheit gibt aber an, dass eine solche Funktion für sie nicht in Frage kommt.

Jäger: Brauchen Rückbesinnung auf kommunale Planungshoheit

„Demokratie lebt vom Mitmachen. Das Nutzen des aktiven Wahlrechts sollte daher für uns Bürger auch eine Verpflichtung sein. Die Kommunalwahlen bieten jedoch auch die Möglichkeit, sich um ein Mandat zu bewerben und sich so für das Allgemeinwohl einzusetzen. Die Kommunen sind die bürgernächste politische Ebene, hier wird die Demokratie für die Menschen greifbar“, sagt Gemeinderatspräsident Steffen Jäger mit dem Hinweis, dass viele Menschen weltweit nicht die Chance hätten, am demokratischen Prozess teilzunehmen. Umso mehr müsse das Ergebnis des neuen BaWü-Check des Allensbach-Institut nachdenklich stimmen, so Jäger.

„Wenn drei Viertel der befragten Bürgerinnen und Bürger den Eindruck haben, dass die Kommunen und Bürger selbst eher einen geringen Einfluss haben, was am Ort geschieht, muss dies ein klarer Appell an diejenigen sein, die in Bund und Land Verantwortung tragen. Wir brauchen daher eine Rückbesinnung auf eine echte kommunale Selbstverwaltung und Planungshoheit. Städte und Gemeinden brauchen Luft zum Atmen und Raum zum Gestalten. Es erfüllt mich durchaus auch mit Sorge, wenn die Baden-Württemberginnen und Baden-Württemberger einen immer geringeren Einfluss ihrer Stimmabgabe bei Kommunalwahlen sehen“, sagt Jäger.

Zugleich mache es deutlich, dass auch die Bürgerinnen und Bürger die Grenzen der staatlichen Leistungsfähigkeit und den dringenden Bedarf an Entlastung und Deregulierung spürten. Die Vielzahl der politischen Versprechen und Zusagen von Bund und Land seien in der Summe nicht mehr erfüllbar. Zugleich sei den Menschen wichtig, dass nicht immer mehr von Berlin und Stuttgart aus bis ins Detail geregelt werde. „Kommunen können viel zu häufig nur noch erklären, warum Dinge nicht möglich sind. Aber gerade in den Städten und Gemeinden lassen sich – mit dem richtigen Rechtsrahmen – die besten Lösungen gestalten. Daher lieber weniger regeln und weniger versprechen und stattdessen mehr ermöglichen und mehr einhalten. Anspruch und Wirklichkeit müssen wieder näher zusammenrücken“, so Steffen Jäger. ­­