Kommunen können leichter Tempo 30 anordnen
Die Bundesregierung hat das Straßenverkehrsgesetz modernisiert und erweitert, indem sie die Ziele des Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Ordnung aufgenommen hat. Vom Bundestag wurden diese Änderungen nun beschlossen. Der Bundesrat muss in seiner November-Sitzung noch zustimmen.
Welche Möglichkeiten erhalten die Kommunen?
Länder und Kommunen können künftig schneller und flexibler auf die jeweiligen Anforderungen vor Ort reagieren. Vor allem Sicherheitsmaßnahmen an Spielplätzen, hochfrequentierten Schulwegen und Fußgängerüberwegen möchte die Ampelkoalition erleichtern. Außerdem bekommen die Behörden die Möglichkeit, Sonderfahrspuren für klimafreundliche Mobilitätsformen anzuordnen.
Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs müssen aber auch in Zukunft immer berücksichtigt werden. Damit ermöglichen wir neue Entscheidungsspielräume vor Ort, ohne die Interessen des Straßenverkehrs zu vernachlässigen und gehen einen großen Schritt in Richtung einer modernen, klimafreundlichen, fortschrittlichen und sicheren Mobilität.
Mehr Flexibilität für Bewohnerparken und Sonderfahrspuren
Mit der Novelle des Straßenverkehrsgesetzes werden den Behörden neue Befugnisse eingeräumt. Es macht für die StVO konkrete Befugnisse für die örtlichen Behörden möglich. So können sie zum Beispiel Sonderfahrspuren für bestimmte klimafreundliche Mobilitätsformen auf Erprobungsbasis – etwa für elektrisch oder mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge oder mit mehreren Personen besetzte Fahrzeuge – anordnen. Außerdem bekommen die Behörden vor Ort mehr Flexibilität bei der Anordnung von Bewohnerparken. Bisher gingen die Behörden davon aus, dass hierfür im Vorfeld erheblicher Parkdruck nachgewiesen werden muss. Künftig wird ausdrücklich klargestellt, dass bereits prognostische Daten bei der städtebaulichen Planung für diese Zwecke ausreichen. Das heißt: Sie müssen nicht erst die Entwicklung der tatsächlichen Parksituation abwarten.
Mehr Möglichkeiten für Tempo 30-Zonen
Was viele Kommunen freuen dürfte: Die Anordnung von Tempo 30-Regelungen wird erleichtert. Besonders an Spielplätzen, hochfrequentierten Schulwegen, Fußgängerüberwegen und Streckenabschnitten von bis zu 500 Metern zwischen zwei Tempo 30-Strecken. Tempo-30-Zonen können nach der Gesetzesänderung auch damit begründet werden, dass die Maßnahme der Gesundheit oder der städtebaulichen Entwicklung dient. Schon lange fordert die deutschlandweite Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“, dass die Kommunen die Entscheidungsgewalt darüber herhalten sollten, wo Tempo 30 eingeführt werden sollte. Aktuell sind 943 Städte und Gemeinden Teil der Initiative.
Erstmals ist gesetzlich klargestellt, dass auch Belange des Umwelt- und Klimaschutzes, des Gesundheitsschutzes sowie der städtebaulichen Entwicklung straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen begründen können, wie beispielsweise die Bereitstellung von zusätzlichen Flächen für den Fuß- und Fahrradverkehr.
Auch wenn aus kommunaler Sicht noch weitreichendere Anpassungen wünschenswert seien, so könne dies dennoch der Einstieg in einen verkehrspolitischen Paradigmenwechsel sein.
Umsetzung muss in der StVO geschehen
Mit der Gesetzesänderung stellt das StVG nun die Ermächtigung für Neureglungen in der StVO zur Verfügung. Es sagt klar, dass beim Erlass neuer Befugnisse der Behörden durch die StVO die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs weiterhin stets zu berücksichtigen sind. Das ist eine abstrakte Regelung, die die StVO vor die Aufgabe stellt, die konkreten Bestimmungen auf dieser Basis zu erlassen. Mit dem StVG selbst werden noch keine Eingriffs- oder Anordnungsmöglichkeiten für die Behörden geschaffen. Das Bundesverkehrsministerium hat einen entsprechenden StVO-Entwurf erarbeitet, der sich aktuell im Beratungsverfahren der Länder befindet.
Initiative kritisiert StVO-Entwurf des Bundesverkehrsministeriums
Dieser wird von der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“ kritisch gesehen.
Der vom Bund vorgelegte Entwurf für die StVO-Anpassung schöpft die durch das neue StVG eröffneten Spielräume bei weitem nicht aus. Im Gegenteil: Das Beharren auf dem aufwändigen Nachweis einer besonderen Gefahrenlage als Regelfall bzw. vorliegender Ausnahmetatbestände hindert die Kommunen weiterhin daran, aus ihrer Ortskenntnis und politischen Verantwortung heraus sachgerecht und flexibel bei der Schaffung von öffentlichen Räumen mit hoher Lebensqualität zu agieren.
Die Bundesländer seien jetzt aufgefordert, hier vor der Beschlussfassung durch den Bundesrat noch nachzubessern, damit die StVG-Reform auch in der Realität im Sinne der darin formulierten neuen Ziele zum Tragen komme.