Bürgerbegehren für Klimaschutzmaßnahmen sind deutlich häufiger als jene dagegen
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Mehr Bürgerbegehren FÜR als GEGEN den Klimaschutz

Knapp 9.000 direktdemokratische Verfahren auf kommunaler Ebene seit 1956. Auf diese Zahl kommt ein aktueller Bürgerbegehrensbericht des Vereins „Mehr Demokratie“. Der Bericht analysiert die Auswirkung von direkter Mitbestimmung – besonders auf den Klimaschutz. 245 neu gestartete Verfahren auf kommunaler Ebene verzeichnet der Bürgerbegehrensbericht für das Jahr 2022.

Seit 1956 gab es insgesamt 8.958 Bürgerbegehren und Ratsreferenden in den Kommunen. Der Vergleich mit den Vorjahren zeigt, dass sich die Zahl neuer Verfahren bei rund 300 pro Jahr eingepegelt hat. 2021 waren es 307, 2020 immerhin 289 Verfahren und 2019 wurden 369 neue Verfahren initiiert. Das ergibt der Bürgerbegehrensbericht des Vereins "Mehr Demokratie".

Wo gibt es die meisten Bürgerbegehren?

Ein Bundesland ist mit weitem Abstand Spitzenreiter: 40 Prozent aller Verfahren (3.485) wurden in Bayern ausgelöst. Baden-Württemberg liegt mit etwa zwölf Prozent (1.105) auf Platz 2. Die Plätze dahinter belegen Nordrhein-Westfalen mit 943, Schleswig-Holstein mit 591 und Hessen mit 524 Verfahren. Schlusslichter sind das Saarland und Bremen mit 17 beziehungsweise elf Verfahren. Zum Teil lässt sich das über die Menge an Kommunen in den jeweiligen Bundesländern erklären erklären. Bayern mit den zweitmeisten Kommunen, Schleswig-Holstein mit den drittmeisten und Baden-Württemberg mit den viertmeisten Kommunen müssten nach Proporz bei der Anzahl an Bürgerbegehren weit vorne liegen. Es erklärt jedoch nicht, warum beispielsweise Rheinland-Pfalz mit den meisten Kommunen im Mittelfeld liegt. Das verbleibende Ungleichgewicht zwischen den Ländern führt „Mehr Demokratie“ auf die unterschiedlichen Regelwerke zurück, die bürgerschaftliches Engagement erleichtern oder erschweren.

Bürgerbegehren nach Kommunenzahl der Bundesländer
Quelle: Bürgerbegehrensbericht 2023/Mehr Demokratie e.V. 
Bürgerbegehren zwischen 2018 und 2022
Quelle: Bürgerbegehrensbericht 2023/Mehr Demokratie e.V.

In Baden-Württemberg waren in der betrachteten Zeit 34,6 Prozent der Bürgerbegehern unzulässig. Damit liegt Baden-Württemberg über dem deutschlandweiten Durchschnitt von 28,5 Prozent. Bei den vom Gemeinderat angenommenen Anliegen ist Baden-Württemberg das Bundesland mit den wenigsten positiv beschiedenen Anliegen mit 9,2 Prozent. Der Durchschnitt liegt bei 14 Prozent.   

Mehr Bürgerbegehren für als gegen den Klimaschutz

Der Bericht wirft auch einen detaillierten Blick auf Bürgerbegehren und Ratsreferenden mit einem Bezug zum Klimaschutz. In den letzten zehn Jahren kam es zu 387 Verfahren, die einen Bezug zur Klimapolitik der Kommune hatten. Auffällig dabei: Die Mehrheit – nämlich 63 Prozent – dieser Verfahren zielten darauf ab, den Klimaschutz voranzubringen. Nur 27 Prozent wollten eine Klimaschutzmaßnahme verhindern. Baden-Württemberg liegt hier etwas über dem Durchschnitt: 66 Prozent der klimaschutzbezogenen Bürgerbegehren zielten auf mehr Klimaschutz ab. Ein deutlicher Trend zeigte sich bei der Aufschlüsselung nach Kommunengröße: Deutschlandweit kommen 70 Prozent der den Klimaschutz bremsenden Bürgerbegehren aus Kommunen mit unter 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern - Wobei es zu berücksichtigen gilt, dass auch 70 Prozent der untersuchten Kommunen zur Größe unter 5.000 Einwohnerinnen und Einwohner gehören. Die den Klimaschutz fördernden Bürgerbegehren verteilen sich relativ gleichmäßig auf die verschiedenen Kommunengrößen. 

Bürgerbegehren zum Thema Klimaschutz
Quelle: Bürgerbegehrensbericht 2023/Mehr Demokratie e.V.

Windkraftanlagen werden am häufigsten durch Bürgerbegehren behindert - Doch: Der Wind dreht sich!

Besonders betroffen von verhindernden Verfahren sind Vorhaben zur Errichtung von Windkraftanlagen. Fast die Hälfte der klimaschutzfeindlichen Verfahren zielten darauf ab. In Baden-Württemberg waren es deutlich über die Hälfte: 15 von 22 Verfahren sollten den Bau von Windrädern verhindern. In fünf Fällen ist dies auch gelungen. Den 22 Verfahren zur Hinderung von Klimaschutzmaßnahmen stehen laut Bericht jedoch 36 Bürgerbegehren oder Bürgerentscheide gegenüber, die Maßnahmen forderten, um den Klimaschutz vor Ort zu erhöhen – So etwa Verfahren für bessere Rad- und Fußgängerwegen und zum Ausbau des ÖPNV. Auch im Bereich der Windkraft zeigt sich bei den Bürgerbegehren in den letzten Jahren ein umdenken. Waren zwischen 2013 und 2017 noch 70 Prozent der deutschlandweiten Bürgerbegehren zum Thema Windkraft darauf ausgerichtet, Windkraftprojekte zu verhindern. Zwischen 2018 und 2022 waren es nur noch 26 Prozent, die gegen Windkraftprojekte gerichtet waren, 74 Prozent waren dafür. Eine klare Trendwende.

Trendwende bei den Bürgerbegehren zum Thema Windkraft
Quelle: Bürgerbegehrensbericht 2023/Mehr Demokratie e.V.

Erarbeitet wird der alle zwei Jahre erscheinende Bericht in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demokratie- und Partizipationsforschung an der Bergischen Universität Wuppertal.