Hatespeech betrifft Kommunalpolitikerinnen besonders häufig
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Hatespeech gegen Kommunalpolitikerinnen untersucht

Im Vorfeld der Kommunalwahlen 2024 untersucht der GesellschaftsReport BW Hatespeech gegen Kommunalpolitikerinnen und stellt fest: Frauen in der Politik sind gleich mehreren Formen des Hasses im Internet ausgesetzt. Und dieser nimmt weiter zu.

„Wir müssen dieser besonderen Form der digitalen Gewalt gegen Frauen entschieden entgegentreten, um das Engagement aller Menschen in unserer Demokratie sicher zu stellen. Gerade mit Blick auf die Kommunalwahlen im kommenden Jahr ist es unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Frauen darin zu bestärken, aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft und am öffentlichen Diskurs teilzunehmen“, sagt Staatssekretärin Ute Leidig.

Deshalb widmet sich auch die aktuelle Ausgabe der Berichtsreihe „GesellschaftsReport BW“, die im Auftrag des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg von der FamilienForschung Baden-Württemberg verfasst wird, der Frage, wie Hatespeech gegen Kommunalpolitikerinnen in Baden-Württemberg eingesetzt wird. Vor dem Hintergrund der Kommunalwahlen 2024 wird mithilfe qualitativer Interviews beleuchtet, welche Auswirkungen Hatespeech für die Betroffenen auf persönlicher und auf politischer Ebene hat.

Falschaussagen, Beleidigungen, sexualisierte Gewalt

Der GesellschaftsReport zeigt auf, dass Kommunalpolitikerinnen immer häufiger von digitaler Gewalt und Hatespeech betroffen sind. Dies kann zur Folge haben, dass Politikerinnen ihre Meinung nur noch vorsichtig oder gar nicht mehr äußern oder sogar ihr Amt niederlegen. Digitale Gewalt erfuhren die befragten Politikerinnen in Form von E-Mails mit persönlichen Beleidigungen bis hin zu Gewaltandrohungen. Hatespeech widerfuhr den befragten Politikerinnen durch Verbreitung von Falschaussagen, öffentliche Abwertung durch Stereotype und visuelle Verunglimpfung sowie sexualisierte Gewalt. Besonders häufig machten die Politikerinnen diese Erfahrungen im Wahlkampf.

Hatespeech gegen Kommunalpolitikerinnen
Quelle: GesellschaftsReport BW

Wie reagieren Kommunalpolitikerinnen auf Hatespeech?

Die Wahrnehmung von und die Reaktionen auf Hatespeech sind subjektiv. Ein Großteil der Befragten ließ sich von den Hasskommentaren nicht einschüchtern und strebt eine weitere Amtszeit an. Die Politikerinnen sind durch ihre Erfahrungen jedoch vorsichtiger geworden in der Nutzung sozialer Medien. Alle Interviewten nehmen Hatespeech als Gefahr für die Demokratie wahr. Neben den Verstummungseffekten, kann Hatespeech auch substanzielle Abschreckung für Menschen bedeuten, die ein Interesse daran haben, in der Kommunalpolitik aktiv zu werden.

Auch das "Kommunale Monitoring" erkennt einen Anstieg an Hatespeech gegen Kommunalpolitikerinnen

Kommunalpolitikerinnen sind immer häufiger von digitaler Gewalt und Hatespeech betroffen. Laut der MOTRA Frühjahrsbefragung 2023 „Kommunales Monitoring" berichteten 33 Prozent der teilnehmenden Politikerinnen in Baden-Württemberg von Anfeindungen. Darunter gaben 46 Prozent an, Hass im Netz erfahren zu haben. Das Monitoring zeigt auch einen großen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Amts- und Mandatspersonen. Im gleichen Monitoring waren es 16 Prozent der männlichen Amts- und Mandatspersonen, die Hass im Netz erfahren hatten.

Was können wir gegen Hatespeech tun?

Es bestehe akuter Handlungsbedarf, um Hatespeech zukünftig zu verhindern. Dabei gehe es auch um präventive Maßnahmen. Von den befragten Politikerinnen wurden klare Regulierungen und gesetzliche Grenzen gefordert. Ein weiterer erster Ansatzpunkt könnte eine frühzeitige Sensibilisierung für digitale Umgangsformen sein, bereits in Kindergärten und Schulen. Ein Beispiel dafür ist das Präventionsprogramm „Zivilcourage im Netz", das 2020 vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg für Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klassenstufe eingeführt wurde, um ein verantwortungsvolles und couragiertes Handeln der Jugendlichen zu erreichen.

Unterstützungsstrukturen müssen bekannter werden

Unterstützungsstrukturen seien teils bereits vorhanden. Der GesellschaftsReport BW hält es daher für wichtig, die Initiativen zu bündeln und bestehende Anlaufstellen bekannter zu machen. Mit der Zentralen Ansprechstelle für Mandatsträger und Personen des öffentlichen Lebens (ZAMAT) wurde 2019 beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg eine Hotline für Amts- und Mandatsträger und -trägerinnen eingerichtet, die rund um die Uhr berät und bei Bedarf spezialisierte Ansprechpersonen bei den regionalen Polizeipräsidien vermittelt. Als weiteres bestehendes Angebot in Baden-Württemberg gibt es die zentrale Anlaufstelle Initiative Toleranz im Netz, die ein Ergebnis der Task Force gegen Hass und Hetze ist und ebenfalls im Landeskriminalamt Baden-Württemberg angesiedelt ist. Betroffene sollen über die Plattform schnell und unkompliziert Hilfs- und Beratungsangebote sowie Informationen zu Anzeigemöglichkeiten und Meldestellen finden. Auf Bundesebene informiert das Portal Stark im Amt, welches sich gezielt an Mandats- und Amtspersonen richtet.

"Politisches Engagement von Frauen ist unverzichtbar"

„Zwar können alle im Netz aktiven Menschen mit digitaler Gewalt und Hatespeech konfrontiert werden, der GesellschaftsReport zeigt jedoch, dass Frauen zusätzlich geschlechtsspezifischem Hass ausgesetzt sind“, betonte die Staatssekretärin. „Dies verdeutlicht einmal mehr, dass politisches Engagement von Frauen leider noch immer keine Selbstverständlichkeit ist. Die Landesregierung stellt sich Hass und Hetze in der digitalen wie auch analogen Welt entschlossen entgegen. Das politische Engagement von Frauen ist unverzichtbar“, unterstrich Staatssekretärin Ute Leidig.

Der GesellschaftsReport 2-2023 „Hatespeech gegen Kommunalpolitikerinnen in Baden-Württemberg“ steht ab sofort auf der Website des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration zum Download bereit. 

Weitere Untersuchungen zu Hatespeech gegen Kommunalpolitikerinnen nötig

Die Macher des GesellschaftsReport geben jedoch auch zu bedenken: "Um in Baden-Württemberg gegen Hatespeech gegen Kommunalpolitikerinnen gezielt vorgehen zu können, besteht weiterer Forschungsbedarf, insbesondere in Hinblick auf die Kontexte, in denen Hatespeech entsteht, in Bezug auf die Profile der Täter und Täterinnen und auf die Folgen, die Hatespeech für Kommunalpolitikerinnen hat. Es bedarf einer fundierten Datengrundlage und weiteren vertieften empirischen Analysen, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Kommunalpolitikerinnen am effizientesten geschützt und unterstützt werden können, damit politische (Ehren-)Ämter weiterhin mit Freude, Sichtbarkeit und Engagement ausgeübt werden."

Was ist Hatespeech?

Hatespeech ist eine Unterform digitaler Gewalt und beschreibt die im Netz öffentliche, oft aggressive Abwertung, Beschimpfung oder Bedrohung von Personen mit bestimmter Gruppenzugehörigkeit. Digitale Gewalt im Allgemeinen beschreibt unterschiedliche Formen von Gewalt, die sich technischer Hilfsmittel oder digitaler Medien bedienen.